Recht und Steuern

A4b Nr. 37

A 4 b Nr. 37
§§ 80, 330 ZPO - Vollstreckbarerklärungsverfahren: Formgerechte Vollmacht; kein „Versäumnisbeschluß“. Ordre public international
1. Auch im Vollstreckbarerklärungsverfahren ist die Vollmacht durch Einreichung der Originalurkunde zu den Gerichtsakten einzureichen, eine Telekopie genügt nicht. Ohne formgerechte Vollmacht ist die vollmachtgebende Partei säumig.
2. Das Gericht kann trotz der Säumnis in der Sache entscheiden. Dem durch das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrens neu gestalteten Vollstreckbarerklärungsverfahren ist ein Versäumnisverfahren fremd.
3. Das UN-Übereinkommen läßt (ebenso wie die nationalen Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche - § 1025 Abs. 4 i.V.m. § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO) die Gültigkeit anderer anerkennungsfreundlicherer zwei- oder mehrseitiger Verträge unberührt, z.B. hier das ursprünglich zwischen der BRD und der UdSSR geschlossene und im Verhältnis zur Republik Weißrußland weiter anzuwendende Abkommen (Bekanntmachung vom 5.9.1994 BGBl. II 2533). Nach Art. 8 dieses Abkommens kann die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nur versagt werden,
-- wenn er nicht die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils hat (Abs. 3 S. 1 a) ,
-- wenn er gegen die öffentliche Ordnung des Vollstreckungsstaates verstößt
(Abs. 3 S. 1 b und S. 2),
-- wenn er auf Grund einer ungültigen Schiedsvereinbarung ergangen ist.
4. Ein ausländisches Schiedsgericht verstößt gegen den (weniger strengen internationalen) ordre public i.S.d. Art. 8 Abs. 3 S. 1 b des Abkommens, wenn sein Verfahren an einem schwerwiegenden Mangel leidet, der die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens berührt. Das ist nicht der Fall, wenn das Schiedsgericht einen in seiner Verfahrensordnung vorgeschriebenen, mittels Einspruch an das Präsidium des Schiedsgerichts anfechtbaren Zwischenentscheid über seine bestrittene Zuständigkeit unterläßt und nach deren Feststellung in der Sache entscheidet. Denn ein Kompetenzentscheid des Schiedsgerichts ist stets nur vorläufig, endgültig entscheidet das staatliche Gericht spätestens im Anerkennungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren.
Bundesgerichtshof Beschluß vom 23.2.2006 - III ZB 50/05; Zeitschrift für Internationales Handelsrecht (IHR) 2006, 125 = RKS A 4 b Nr. 37
Aus den Gründen:
1. Das OLG Karlsruhe hat zu Recht in der Sache entschieden. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs des Schiedsgerichts bei der Weißrussischen IHK Minsk vom 15.8.2000 war nicht wegen Säumnis der Antragstellerin als unzulässig zu verwerfen. Zwar hat das OLG die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2004 nicht als säumig angesehen, weil sie durch einen Rechtsanwalt vertreten worden sei. Dieser war aber nicht wirksam bevollmächtigt.
Diese Säumnis hinderte indes nicht eine - streitige - Sachentscheidung über die Anerkennung des Schiedsspruchs, insbesondere war gegen die ASt. ein „Versäumnisbeschluß“ analog § 330 ZPO nicht zulässig. Der ASt. war aufgegeben worden, die dem Verfahrensbevollmächtigten erteilte Vollmacht nachzuweisen. Daraufhin hat diese - nach Ablauf der vom OLG gesetzten Frist, was aber mangels Ausschlußwirkung unschädlich war (Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. 2004 § 89 Rd-Nr. 6) - die Telekopie einer „Vollmacht zu meiner/unserer außergerichtlichen Vertretung“ vorgelegt.
