Recht und Steuern

A4b Nr. 51

A 4b Nr. 51
§§ 1054 Abs. 1, 1061, 1062 ZPO, Art. IV, V UN-Ü
1. Zur Vollstreckbarerklärung eines spanischen Schiedsspruchs.
2. Der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs steht nicht in jedem Fall entgegen, dass dieser nur von der Mehrheit der Mitglieder des Schiedsgerichts unterzeichnet ist und der Grund für die fehlende Unterschrift nicht angegeben ist.
3. Zu den Auswirkungen der verwendeten Verfahrenssprache auf die Anerkennungsfähigkeit des Schiedsspruchs.
4. Es bildet regelmäßig keinen die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs hindernden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, wenn die zuvor im Ver­fahren angehörte Partei in der abschließenden Verhandlung vor dem Schiedsgericht neben ihrem Verfahrensbevollmächtigten keine Gelegenheit mehr erhält, persönlich das Wort zu ergreifen und vorzutragen.
OLG München, Beschluss vom 22.6.2009 34 Sch 026/08 RKS A 4 b Nr. 51
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines in Spanien ergangenen Schiedsspruchs.
Mit Vertrag vom 19.2.2001 schlossen die Antragstellerin, ein spanisches Pharmaun­ternehmen, und die Antragsgegnerin, ein deutsches Unternehmen des Pharmahan­dels, das bei Einleitung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens seinen Sitz in Bayern hatte, einen Exklusivvertriebsvertrag ab. Danach hatte die Antragsgegnerin Produkte der Antragstellerin, so genannte Antiallergene, abzunehmen und in Deutschland zu vertreiben. DerVertrag hatte eine Laufzeit bis 31.12.2010. Er ist gemäß Ziff. 15.1 dem spanischen Recht unterstellt. Sämtliche Streitigkeiten sind nach Ziff. 15.2 gemäß Gesetz 36/88 durch das Schiedsgericht der Handelskammer Madrid zu entscheiden. Als Schiedsort ist Madrid und als Schiedsgerichtssprache Englisch bestimmt.
Die Parteien stritten u.a. über Mindestabnahmeverpflichtungen der Antragsgegnerin in den Jahren 2001 bis 2004. Die Antragstellerin kündigte deshalb im Juni 2005 den Vertrag wegen Nichterfüllung. Im Schiedsverfahren machte sie rückständige, in der Sa­che unstreitige, Rechnungsbeträge von insgesamt 496.064,98 – aus Pharmalieferungen an die Antragsgegnerin geltend. Gegenstand des Schiedsverfahrens bildeten fer­ner wechselseitige Schadensersatz- und Entschädigungsforderungen wegen behaup­teter Vertragsverletzungen und aus unberechtigter Kündigung. Soweit die Schiedsbeklagte widerklagend Entschädigung wegen Verlusts des Kundenstamms begehrte, rechnete sie u.a. gegen die Zahlungsforderung der Schiedsklägerin mit Entschädi­gungsforderungen auf.
Am 1.2.2007 entschied das angerufene Schiedsgericht bei der Industrie- und Han­delskammer Madrid, dass die Schiedsbeklagte an die Schiedsklägerin den Betrag der ausstehenden Rechnungen in Höhe von insgesamt 496.064,98 – „sowie die Verzugszinsen zu dem gesetzlichen Zinssatz im Zusammenhang mit jeder einzelnen ausgestellten Rechnung zu bezahlen (habe), die nach Ablauf der jeweilig eingeräumten Zahlungsfrist von 30 Tagen angefallen sind”. Die wechselseitigen Schadensersatz­ und Entschädigungsforderungen wies das Schiedsgericht ab, die Kündigung selbst erklärte es für rechtmäßig. Den schriftlich niedergelegten Schiedsspruch hat der von der Antragsgegnerin benannte dritte Schiedsrichter nicht unterschrieben; ein Grund für die fehlende Unterschrift ist nicht angegeben.
