Recht und Steuern

A4b Nr. 49

A 4 b Nr. 49

§§ 1031 Abs. 6, 1032 Abs. 2, 1040 Abs. 3, 1059 Abs. 3, 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO - Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen Übergehung von Beweisanträgen und Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Hinweispflicht, Substantiierung, Entscheidungserheblichkeit, Rechtzeitigkeit. Sachverständigengutachten als substanziierter Parteivortrag. Überraschungsentscheidung

1. Die Anforderungen an die Begründung eines Aufhebungsantrages entsprechen in formeller Hinsicht denen an eine Revisionsbegründung nach § 551 Abs. 3 ZPO, wobei die Gründe wesentlich enger gefasst sind. Das Aufhebungsverfahren ist keine Rechtsmittelinstanz. Daher erfolgt keine erneute vollständige Sach- und Rechtsprüfung. Ungenügender Vortrag zu den Aufhebungsgründen ist nicht durch Aktenbeiziehung behebbar. Übergangene Beweisantritte (Tatsachen und Beweismittel) müssen konkret mit Schriftsatzangabe benannt, und die Entscheidungserheblichkeit muss konkret herausgearbeitet werden. Die pauschale Rüge des rechtlichen Gehörs und die allgemeine Bezeichnung von Beweismitteln und Tatsachen genügt schon den formalen Anforderungen nicht, wenn die Entscheidungserheblichkeit weder herausgearbeitet wurde, noch benannt wurde, welcher Vortrag ergänzt worden wäre. Die in § 1059 Abs. 3 ZPO bestimmte Dreimonatsfrist ist einzuhalten.
2. Wenn das Schiedsgericht ein Sachverständigengutachten als (substanziierten) Parteivortrag wertet, ist das keine Beweisaufnahme. Der Gutachter muss die Parteien nicht laden, das Schiedsgericht einem Antrag auf Anhörung einer Partei oder Ladung von Zeugen nicht stattgeben.
3. Soweit beanstandet wird, dass das Schiedsgericht Hinweise unterlassen und eine Überraschungsentscheidung getroffen habe, muss vorgetragen werden, welche konkreten Hinweise vermisst werden, was daraufhin vorgetragen worden wäre und welche konkrete Auswirkung dies auf die Begründung und Entscheidung des Schiedsgerichts hätte haben müssen.
4.Der Antragsteller kann im Aufhebungsverfahren das wegen der Kündigung des Hauptvertrages mögliche Nichtbestehen der Schiedsabrede nicht mehr geltend machen, wenn er im Schiedsverfahren die Zuständigkeitsrüge nach § 1040 ZPO nicht erhoben hat.
5.Ein etwaiger Formmangel der Schiedsabrede ist durch die rügelose Einlassung vor dem Schiedsgericht geheilt.
6.Ein Antrag auf Feststellung der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts ist nach § 1040 ZPO nur gegen einen Zwischenentscheid des Schiedsgerichts zulässig, nicht jedoch gegen eine Inzidententscheidung im Endschiedsspruch. Insoweit kann die Unzuständigkeit nur im Aufhebungs- oder im Vollstreckbarkeitserklärungsverfahren geltend gemacht werden.


Kammergericht Beschl.v. 17.12.2007 – 20 Sch 05/07; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2009, 179 = RKS A 4 b Nr. 49

Aus dem Sachverhalt:

Die Antragsgegnerin als Auftraggeber und die Antragstellerin als Auftragnehmer schlossen unter dem 30.10.2002 einen Generalunternehmervertrag über die Sanierung und Instandsetzung eines Wohn- und Geschäftshauses in B. sowie eine Schiedsgerichtsvereinbarung. Die AGg. klagte gegen die ASt. vor dem Schiedsgericht und forderte Mängelbeseitigungskosten und Rückzahlung von Abschlägen wegen Überzahlung. Mit Schiedsspruch vom 14.6.2007 verurteilte das Schiedsgericht die ASt. zur Zahlung von 140.525 – nebst Zinsen.