Der Mangel der Vollmacht kann vom Gegner in jeder Lage des Verfahrens gerügt werden (§ 88 Abs. 1 ZPO). Der Gegner hat auf diese Rüge die Bevollmächtigung - abgesehen von hier nicht gegebenen Sonderfällen (Stein/Jonas/Bork a.a.O. § 80 Rd-Nr. 23 f.) - durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben (§ 80 Abs. 1 ZPO). Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - ggf. in beglaubigter Form (§ 80 Abs. 2 ZPO) - geführt werden, ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügt nicht (BGHZ 126, 266, 267 ff.; Senatsurteil vom 5.6.1997 - III ZR 190/96 - ZIP 1997, 1474, 1475; Senatsbeschluß vom 27.3.2002 - III ZB 43/00 - NJW-RR 2002, 933 [= IHR 2003, 43]). An einer solchen zweifelsfreien Feststellung der Bevollmächtigung besteht ein öffentliches Interesse und ein Interesse des Prozeßgegners (Sdenatsbeschluß v. 27.3.2002 a.a.O.). Durch schriftliche Vollmacht nachzuweisen sind ggf. Haupt- und Untervollmacht (Senatsbeschl.v. 27.3.2002 a.a.O. und BGH Urt.v. 27.5.1986 - IX ZR 152/85 - NJW-RR 1986, 1252, 1253).
Die Rechtsanwälte R., die die Ast. (nach Anwaltswechsel) zuletzt in dem Verfahren vor dem OLG vertreten haben, haben den Nachweis nicht in der vorgeschriebenen Form (§ 80 Abs. 1 ZPO) geführt. Sie haben nicht das Original, sondern lediglich die Telekopie einer ihnen von der Ast. erteilten Vollmacht vorgelegt; die Vollmacht sollte zudem nur für die „außergerichtliche Vertretung“ gelten. Die Ast. hat den Vollmachtsmangel trotz Hinweis des Senats auf die Bedenken nicht geheilt (Sen.urteil v. 5.6.1997 a.a.O. S. 1474; BGH Urt. v. 7.3.2002 - VII ZR 193/01 NJW 2002, 1957 f.; GemS OGB BGHZ 91, 111, 115 [Mangel der Vollmacht bei der Einlegung eines Rechtsmittels]; BGH Beschl.v. 16.5.1991 - IX ZB 81/90 NJW 1992, 627; BGHZ 128, 280, 283; BVerfGE 1, 433, 437; Zöller/Vollkommer ZPO 25.Aufl. 2005 § 89 Rd-Nr. 11 f.). Die im Verfahren vor dem OLG für die Ast. aufgetretenen RAe R. waren also nicht bevollmächtigt.
Der von den Rechtsanwälten R. vertretene Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist deshalb aber nicht wegen fehlender Prozeßhandlungsvoraussetzung als unzulässig abzuweisen (GemS OGB BGHZ 91, 111, 114f.; BGH Beschl.v. 16.5.1991 IX ZB 81/90 NJW 1992, 627f; Urt.v. 8.5.1990 VI ZR 321/89 NJW 1990, 3152 und v. 14.12.1990 V ZR 329/89 NJW 1991, 1175, 1176; BFH DB 1978, 238; Stein/Jonas/Bork a.a.O. § 80 Rd-Nr. 3; anders BVerwG Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 42 [Prozeßvoraussetzung]). Denn der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist von dem früheren Verfahrensbevollmächtigten der ASt., Rechtsanwalt S., eingereicht worden, dessen Vollmacht nie in Frage stand. Die ASt. wäre allerdings in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG am 25.11.2004 durch den nicht bevollmächtigten Anwalt nicht wirksam vertreten und damit säumig gewesen (Stein/Jonas/Bork a.a.O. § 88 Rd-Nr. 10)
2. Es stellt sich die - vom Senat bisher offen gelassene (27.5.2004 III ZB 53/03 BGHZ 159, 207, 209f. [zum Aufhebungsverfahren]m.w.N. = RKS A 2 Nr. 31) Frage, ob die §§ 330 ff. in dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung (§1025 Abs. 4 i.V.m. §§ 1061 bis 1065 ZPO) anwendbar sind - hier mit der Folge eines „Versäumnisbeschlusses“ gegen die ASt. (§ 330 ZPO analog). Sie ist aus den folgenden Gründen zu verneinen:
Dem durch das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22.12.1997 (BGBl. I S. 3224) neu gestalteten Vollstreckbarerklärungsverfahren ist ein Versäumnisverfahren fremd. Alle gerichtlichen Entscheidungen ergehen nunmehr in einem Beschlußverfahren. Das Urteilsverfahren, welches das frühere Recht für die in § 1046 ZPO (a.F.) aufgeführten Entscheidungen sowie für Entscheidungen über den Widerspruch gegen einen Beschluß, durch den ein Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wurde, vorsah (vgl. § 1042c Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F.), wurde durch ein vereinfachtes Beschlußverfahren (vgl. §§ 1060, 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, 1063, 1064 ZPO) ersetzt (vgl Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts - künftige Begründung - BTDrucks. 13/5274 S. 64). In dem Vollstreckbarerklärungsverfahren ist ein Teil der Aufhebungsgründe nur bei fristgerechter, begründeter Geltendmachung (§ 1060 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 ZPO), ein Verstoß gegen den ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO) aber stets von Amts wegen zu prüfen (vgl. Begründung a.a.O. S. 61; Senatsbeschluß 15.7.1999 BGHZ 142, 204, 206 = RKS A 4 a Nr. 43; MüKomm/Münch ZPO 2. Aufl. 2001 § 1060 Rd-Nr. 1 a.E., 9f; Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. 2005 § 1060 Rn. 1, 9, 11; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22. Aufl. 2002 § 1060 Rd-Nr. 10; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. 2005 Kap. 27 Rd-Nr. 8 f; Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. 2005 § 1060 Rd-Nr. 1). Das erstinstanzlich zuständige OLG (§ 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) entscheidet - wenn Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO in Betracht kommen, nach mündlicher Verhandlung (§ 1063 Abs. 2 Fall 2 ZPO) - stets durch Beschluß (§ 1063 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Hiergegen ist nur die Rechtsbeschwerde statthaft (§ 1065 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO). In diese Systematik fügt sich ein Versäumnisverfahren - insbesondere wegen der Möglichkeit eines „Zweiten Versäumnisurteils“ und der dagegen statthaften Berufung nach § 514 Abs. 2 ZPO, die die §§ 1060 ff ZPO nicht kennen - nicht ein (gegen ein Versäumnisurteil im Vollstreckbarerklärungsverfahren: MüKommZPO/Münch a.a.O. § 1063 Rd-Nrn. 3-6, § 1064 Rd-Nr. 3, a.A. BayObLGZ 1999, 55, 57; Schwab/Walter a.a.O. Kap. 28 Rd-Nr. 10; wohl auch Stein/Jonas/Schlosser a.a.O. § 1063 Rd-Nr. 8a; differenzierend Musielak/Voit a.a.O. § 1063 Rd-Nr. 5; Zöller/Geimer a.a.O. § 1059 Rd-Nr. 84).
3. Das OLG hat die begehrte Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs versagt, weil im Schiedsverfahren der Grundsatz des fairen Verfahrens zu Lasten der Ag. verletzt worden sei; dieser ordre-public-Verstoß hindere die Vollstreckbarerklärung sowohl nach nationalem wie nach internationalem Recht (§ 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ, Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b des Abkommens über allgemeine Fragen des Handels und der Seeschifffahrt zwischen der BRD und der UdSSR vom 25.4.1958 BGBl. 1959 II S. 221 [im Folgenden: ‘Abkommen’]).
Entgegen Art. 22 des Weißrussischen Schiedsgesetzes habe das Schiedsgericht nicht durch Zwischenentscheid über seine - von der Ag. bestrittene - Zuständigkeit entschieden und diesen der Ag. zugestellt, damit sie ggf. einen Rechtsbehelf zum Präsidium des Schiedsgerichts einlegen könne. Vielmehr habe es ohne weitere Benachrichtigung der Ag. zur Hauptsache verhandelt und im Schiedsspruch incidenter über seine Zuständigkeit entschieden. Ein solches Abschneiden weiterer Äußerungsmöglichkeit entspreche nicht dem Grundsatz des fairen Verfahrens und sei daher, selbst wenn darin keine Gehörsverletzung liege, anstößig.
Diese Erwägungen des OLG halten der rechtlichen Prüfung nicht stand. Nach dem dafür zugrunde zu legenden Sachverhalt kommt die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nach Art. 8 des Abkommensin Betracht.