Die Antragsgegnerin erhob mit Schriftsatz vom 4.4.2007 zum Landgericht Madrid (Au­diencia Provincial de Madrid) Nichtigkeitsklage gegen den vorgenannten Schieds­spruch. Sie stützte die Anfechtung darauf, dass das Schiedsverfahren in spanischer und nicht in englischer Sprache, wie in der Schiedsabrede vereinbart, geführt worden sei. Ferner sei ihr die Anwesenheit eines Dolmetschers zur Unterstützung ihrer dama­ligen Geschäftsführerin, Frau R., nicht erlaubt worden. Der Schiedsspruch sei nur von zwei der drei ernannten Schiedsrichter unterschrieben. Er widerspreche dem ordre public und Bestimmungen der spanischen Verfassung, da sie rechtsschutzlos gewesen sei. Das Landgericht Madrid wies die Nichtigkeitsklage mit Urteil vom 17.6.2008 ab.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 17.12.2008 nunmehr beantragt, den Schiedsspruch des Schiedsgerichtshofs der Handelskammer Madrid vom 1.2.2007 in Höhe von 496.064.98 – zuzüglich Zinsen gemäß der von ihr gefertigten Zinsaufstel­lung (Ast 6) für vollstreckbar zu erklären.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Vollstreckbarerklärung dieses Schiedsspruchs abzulehnen und festzustellen, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.
Die Antragsgegnerin wendet gegen die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Wesentlichen ein:
a) Das Schiedsgericht sei nicht richtig besetzt gewesen. Unter dem schriftlichen Schiedsspruch fehle die Unterschrift des von ihr benannten Schiedsrichters T., der sein Amt Anfang Januar 2007 niedergelegt habe. Ob er an der Entscheidung mitgewirkt habe, wisse sie nicht. Sie bestreite dies.
b) Das Schiedsverfahren habe nicht in der von den Parteien vereinbarten englischen, sondern in spanischer Sprache stattgefunden. Das Schiedsgericht habe übersehen, dass die vertragliche Vereinbarung der Satzung der Handelskammer Madrid vorgehe. Es sei nicht richtig, dass sie sich mit Spanisch als Verhandlungssprache einverstan­den erklärt habe.
c) Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs würde gegen die deut­sche öffentliche Ordnung verstoßen. Ihrer damaligen Geschäftsführerin sei in der mündlichen Verhandlung des Schiedsgerichts am 13.12.2006 das rechtliche Gehör verweigert worden. Das Gericht habe es nicht nur abgelehnt, ihre Geschäftsführerin als Partei zu hören, sondern ihr auch einen Dolmetscher vorenthalten. Dieser Verstoß sei für den Schiedsspruch kausal gewesen. Das Gericht sei nämlich davon ausge­gangen, dass sie, die Antragsgegnerin, die Kündigung des Vertriebsvertrags hätte vermeiden können, wenn sie die für die Mindestumsätze erforderlichen Produkte bei der Antragstellerin gekauft und auf Lager genommen hätte. Dies sei nach Auffassung des Gerichts in ihren Verantwortungsbereich gefallen. Da sie solche Zukäufe nicht getätigt habe, sei die Antragstellerin berechtigt gewesen, den Vertriebsvertrag zu kündigen. Frau R., die Geschäftsführerin, hätte diese Fehlbeurteilung durch den Hinweis auf den Charakter der pharmazeutischen Produkte als Rezepturarzneimittel entkräften können. Frau R. hätte auch noch vortragen können, dass die Antragstellerin Vorteile aus dem Kundenstamm der Antragsgegnerin gezogen habe.
d) Im Übrigen seien ihr Mindeststandards an Verfahrensgerechtigkeit versagt worden, wozu auch der missglückte Versuch des Schiedsgerichts gehört habe, sich ein für sie positives Urteil entgelten zu lassen.
Die Antragstellerin erwidert hierauf:
zu a) Die fehlende Unterschrift des dritten Schiedsrichters sei unschädlich. Das folge aus Art. 45 der Schiedsordnung der Handelskammer Madrid. Außerdem sei dieser
Einwand erfolglos im Aufhebungsverfahren vor dem Landgericht Madrid geltend gemacht worden.