Die ASt. begehrt Aufhebung des Schiedsspruchs. Sie macht u.a. geltend, der Schiedsspruch verletze den Grundsatz des fairen Verfahrens und habe ihr rechtliches Gehör verletzt. Das Schiedsgericht habe seine Entscheidung auf das Gutachten des Sachverständigen U. gestützt, obwohl sie dies gerügt habe. Bei den Ortsterminen seien die Parteien nicht geladen worden. Dem Antrag auf mündliche Erörterung mit dem Sachverständigen sei nicht entsprochen worden. Die Einwendungen des Sachverständigen und der Auftraggeber des Gutachtens seien nicht berücksichtigt worden. Alle von ihr benannten Beweismittel einschließlich der zur Abänderung des Pauschalvertrages benannten Zeugen seien nicht berücksichtigt worden, obwohl der konkrete Leistungsinhalt für die Beurteilung der Ansprüche wesentlich sei. Sie sei von der Entscheidung überrascht worden. Hinweise zu erkennbar übersehenem Vortrag seien nicht ergangen. Die Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast hätten ihr vor der Entscheidung als Hinweis gegeben werden müssen.

Aus den Gründen:

Der Schiedsspruch ist gem. §§ 1060 ff. ZPO auf den zulässigen Antrag der AGg. für vollstreckbar zu erklären, weil die geltend gemachten Aufhebungsgründe (§ 1059 Abs. 2 ZPO) nicht bestehen und andere, von Amts wegen zu berücksichtigende Gründe nicht ersichtlich sind. Die ASt. hat – mit Ausnahme der Zuständigkeitsrüge – Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO schon nicht innerhalb von drei Monaten begründet geltend gemacht (§§ 1060 Abs. 2 S. 3, 1059 Abs. 3 ZPO).

1. Die Anforderungen an die Begründung des Antrages entsprechen in formeller Hinsicht denen an eine Revisionsbegründung nach § 551 Abs. 3 ZPO (Hartmann in Baumbach ZPO 66. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 4), wobei die Gründe wesentlich enger gefasst sind. Das vorliegende Verfahren stellt keine Rechtsmittelinstanz dar, weshalb keine erneute vollständige Sach- und Rechtsprüfung erfolgt und ungenügender Vortrag zu den Aufhebungsgründen auch nicht durch Aktenbeiziehung aufzubessern wäre (Geimer in Zöller ZPO 26. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 33). Erforderlich wäre daher – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – dass z.B. übergangene Beweisantritte (Tatsachenbehauptung und Beweismittel) konkret mit Schriftsatzangabe benannt werden und die Entscheidungserheblichkeit konkret herausgearbeitet wird (Gummer in Zöller aaO. § 551 Ad-Nr. 14). Die pauschale Rüge des rechtlichen Gehörs und die allgemeine Bezeichnung von Beweismitteln und Tatsachen genügte schon den formalen Anforderungen nicht, weil die Entscheidungserheblichkeit weder herausgearbeitet wurde, noch benannt wurde, welcher Vortrag ergänzt worden wäre. Abgesehen von dem Umstand, dass der ASt. im Rahmen der mündlichen Verhandlung ein Hinweis erteilt worden ist, scheidet ein Nachbessern nach Fristablauf aus (Voit in Musielak ZPO 5. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 35). Die in § 1059 Abs. 3 ZPO bestimmte Frist würde im Hinblick auf die formellen Anforderungen anderenfalls leerlaufen und zu dem inkonsequenten Ergebnis führen, dass nicht formgerecht vorgebrachte Gründe bis zur Entscheidung beliebig nachgebessert werden könnten und die Frist aus dem Gesetz herausinterpretiert wäre. Die Abgrenzung gegenüber erst nach Fristablauf vorgebrachten und damit ausgeschlossenen Gründen, die jedoch formgerecht begründet werden, würde ebenso wenig überzeugen. Hinsichtlich folgender auf §§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 b), 3. Alt., Nr. 1 d), 2. Alt., § 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO gestützter Aufhebungsgründe genügte die Begründung nicht den genannten formellen Anforderungen:

2. Die Beanstandung zum Gutachten ist nicht nachvollziehbar. Das Schiedsgericht hat nicht Beweis erhoben, sondern das (vor dem Verfahren erstellte) Partei-Gutachten als (substanziierten) Parteivortrag bewertet. Demgemäß bleibt unerheblich, ob die Parteien vom Gutachter geladen wurden. Da keine Beweiserhebung, sondern (auch zu den Einzelpositionen) eine Bewertung des Parteivortrags stattgefunden hat, ist auch nicht ersichtlich, dass das Gericht einem Anhörungsantrag hätte stattgeben müssen. Gleiches gilt für die mit Schriftsatz vom 11.12.2007 wiederum ohne jeglichen konkreten Bezug zur Begründung des Schiedsspruchs pauschal aufgelisteten Zeugenbeweisantritte. Ebenso pauschal wird vorgebracht, das Bestreiten sei unsubstanziiert gewesen, ohne dass sich die ASt. mit den abweichenden Ausführungen des Schiedsgerichts konkret auseinandersetzt. Dass die Schreiben vom 21. und 23. 5. 2007 dem Schiedsgericht vorgelegt wurden, wird schon nicht vorgetragen. Ebenso erfolgt keinerlei Ausführung zur Relevanz. Zur konkreten Relevanz der unterschiedlichen Baubeschreibungen, den angeblichen erheblichen Unterschieden und inwieweit Vorbringen dabei übergangen sein sollte, fehlt jeder Vortrag. Soweit alle benannten Beweismittel nicht berücksichtigt worden sein sollen, ist das aus sich heraus nicht prüfbar. Auswirkung und rechtliche Relevanz für den Schiedsspruch erschließen sich so nicht.

