Recht und Steuern

A4b Nr. 43

A 4b Nr. 43
Art. V Abs. 1 d + e UNÜ, §§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO, Art. 103 GG Nichtanerkennung eines im Erlassstaat wegen Verfahrensfehlers aufgehobenen Schiedsspruchs. Rechtliches Gehör im Vollstreckbarerklärungsverfahren
1. Die Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs darf versagt werden, wenn der Schiedsspruch vom zuständigen staatlichen Gericht des Erlassstaats aufgehoben worden ist.
2. Dies gilt erst recht, wenn die Aufhebung erfolgt ist, weil der Schiedsspruch entgegen der zugrundeliegenden Verfahrensordnung des Schiedsgerichts nur von zwei statt drei Schiedsrichtern beschlossen worden ist.
3. Das rechtliche Gehör ist nicht verletzt, wenn der Antragsteller im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht einmal behauptet hat, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt alle drei Schiedsrichter den Schiedsspruch mehrheitlich beschlossen hätten.
BGH Beschl.v. 21.5.2008 - III ZB 14/07; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2008, 195 = Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht WM 2008, 1469 = RKS A 4 b Nr. 43
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegnerin einen Schiedsspruch des Internationalen Schiedsgerichts bei der Weißrussischen Industrie- und Handelskammer Minsk vom 12.7.2005. Dieser wurde vom Obersten Wirtschaftsgericht der Republik Weißrussland am 19.9.2005 aufgehoben, weil das Schiedsgericht die Schiedsverfahrensordnung der Weißrussischen IHK verletzt habe. Es habe nicht wie vorgeschrieben in der Dreier-Besetzung entschieden, in der es verhandelt habe. Der von der AGg. benannte Schiedsrichter R. habe an der Entscheidung nicht mitgewirkt, den Schiedsspruch hätten nur die Schiedsrichter B. und K. gefällt. Das OLG Dresden hat festgestellt, der Schiedsspruch sei nicht im Inland anzuerkennen. Dagegen wendet sich die ASt. mit der Rechtsbeschwerde.
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde meint, die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO seien wegen einer Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht gegeben. Das OLG habe entscheidend darauf abgestellt, dass entgegen der vereinbarten Verfahrensordnung an der Willensbildung des Schiedsgerichts nur zwei von drei Schiedsrichtern beteiligt gewesen seien und die aus diesem Grund erfolgte Aufhebung des Schiedsspruchs durch das Oberste Wirtschaftsgericht der Republik Weißrussland gem. Art. IX Abs. 1 d des EuÜ 1961 hinzunehmen sei. Damit habe das OLG entscheidungserheblichen Vortrag der ASt. nicht ausgeschöpft (Art. 103 Abs. 1 GG).
1. Eine Gehörsverletzung ist indes zu verneinen. Die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs richtet sich kraft unmittelbarer Geltung als (transformiertes) Völkerrecht und kraft Verweisung des nationalen Rechts (vgl. § 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO) nach dem NewYorker Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II S. 121 UNÜ). Danach darf die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs versagt werden, wenn der Gegner eines Vollstreckbarerklärungsersuchens den Beweis erbringt, dass der Schiedsspruch „von einer zuständigen Behörde des Landes, in dem oder nach dessen Recht er ergangen ist, aufgehoben ... worden ist” (vgl. Art. V Abs. 1 e Alt. 2 Unterfall 1 UNÜ). Eine solche Aufhebung ist hier erfolgt. Das Oberste Wirtschaftsgericht der Rep.Weißrussland hat den in Minsk ergangenen Schiedsspruch des Internationalen Schiedsgerichts der Weißrussischen IHK vom 12.7.2005 durch Beschluss vom 19.9.2005 aufgehoben.
2. Für die Anerkennungsversagung hat das OLG jedoch diesem Ausgangspunkt muss hier nicht nachgegangen werden nicht die Tatsache genügen lassen, dass der Schiedsspruch durch das (zuständige) Gericht des Erlassstaats aufgehoben wurde. Vielmehr hat das OLG weiter untersucht, ob das Oberste Wirtschaftsgericht den Schiedsspruch „im Ergebnis zu Recht” aufgehoben hat, und hat die Aufhebung für gerechtfertigt gehalten. Den die Aufhebung begründenden Verfahrensfehler hat es darin gesehen, dass die Schiedsrichter B. und K. das Schiedsverfahren zu zweit zu Ende geführt haben; sie hätten den die (weitere) Mitwirkung ablehnenden Schiedsrichter R. gemäß der Schiedsgerichtsordnung durch einen anderen Schiedsrichter ersetzen und zusammen mit Letzterem den Schiedsspruch fällen müssen. Das sich den Schiedsrichterpflichten versagende, den Austausch nach der Schiedsgerichtsordnung gebietende „Gesamtverhalten” von R. hat es der von der ASt. vorgelegten schriftlichen Erklärung des vorsitzenden Schiedsrichters B. entnommen. Erheblicher Parteivortrag wurde dabei nicht übergangen.
3. Der von der Rechtbeschwerde in Bezug genommene Vortrag auf S. 7 des Schriftsatzes ... der ASt. vom 10.10.2006 stellt die von dem OLG angenommene Weigerung von R., an der „Beschlussfassung” mitzuwirken, nicht entscheidend in Frage. Diesem Vortrag ist nämlich nicht die Behauptung zu entnehmen, zu einem bestimmten Zeitpunkt seien alle drei Mitglieder des Schiedsgerichts zur Beratung über den Spruchentwurf des Schiedsrichters B. zusammengetreten und hätten den fraglichen Schiedsspruch (mehrheitlich) beschlossen. Auf ein schriftliches Abstimmungs- und Beratungsverfahren hat sich die Rechtsbeschwerde nicht berufen. Dem von der Rechtsbeschwerde angeführten Vorbringen ist zu entnehmen, dass nach dem Schluss der Schiedsverhandlung am 6.5.2005 „weitere(n) Termine einschließlich des streitbefangenen Verkündungstermins -12.7.2005-” vorgesehen waren; dass sie unter Mitwirkung des Schiedsrichters R. stattgefunden hätten, ist nicht ersichtlich. Es wird lediglich betont, R. habe an dem „Verkündungstermin” (gemeint ist der 12.7.2005) nicht teilgenommen; an diesem Tag sei nur das „Urteil erlassen, d.h. durch Unterzeichnung - Anmerkung: durch zwei der insgesamt drei Schiedsrichter - ausgefertigt” worden. Auch das von der Rechtsbeschwerde weiter angeführte Vorbringen auf Seite 5 .... des nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem OLG eingereichten Schriftsatzes vom 15.1.2007 enthält nicht die Behauptung, es habe einen (datierten oder sonst näher bezeichneten) Beratungs- und Beschlusstermin gegeben, dem der Schiedsrichter R. beigewohnt habe. Blieben die Darlegungen der ASt. in dem von dem maßgeblichen rechtlichen Standpunkt des OLG her gesehen entscheidenden Punkt, ob der Schiedsrichter R. an dem nach Beratung von allen Schiedsrichtern, ggf. durch Mehrheitsbeschluss, auf der Grundlage des Entwurfs von B. zu treffenden Schiedsentscheid beteiligt war, aber zu allgemein, scheidet ein gehörswidriges Übergehen aus.
Ist aber nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des OLG davon auszugehen, dass der Schiedsspruch entgegen der für das Schiedsverfahren geltenden Verfahrensordnung nur von zwei Schiedsrichtern des dreiköpfigen Schiedsgerichts gefällt wurde, dann ist der Schiedsspruch bereits gem. Art. V Abs. 1 d UNÜ nicht anzuerkennen.