zu b) Die Parteien hätten zunächst im Vertragswerk Englisch als Verfahrenssprache bestimmt gehabt, jedoch dabei nicht bedacht, dass Art. 6 der ma1geblichen Schieds­ordnung Spanisch als Verfahrenssprache vorschreibt. Um diesen Widerspruch aufzu­lösen, habe sie vorgeschlagen, alle Dokumente nach Verlangen auf Spanisch und Englisch vorzulegen und keine Einwendungen zu erheben, wenn Dokumente auf Eng­lisch vorgelegt oder Handlungen auf Englisch vorgenommen würden. Sie habe aber deutlich gemacht, dies deshalb vorgeschlagen zu haben, um nicht gegen Art. 6 der Schiedsordnung der Handelskammer Madrid zu versto1en. Damit sei klar gestellt gewesen, dass die offizielle Verfahrenssprache Spanisch sein sollte. Die Antragsgegne­rin habe sich damit einverstanden erklärt, was sich aus verschiedenen Erklärungen ihrerseits erschlie1e.
Spanisch sei auch als Verfahrenssprache deshalb zwingend gewesen, weil sich die Parteien dem Schiedsverfahren eines institutionellen Schiedsgerichts unterworfen und damit auch dessen Schiedsordnung akzeptiert hätten. Diese auf der Parteiautonomie beruhenden Vereinbarungen gingen gesetzlichen spanischen Regelungen vor.
Schließlich bilde die Anwendung von Spanisch als Verfahrenssprache keinen zur Aufhebung führenden wesentlichen Verfahrensversto1.
Jedenfalls sei die Antragsgegnerin auch keineswegs rechtlos gestellt gewesen, weil sie während des gesamten Schiedsverfahrens durch einen spanischen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei und sich über diesen habe äu1ern können.
Letztlich sei ein etwaiger Versto1 nicht kausal für den Schiedsspruch geworden und durch das erfolglose Vorbringen im Verfahren vor dem Landgericht Madrid auch aus­geschlossen. Denn ein im Ausland erfolglos durchgeführtes Aufhebungsverfahren schlie1e die Geltendmachung entsprechender Versagungsgründe im Inland aus.
zu c) Das Recht einer Partei, selbst angehört zu werden, sei nicht Bestandteil des deutschen ordre public. Es genüge, wenn sich für die Parteien deren Bevollmächtigte äußern könnten.
Am fraglichen Terminstag (1 3.12.2006) habe gar keine mündliche Verhandlung statt­gefunden. Der Termin habe tatsächlich nur dazu gedient, die Prozessvertreter der Parteien anzuhören und nicht die Parteien selbst, die gar nicht geladen gewesen seien. Die Prozessvertreter sollten bei dieser Anhörung dem Schiedsgericht nur ihre abschließenden schriftlichen Stellungnahmen mündlich entsprechend der maßgeblichen Schiedsordnung erläutern.
Die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin sei im Übrigen nicht in der Ausführung ihrer Rechte behindert gewesen. Insbesondere sei ihr schon lange vor dem 13.12.2006 die Auffassung der Antragstellerseite wie auch des Schiedsgerichts be­kannt gewesen, dass von einer Ankaufsverpflichtung der Antragsgegnerin ausgegangen werde.
Überdies sei Frau R. am 27.9.2006 in Anwesenheit zweier Dolmetscher angehört worden und hätte Gelegenheit gehabt, ihre gegenteilige Auffassung dem Schiedsgericht in deutscher Sprache vorzutragen. Auf die Stellung eines Dolmetschers am 13.12.2006 habe sie keinen Anspruch gehabt. Auch das Landgericht Madrid habe in diesem Punkt keinen Verfahrensverstoß feststellen können. Ein etwaiger Mangel wäre zudem nicht kausal für den Schiedsspruch geworden, weil das Schiedsgericht auch bei unterstellter Verkaufsverpflichtung der Antragsgegnerin nicht anders entschieden hätte.
zu d) Die von derAntragsgegnerin behaupteten Manipulationsvorwürfe gegen das Schiedsgericht würden in dieser Form bestritten. Auch scheide jede Ursächlichkeit eines Bestechungsvorwurfs für den Schiedsspruch aus.
Der Senat hat mit Beschluss vom 8.4.2009 die mündliche Verhandlung angeordnet und diese am 25.5.2009 durchgeführt. Wegen des Ergebnisses der mündlichen Ver­handlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
II.
Der Antrag, den Schiedsspruch vom 1.2.2007 im bezeichneten Umfang für vollstreckbar zu erklären, ist zulässig und überwiegend begründet.