3. Soweit beanstandet wird, dass keine Hinweise erteilt worden seien, weshalb eine Überraschungsentscheidung vorliege, wird schon nicht vorgetragen, welche konkreten Hinweise vermisst werden, was daraufhin vorgetragen worden wäre und welche konkrete Auswirkung dies auf die rechtliche Begründung und die Entscheidung des Schiedsgerichts hätte haben müssen.

4. Aufhebungsgründe nach §§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 a und c) 1029, 1031 ZPO bestehen nicht. Die ASt. kann das wegen der Kündigung des Generalunternehmervertrages mögliche Nichtbestehen der Schiedsabrede in der Schiedsgerichtsvereinbarung vom 30.10.2002 nicht mehr geltend machen, weil sie im Schiedsverfahren die Zuständigkeitsrüge nach § 1040 ZPO nicht erhoben hat. Das Regelungsgefüge des § 1040 ZPO, der bei Rüge i.d.R. einen anfechtbaren Zwischenentscheid vorsieht sowie die hierfür bestimmten Fristen, schließen aus, dass bei unterlassener Rüge die Unzuständigkeit später noch geltend gemacht werden kann, weil ihr Zweck anderenfalls unterlaufen würde. Diese Einrede ist für den am Verfahren Beteiligten daher ausgeschlossen (Voit in Musielak ZPO 5. Aufl. § 1040 rd-Nr. 13; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 16 Rd-Nr. 11; Geimer in Zöller ZPO 26. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 39; Hartmann in Baumbach ZPO 66. Aufl. § 1040 Rd-Nr. 3; OLG Koblenz Beschl.v. 28.7.2005 – 2 Sch 4/05 SchiedsVZ 2005, 260 = RKS A 4 a Nr. 76 für ausländische Schiedssprüche). Im Übrigen ist eine Schiedsvereinbarung umfassend auszulegen, so dass auch Streitigkeiten aus einem gekündigten Vertrag bzw. zur Vorfrage der Kündigung der Schiedsabrede unterfallen.

5. Ein etwaiger Formmangel der Schiedsabrede wäre bereits durch die (hinsichtlich der Form) rügelose Einlassung vor dem Schiedsgericht geheilt gewesen (§ 1031 Abs. 6 ZPO; BGH Beschl.v. 29.6.2005 – III ZB 65/04 – SchiedsVZ 2005, 260 = RKS A 1 Nr. 140). Es kann daher dahin gestellt bleiben, ob die Parteien eine formwirksame Schiedsvereinbarung getroffen haben. Die ASt. hat die Rüge vor dem Schiedsgericht jedenfalls nicht erhoben. Auf die ausdrückliche Anerkennung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung und der Zuständigkeit des Schiedsgerichts im Termin vom 11.5.2007 kommt es nicht an –

6. Der Antrag auf Feststellung der Unzuständigkeit war unzulässig. Ein solcher Antrag ist nach § 1040 Abs. 3 ZPO nur gegen einen Zwischenentscheid des Schiedsgerichts zulässig, jedoch nicht gegen eine Inzidententscheidung im End-Schiedsspruch. Insoweit kann die Unzuständigkeit nur im Aufhebungs-oder Vollstreckbarkeitsverfahren geltend gemacht werden (Voit aaO. § 1040 ZPO Rd-Nr. 9; Geimer aaO. § 1040 ZPO Rd-Nr. 8). In seiner allgemeinen Formulierung zielte der Antrag zudem auf § 1032 Abs. 2 ZPO. Für eine solche Feststellungsklage war aber bereits die Frist verstrichen, weil sie bis zur Bildung des Schiedsgerichts hätte erhoben werden müssen.