Zwar ist im Streitfall die (unmittelbare) Anwendung des UNÜ eröffnet. Nachdem die BRD den Vertragsstaatenvorbehalt (Art. 1 Abs. 3 S. 1 UNÜ) zurückgezogen hat, kann in der BRD jeder im Ausland ergangene Schiedsspruch nach dem UNÜ anerkannt und vollstreckt werden (Vgl. Senatsbeschluß v. 25.9.2003 - III ZB 68/02 - NJW-RR 2004, 1504 = IHR 2003, 298 = RKS A 4 a Nr. 65). Das UNÜ läßt aber - ebenso wie die nationalen Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (vgl. §§ 1025 Abs. 4 i.V.m. 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO; Senatsbeschluß vom 25.9.2003 a.a.O.) - die Gültigkeit anderer anerkennungsfreundlicherer mehr- oder zweiseitiger Verträge unberührt (vgl. Art. VII Abs. 1 UNÜ; Senatsurteil v. 9.3.1978 III ZR 78/76 NJW 1978, 1744 = RKS A 4 a Nr. 18 zum Deutsch-Belgischen Abkommen; MüKommZPO/Münch a.a.O. § 1061 Rd-Nr. 8 f und MüKommZPO/Gottwald a.a.O. Art. VII UNÜ Rd-Nr. 11; Stein/Jonas/Schlosser a.a.O Anhang § 1061 Rd-Nr. 158 - allgemeine Ansicht). Das deutsche Gericht ist daher befugt, auch ohne daß sich die Parteien darauf berufen, auf anerkennungsfreundlichere Überein- und Abkommen (oder nationales Recht) in toto zurückzugreifen; denn es hat das Recht - völkerrechtliche Verträge ebenso wie (originär-)nationales Recht - von Amts wegen zu beachten (vgl. Senatsbeschluß vom 25.9.2003 a.a.O. m.w.N.)
Das ursprünglich zwischen der BRD und der UdSSR geschlossene Abkommen ist im Verhältnis der BRD und der Republik Weißrußland weiter anzuwenden (vgl. Bekanntmachung vom 5.9.1994 BGBl. II 2533; s.auch die in diesem Verfahren eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 4.11.2005; a.A. MüKommZPO/Gottwald a.a.O. Art. 8 dt.-sowj. Abk. Rd-Nr. 2; s.ferner Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen [Stand Juni 1991]Fn. * zu Art. 8 des Abkommens). Das von der Rechtsbeschwerdeerwiderung vermißte Ratifizierungsgesetz ist im Fall der - von der BRD und der Republik Weißrußland ersichtlich übereinstimmend angenommenen - (partiellen) Rechtsnachfolge der Rep. Weißrußland im Verhältnis zur UdSSR ( vgl. Bekanntmachung a.a.O.: „Nachfolgestaat“) entbehrlich.
Das Abkommen bezieht sich nur auf Streitigkeiten „aus Handelssachen“ (Art. 8 Abs. 1 S. 1 des Abkommens); der zugrundeliegende Vertrag betraf die Lieferung von 1.500 m3 Fichtenbrettern.
Die Anerkennung der Vollstreckung eines Schiedsspruchs kann nach dem - enger als Art. V UNÜ gefaßten (vgl. Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit 2. Aufl. 1989 Rd-Nr. 819; Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze a.a.O. Art. 8 des Abk. Fn. 14) - Art. 8 des Abkommens nur versagt werden,
--- wenn der Schiedsspruch nicht die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils hat (Art. 8 Abs. 3 S. 1 lit. a des Abk.) (aa),
--- wenn der Schiedsspruch gegen die öffentliche Ordnung des Vollstreckungsstaates verstößt (vgl. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b und Satz 2 des Abk.) (bb) und
--- wenn der Schiedsspruch auf Grund einer ungültigen Schiedsvereinbarung ergangen ist (vgl. Art. 8 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 des Abk.; OLG Frankfurt 29.6.1989 RIW 1989, 911, 914; Schwab/Walter Kap. 59 Rd-Nr. 15f.; Stein/Jonas/Schlosser Anh. § 1061 Rd-Nr. 222; Schlosser a.a.O. Rd-Nr. 799; s.auch Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze a.a.O. Art. 8 des Abk. Fn. 9 und 11) (III).