1.Das Oberlandesgericht München ist für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung zuständig (§ 1025 Abs. 4, §§ 1061, 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und Abs. 5 i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 16.11.2004 GVBl. S. 471). Die Antragsgegnerin hat ihren Geschäftssitz (§ 17 ZPO) zwar inzwischen nach Hamburg verlegt, sie hatte diesen Anfang 2009 bei Zustellung des Antrags jedoch im Bezirk des Oberlandesgerichts München. Die Sitzverlegung beruhte erst auf einem Gesellschafterbeschluss vom 8.4.2009. Entsprechend § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO wird die örtliche Zuständigkeit des Gerichts durch diesen später eingetretenen Umstand nicht berührt.
2.Die Antragstellerin hat den Schiedsspruch in anwaltlich beglaubigter Abschrift (§ 1064 Abs. 1 Satz 2 ZPO) sowie in deutscher Übersetzung, zusätzlich auch den Vertrag mit der in ihm enthaltenen Schiedsklausel (in englischer Sprache), vorgelegt. Trotz teilweise höherer Anforderungen in internationalen Übereinkommen genügt dies hier.
a) Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie vollstreckbaren öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 14.11.1983 (BGBl 1987 II, 34; 1988 II, 207) ist nach dessen Art. 3 Nr. 4 nicht auf die Schiedsge­richtsbarkeit anzuwenden. Das im spanisch-deutschen Verhältnis geltende Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl 1964 II, 425; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 29. Aufl. § 1061 Rn. 10) ändert das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung aus­ländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II, 122; im Folgenden UN-Ü) teilweise ab (siehe Art. IX Abs. 2) und geht diesem vor (vgl. § 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Es gilt jedoch, auch im Verhältnis zum innerstaatlichen Recht, das Meistbe­günstigungsprinzip, wonach auf das anerkennungsfreundlichere Regelwerk zurückzugreifen ist (BGH NJW-RR 2004, 1504 = RKS A 4 a Nr. 65; SchiedsVZ 2005, 306; BayObLGZ 2000, 233; Reichold in Thomas/Putzo § 1061 Rn. 7).
Demnach sind die formellen Voraussetzungen für den Antrag erfüllt (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1, § 1064 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das Europäische Überein­kommen besagt nichts über die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklä­rung in einem anderen Vertragsstaat. Soweit Art. IV UN-Ü über § 1064 Abs. 1 und 3 ZPO hinausgehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden, Übersetzungen und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UN-Ü das anerkennungsfreundlichere nationale Recht (BGH NJW-RR 2004, 1504 = RKS A 4 a Nr. 65 ). Dieses verlangt zwingend auch für ausländische Schiedssprüche nur die Vorlage des Schiedsspruchs im Original oder in anwaltlich beglaubigter Abschrift. Die Beibringung von Übersetzungen oder der Schiedsvereinbarung dienen dem innerstaatlichen Gericht allein dazu, die Anerken­nungsvoraussetzungen sachgerecht zu prüfen (vgl. auch Senat vom 11.5.2009, 34 Sch 023/08).
b) Bei dem schiedsrichterlichen Erkenntnis vom 1.2.2007 handelt es sich um einen Schiedsspruch, nämlich um die endgültige verbindliche Entscheidung über den von den Parteien unterbreiteten Streitgegenstand. An einer abschließenden verbindlichen Entscheidung des Schiedsgerichts fehlt es nicht deshalb, weil den Schiedsspruch nur zwei der drei Schiedsrichter unterschrieben haben und der Grund für die fehlende drit­te Unterschrift nicht angegeben ist.
(1) Das maßgebliche spanische Recht (Art. 37 Abs. 3 Ley de Arbitraje 60/2003 vom 23.12.2003, Anlage Agg 2) enthält allerdings, wie auch dem vorgelegten Urteil des Landgerichts Madrid vom 17.6.2008 zu entnehmen ist, eine dem deutschen Recht in § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO vergleichbare Regelung. Im Verfahren mit mehr als einem
Schiedsrichter genügen hiernach die Unterschriften der Mehrheit aller Mitglieder. Not­wendig ist jedoch die Angabe des Grundes für die fehlende Unterschrift, worauf nach deutschem Recht nicht verzichtet werden kann (herrschende Meinung; Reichold in Thomas/Putzo § 1054 Rn. 10; Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 1054 Rn. 2 und 7; Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 1752). Ohne den Zusatz ist der Schiedsspruch noch nicht wirksam. Ob aus Art. 45 der von den Parteien bestimmten Schiedsordnung der Handelskammer Madrid vom 26.3.2004 (Ast 4) gefolgert werden kann, dass der dritte Schiedsrichter nicht zu unterschreiben braucht und die fehlende Unterschrift ohne Angabe von Gründen als Anschluss an die von den beiden übrigen Schiedsrichtern getroffene Mehrheitsentscheidung zu werten ist, die entsprechende Bestimmung also einen etwaigen Zusatz überflüssig macht, bedarf keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Denn das im Aufhebungsverfahren befasste staatliche spanische Gericht hat im Zuge der Nichtigkeitsklage unter „Neuntens” im Umstand der fehlenden dritten Unterschrift keinen Nichtigkeitsgrund erkannt. Der Senat entnimmt hieraus, dass das spanische Gericht damit auch die Vorfrage der Existenz oder Wirksamkeit des Schiedsspruchs bejaht hat. Im Verhältnis der Parteien bindet jene Entscheidung vom 17.6.2008 nach Maßgabe von § 328 Abs. 1 ZPO, d.h. die im ausländischen Urteil festgestellte Rechtsfolge ist auch für das inlän­dische Gericht bindend, soweit es um die Vorfrage geht, ob ein wirksamer Schieds­spruch nach nationalem spanischem Recht überhaupt vorliegt (vgl. OLG Bremen BB 2000 Beil. 12, 18 f.; MünchKomm/Gottwald ZPO 3. Aufl. § 328 Rn. 7; Musielak/Voit ZPO 6. Aufl. § 1059 Rn. 20; Harbst SchiedsVZ 2007, 22/30). Ein Grund, dem Urteil des ausländischen Gerichts nach § 328 Abs. 1 ZPO die Anerkennung im Inland zu versagen, liegt insoweit nicht vor. Insbesondere kennt auch das deutsche staatliche Recht die Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen ohne die Unterschriften sämtlicher Richter und auch ohne Kenntlichmachung von Gründen für die fehlende Unter­schrift (vgl. BGHZ 148, 55/59; BayObLG ZWE 2001, 594; Reichold in Thomas/Putzo § 329 Rn. 11).
(2) Aus der Entscheidung des Landgerichts Madrid folgt zudem, dass die fehlende Unterschrift mitnichten auf einer fehlenden Abschlussberatung beruhte, sondern die Entscheidung des gesamten Schiedsrichterkollegiums bereits am 9.1.2007 getroffen
wurde und der dritte Schiedsrichter erst im Anschluss hieran Rücktrittsgründe erfolg­los geltend machte. Insoweit ist der Senat auch in der Sache davon überzeugt, dass das den Parteien übermittelte Exemplar tatsächlich den Schiedsspruch wiedergibt und nicht nur einen noch abschließend im Gremium zu beratenden Entwurf beinhaltet.
3. Der Schiedsspruch ist in dessen Ausspruch zu ,,Erstens” in dem oben wiedergege­benen Umfang für vollstreckbar zu erklären, weil Gründe nach Art. V Abs. 1 und Abs. 2 UN-Ü, ihm die Anerkennung zu versagen, weder nachgewiesen (Abs. 1) noch sonst erkennbar (Abs. 2) sind.
a) Die Anwendung der spanischen Sprache im Schiedsverfahren widerspricht nicht der Parteivereinbarung (Art. V Abs. 1 Buchst. d UN-Ü).