(aa) Anhaltspunkte dafür, daß der Schiedspruch (noch) nicht verbindlich ist und damit der Versagungsgrund des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 a des Abkommens gegeben sein könnte, liegen nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, daß der Schiedsspruch mit einem Rechtsmittel bei einer höheren schiedsrichterlichen Instanz oder einem staatlichen Gericht angegriffen werden könnte; die Möglichkeit einer Aufhebungsklage steht der Verbindlichkeit des Schiedsspruchs für die Parteien nicht entgegen (BGH 26.6.1969 BGHZ 52, 184, 188 = HSG A 4 a Nr. 8 [zu § 1044 Abs. 1 ZPO a.F.]; Senat 14.4.1988 BGHZ 104, 178, 180 zu dem Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. a des Abk. vergleichbaren Art. V Abs. 1 lit. e Alt. 1 UNÜ). Es steht auch nicht in Frage, daß der Schiedsspruch in ordnungsgemäßer Form abgefaßt und den Parteien übersandt wurde (§ 1054 Abs. 4 ZPO; Schwab/Walter Rd-Nr. 16).
(bb) Daß das Schiedsgericht die gesetzlich vorgesehene Entscheidung über seine Zuständigkeit weggelassen und sofort durchentschieden hat, ist entgegen der Auffassung des OLG kein ordre-public-Verstoß. Das Schiedsgericht gewährte der Ag. vor Erlaß des Schiedsspruchs ausreichendes rechtliches Gehör (wird ausgeführt). Ein Verfahrensfehler ist ihm allerdings insoweit unterlaufen, als es sich nicht darauf beschränkt hat, seine Kompetenz festzustellen, sondern nach Feststellung seiner Zuständigkeit sogleich in der Sache entschieden hat. Gemäß Art. 22 Abs. 4 ff. des Gesetzes der Rep. Weißrußland vom 9.7.1999 hätte es zuvor eine Zwischenentscheidung zur Zuständigkeit erlassen und vor der abschließenden Sachentscheidung abwarten müssen, ob die Ag. binnen 15 Tagen einen Endentscheid durch das Präsidium des Schiedsgerichts beantragen würde. Diese Unterlassung macht den Schiedsspruch aber nicht „anstößig“ i.S.d. Art. 8 Abs. 3 S. 1 b des Abkommens.
Der weißrussische Schiedsspruch unterlag dem weniger strengen Regime des ordre public international, seine Vollstreckbarerklärung schiede also nur aus, wenn das schiedsgerichtliche Verfahren an einem schwerwiegenden Mangel litte, der die Grundlagen staatlichen und wirtschaftlichen Lebens berührte (vgl. Senatsurteile 15.5.1986 BGHZ 98, 70, 73f RKS A 4 b Nr. 17; 18.1.1990 BGHZ 110, 104, 106 f. und vom 1.2.2001 - III ZR 332/99 NJW-RR 2001, 1059, 1060f = IHR 2001, 163 = RKS A 4 a Nr. 56). Das ist zu verneinen.
4. Zum ordre public international gehört es nicht - ebensowenig wie Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 GG oder das allgemeine Rechtsstaatprinzip im Verfahren vor den staatlichen Gerichten einen Instanzenzug garantieren (vgl. BVerfGE 1, 433, 437; 87, 48, 61; 89, 381, 390; 92, 365, 410); Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist auf Schiedsgerichte ohnehin nicht anwendbar (vgl. Maunz in Maunz/Dürig GG [1971]Art. 101 Rd-Nr. 17; Schulze/Fielitz in Dreier [Hrsg.]GG 2000 Art. 101 Rd-Nr. 27; Classen in von Mangoldt/Klein/Starck GG 4. Aufl. 2001 Art. 101 Abs. 1 Rd-Nr. 11) - daß gegen eine schiedsgerichtliche Zuständigkeitsentscheidung ein Rechtsmittel an eine höhere Schiedsinstanz gegeben sein muß. Das Schiedsgericht ist vielmehr nach deutschem Recht und internationaler Rechtsüberzeugung freier gestellt bei der Entscheidung über die eigene Zuständigkeit. Das von der UNCITRAL erarbeitete, also auf einem breiten völkerrechtlichen Konsens beruhende Modellgesetz (veröffentlicht z.B. in Berger [Hrsg.], Das neue Recht der Schiedsgerichtsberkeit 1998 S. 65 ff.) bestimmt, daß das Schiedsgericht über die Einrede der Unzuständigkeit als Vorfrage entscheiden - und damit die Möglichkeit eines Zwischenverfahrens vor dem staatlichen Gericht eröffnen - oder erst in dem abschließenden Schiedsspruch zur Sache entscheiden kann (Art. 16 Abs. 3 Satz 1 Modellgesetz). Der Art. 16 Modellgesetz im wesentlichen nachgebildete § 1040 Abs. 3 S. 1 ZPO (vgl. Begründung a.a.O. S. 43) bestimmt, daß das Schiedsgericht über die Rüge der Unzuständigkeit „in der Regel“ durch - gerichtlich anfechtbaren (§ 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO) - Zwischenentscheid zu befinden hat; in Ausnahmefällen, insbesondere wenn es den Eindruck hat, die Rüge solle bloß das Verfahren verschleppen, kann das Schiedsgericht erst im Schiedsspruch zur Sache positiv über seine Kompetenz entscheiden (vgl. Begründung a.a.O. S. 44). Ein in dem Schiedsverfahren selbst zu erhebender Rechtsbehelf gegen die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts, etwa ein Rechtsmittel an eine höhere Schiedsinstanz, ist weder in dem Modellgesetz noch in § 1040 ZPO vorgesehen.