(1) In ihrer Schiedsklausel vom 19.2.2001 vereinbarten die Parteien allerdings Englisch als Verfahrenssprache. Jedoch unterwarfen sie sich der Jurisdiktion eines institutionellen Schiedsgerichts und damit auch dessen Verfahrensordnung, welche in Art. 6 die spanische Sprache vorschreibt und in Verbindung mit der maßgeblichen Über­gangsbestimmung (Disposicion Transitoria, Ast 4, S. 34) auf die im Dezember 2005 erhobene Schiedsklage anzuwenden ist. Diesen Widerspruch aufgelöst haben die Parteien jedoch einvernehmlich dadurch, dass sie bei Einleitung des Schiedsverfahrens Abweichendes vereinbarten, nämlich unter ausdrücklichem Hinweis auf Art. 6 der Schiedsordnung auf Vorschlag der Schiedsklägerin, (1.) alle Dokumente auf Verlangen in Spanisch und Englisch vorzulegen und (2.) keine Einwände zu erheben, wenn Dokumente auf Englisch vorgelegt oder Handlungen auf Englisch vorgenommen werden (Antragsschrift vom 17.12.2005, S. 3 = Agg 4). Die Beklagtenseite hat dies gebilligt mit ihrer Klageerwiderung vom 19.12.2005 (S. 3 unter,,Tercero”; Ast 9) und erneut ausdrücklich mit Schriftsätzen vom 5.5.2006 (S. 53 unter ,,Idioma”; Ast 10) sowie bestätigt unter dem 13.12.2006(S.4 unter 1.: ,,Idioma”; Ast 11). Für die durch einen spanischen Verfahrensbevollmächtigten vertretene Antragsgegnerin war hierbei ersicht­lich, dass mit Unterwerfung der Streitigkeit unter die Rechtsprechungsgewalt dieses Schiedsgerichts Spanisch als maßgebliche Verfahrenssprache akzeptiert wurde (vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 der maßgeblichen Schiedsordnung) und Englisch nur eine Hilfsfunktion im Verkehr der Parteien untereinander hatte.
(2) Im Übrigen kann dahinstehen, ob das Verfahren des Schiedsgerichts, bezogen auf die Verfahrenssprache und die Zulassung englischsprachiger Dokumente, fehlerhaft war. Die Antragsgegnerin rügt insoweit namentlich die Verfügung des Schiedsgerichts vom 24.7.2006 (Agg 4a), wonach sie alle eingereichten Dokumente (auch) in die spanische Sprache übersetzen lassen müsse. Sie kann aber nicht belegen, hierdurch in ihrer Verteidigung relevant behindert worden zu sein, geschweige denn, dass sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat (vgl. Musielak/Voit § 1061 Rn. 17; § 1059 Rn. 17 zur Parallelvorschrift des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d). Die Antragsgegnerin war im gesamten Schiedsverfahren durch einen Spanisch sprechenden Verfahrensbevollmächtigten vertreten. Dass Vortrag nicht berücksichtigt worden wäre, weil er in englischer Sprache gebracht worden ist, behauptet sie selbst nicht. Zu keinem anderen Ergebnis käme man, wenn zwischen wesentlichen und unwesentlichen Verfah­rensmängeln unterschieden würde (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 57 Rn. 13). Denn die durch zusätzliche Aufwendungen der Antragsgegnerin bedingten Erschwernisse bei der Geltendmachung ihrer Rechte sind in der Gesamtschau nicht derart wesentlich, als dass sie die Versagung der Anerkennungsfähigkeit rechtfertigen könnten.
(3) Demnach ist auch nicht der Beweis erbracht, dass die Antragsgegnerin aus Grün­den der Verwendung einer anderen als der vereinbarten Verfahrenssprache ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht hat geltend machen können (Art. 5 Abs. 1 Buchst. b UN-Ü).
(4) Schließlich kann sich die Antragsgegnerin auf den Versagungsgrund der Verwendung einer nicht vereinbarten Verfahrenssprache auch deshalb nicht berufen, weil das Landgericht Madrid im Nichtigkeitsverfahren sich unter ,,Zweitens” und ,,Fünftens” (am Ende) mit den Erschwernissen der Antragsgegnerin durch die Verwendung einer ihr
fremden Verfahrenssprache ausdrücklich befasst und eine darauf begründete Nichtig­keit des Schiedsspruchs verneint hat. Insoweit ist jenem Urteil des staatlichen spanischen Gerichts die Anerkennungswirkung nach § 328 ZPO ebenfalls nicht zu versa­gen (s.o. unter II.2.b.(1)).
b) Der Vollstreckbarerklärung steht unter dem Gesichtspunkt eines fehlerhaften Ver­fahrens (Art. V Abs. 1 Buchst. d UN-Ü) auch nicht entgegen, dass das Schiedsgericht dem Antrag der Antragsgegnerin, in der Verhandlung vom 13.12.2006 deren Geschäftsführerin mit Hilfe eines Dolmetschers anzuhören, nicht nachgekommen ist. Das Verfahren beruhte insoweit auf der kraft Parteiabrede maßgeblichen Schiedsordnung der Handelskammer Madrid und dessen Art. 39 Abs. 1, wonach das Schiedsgericht am 13.12.2006 eine mündliche Anhörung der Parteivertreter zu deren Schlussvorträgen angesetzt hatte. Nach dem unbestrittenen Verfahrensablauf wurden zuvor bereits am 27.9.2006 Zeugen vernommen und die gesetzlichen Vertreter der Parteien ange­hört. Im Rahmen dieses Termins kam auch die Geschäftsführerin R. zu Wort. Es ist nicht ersichtlich, dass die vom Schiedsgericht gewählte Verfahrensweise der Parteivereinbarung widersprochen hätte.
c) Der Anerkennung des Schiedsspruchs stehen weder Art. V Abs. 1 Buchst. b UN-Ü (wegen fehlender Möglichkeit der Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln) noch Art. V Abs. 2 Buchst. b UN-Ü (ordre public) entgegen. Die Antragsgeg­nerin rügt insoweit, dass die Verfahrensweise des Schiedsgerichts, namentlich im Zusammenhang mit der unterbliebenen Anhörung ihrer Geschäftsführerin am 13.12.2006 und die Verweigerung eines Dolmetschers, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt habe. Doch kann sie auch damit nicht durch­dringen.
(1) Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein Versagungsgrund für die Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass nach der deut­schen Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Ver­fahren ergangen angesehen werden kann. Bei der Frage der Anwendung des Grund­satzes des rechtlichen Gehörs kann nicht ein Vergleich zwischen dem deutschen und dem ausländischen Recht vorgenommen werden. Es ist vielmehr auf die Grundwerte zurückzugehen, die Art. 103 Abs. 1 GG schützen will. Das ist einmal der Umstand, dass es das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit grundsätzlich verbietet, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit hatte, sich zu äußern. Zum anderen verlangt es die Unantastbarkeit der Menschenwürde, dass ein Verfahrensbeteiligter auf die Verfahrensgestaltung aktiv Einfluss nehmen kann (z.B. BGH NJW 1978, 1114/ 1115; 2007, 772/774 = RKS A 4 b Nr. 37; WM 2009, 573/574 = RKS A 4 a Nr. 110).
(2) Die Antragsgegnerin hatte in jeder Phase des Verfahrens Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen; sie war, auch im Schlusstermin vom 13.12.2006, durch einen der Gerichtssprache mächtigen Bevollmächtigten vertreten. Die Befugnis zu jederzeitigen unmittelbaren Parteiausführungen ist von Art. 103 Abs. 1 GG nicht mit umfasst (BVerwG NJW 1984, 625/626; BVerfGE 31, 364/370). Im Falle anwaltlicher Vertretung verlangt der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht, dass auch der Beteiligte selbst angehört werden muss (Maunz-Dürig GG Art. 103 Rn. 109; BayVerfGH 23, 177; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff Verfassung des Freistaates Bayern Art. 91 Rn. 17), mag dies das einfachgesetzliche Recht wie etwa in § 137 Abs. 4 ZPO auch verlangen.
(3) Überdies hatte das Schiedsgericht die Geschäftsführerin am 27.9.2006 in deren Muttersprache unmittelbar angehört. Hierbei hätte Frau R. Gelegenheit gehabt, dem Schiedsgericht ihre Sichtweise der maßgeblichen Punkte, nämlich keine Ankaufs-, sondern Verkaufsverpflichtung (siehe Ziff. 4 des Vertrags vom 19.2.2001: „purchase objectives”) und Aneignung des Kundenstamms der Antragsgegnerin, darzustellen. Die unterschiedlichen Vertragsinterpretationen waren bereits zu diesem Zeitpunkt be­kannt, wie der Schriftsatz der Antragstellerseite vom 8.6.2006 (Art. 14) an das Schiedsgericht zeigt. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass die Geschäftsführerin noch im Verlauf des Anhörungstermins vom 27.9.2006 keine Gelegenheit gehabt hät­te, auf die Einlassung des im selben Termin vernommenen Geschäftsführers der An­tragstellerin zu antworten, dessen Unternehmen habe von der Firma N. in Bezug auf den Kundenstamm kein Geld erhalten.