Daß das UNCITRAL-Modellgesetz und das deutsche Recht (letzteres unter gewissen Umständen) dem Schiedsgericht gestatten, über seine Zuständigkeit durch Zwischenentscheid oder erst im Schiedsspruch - zugleich mit der Entscheidung zur Sache - zu befinden, hat seinen Grund erkennbar darin, daß der Kompetenzentscheid des Schiedsgerichts nur ein vorläufiger ist; das letzte Wort hat stets das staatliche Gericht. Dieses entscheidet abschließend über die Kompetenz des Schiedsgerichts, und zwar im Fall eines inländischen Schiedsverfahrens gemäß § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO über den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts oder - wenn ein solcher Zwischenentscheid unterblieben ist - im Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a. und c, § 1060 Abs. 2 S. 1 ZPO) über den abschließenden Schiedsspruch, im Fall eines ausländischen Schiedsspruchs im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach UNÜ (Art. V Abs. 1 lit. a und d UNÜ), nach nationalem Recht (§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1 lit. a und d UNÜ) oder nach einem besonderen Staatsvertrag (§ 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. dem betreffenden Staatsvertrag; vgl. Begründung a.a.O. S. 44).
So liegt auch der Streitfall. Die in dem Schiedsspruch zugleich mit dem Entscheid zur Sache getroffene Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts - nichts anderes würde für einen auf Zwischenentscheid des Schiedsgerichts ergangenen „Endentscheid über die Zuständigkeit“ des Präsidiums des Schiedsgerichts (Art. 22 Abs. 5 des weißrussischen Gesetzes vom 9.7.1999) gelten - untersteht der kompetenzrechtlichen Überprüfung durch das staatliche Gericht. Das in diesem Verfahren von der ASt. begehrte Exequatur hängt nämlich, wie bereits ausgeführt, u.a. davon ab, ob dem Schiedsspruch eine gültige Schiedsvereinbarung zugrundeliegt (vgl. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 des Abk.). Im Übrigen war nach weißrussischem Recht gegen den Schiedsspruch die Aufhebungsklage zum weißrussischen staatlichen Gericht zulässig.
Bleibt der Ag. aber die volle Überprüfung der Kompetenzentscheidung des Schiedsgerichts durch das staatliche Gericht und ist das von dem Schiedsgericht eingeschlagene Verfahren, nicht durch Zwischenentscheid, sondern erst im Schiedsspruch über die Zuständigkeit und zugleich in der Sache zu entscheiden, weder international kodifizierter Rechtsauffassung noch deutschem Recht fremd, dann kann ein Verstoß gegen den ordre public international (Art. 8 Abs. 3 S. 1 lit. b des Abkommens) nicht angenommen und das Exequatur nicht aus diesem Grund versagt werden.
Nach dem Abkommen wäre die Vollstreckbarerklärung mithin nur dann zu verweigern, wenn der Schiedsspruch nicht auf Grund einer gültigen Schiedsvereinbarung ergangen wäre (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 des Abkommens; Bülow/BöckstiegelGeimer/Schütze a.a.O. Fn. 11 und - zur kollisionsrechtlichen Behandlung nicht abkommensautonomgeregelter Gültigkeitsfragen - Stein/Jonas/Schlosser a.a.O. Anhang § 1061 Rd-Nr. 41 i.V.m. Rd-Nr. 40). Dieser Punkt ist indes in tatsächlicher Hinsicht noch nicht geklärt. Das OLG hat nämlich keine Feststellungen dazu getroffen; dies ist nachzuholen.