Auf die im Übrigen nach dem Schiedsspruch zweifelhafte Kausalität der behaupteten Verstöße für dessen Ergebnis braucht deshalb nicht mehr eingegangen zu werden.
(4) Schließlich sind keine sonstigen Gründe ersichtlich, die unter dem Gesichtspunkt des ordre public zur Versagung der Anerkennung führen würden. Eine revision au fond, also die Überprüfung, ob das Schiedsgericht in der Sache richtig entschieden hat (Lachmann Rn. 2147), findet nicht statt (z.B. BayObLG vom 23.9.2004, 4Z Sch 005/04). Insbesondere sind die Grundanforderungen eines fairen Verfahrens nicht verletzt. Die in der Hauptsache zuerkannte Rechtsfolge, nämlich Zuerkennung eines offenen Rechnungsbetrags von 496.046,98 – für Medikamentenlieferungen unter Ab­weisung einer insoweit auch zur Aufrechnung gestellten Entschädigungsforderung wegen vertragswidriger Kündigung, steht zu den Grundgedanken der deutschen Re­gelungen und der in ihnen liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen nicht in einem derar­tigen Widerspruch, dass es aus deutscher Sicht untragbar erscheint (BGH NJW 2002, 960/961). Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin mutmaßt, die Schiedsrichter sei­en bestechlich gewesen. Unstreitig hat keine der Parteien irgendwelche Beträge an das Schiedsgericht gezahlt, so dass die Ursächlichkeit eines etwaigen Bestechungsversuchs für den Ausgang des Schiedsverfahrens von vornherein ausscheidet.
4. Hingegen ist der Zinsausspruch des Schiedsgerichts in dieser Form zur Vollstreckbarerklärung ungeeignet, weil ihm die hinreichende Bestimmtheit fehlt.
Nach dem Schiedsspruch zu verzinsen sind die jeweiligen Beträge aus einer Vielzahl einzelner ausgestellter Rechnungen nach Ablauf der jeweilig eingeräumten Zahlungsfrist von dreißig Tagen. Aus dem Titel selbst ergeben sich nicht der jeweilige Beginn der Verzinsung und die jeweiligen Rechnungsbeträge, die in der zuerkannten Gesamtsumme enthalten sind. Der Senat kann dies auch von sich aus nicht anhand der von der Antragstellerin vorgelegten tabellarischen Aufstellung (Ast 6) präzisieren, da diese auf tatsächlichen Feststellungen zum Rechnungsdatum, Fälligkeitsdatum und Rechnungsbetrag aufbaut, die der Schiedsspruch selbst nicht enthält.
Jedoch ist aus dem Schiedsspruch noch hinreichend ersichtlich, dass die sich aus
verschiedenen Rechnungsbeträgen zusammensetzende Forderung nicht nur fällig war, sondern sich die Antragsgegnerin spätestens im Zeitpunkt des Schiedsspruchs mit der Zahlung auch in Verzug befand (Schiedsspruch zu 7. I, S. 17). Demnach hält es der Senat unter Wahrung von § 308 ZPO und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Erteilung der Vollstreckungsklausel für ausländische Titel (BGH WM 1990, 1122; NJW 1993, 1801/1803) für zulässig, den Spruch dementspre­chend nach Zeitpunkt und Zinssätzen zu konkretisieren. Der „gesetzliche Zinssatz” nach dem von den Parteien gewählten spanischen Recht errechnet sich entsprechend Art. 1 des Gesetzes 25/1984 und beläuft sich nach dem unbestrittenen und mit ent­sprechenden Gesetzesauszügen unterlegten Vortrag der Antragstellerin für 2007 auf 5 %, für 2008 auf 5,5 % und für 2009 auf 4 %.
5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, § 1064 Abs. 2 ZPO sowie § 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 6 ZPO.