Recht und Steuern

A4b Nr.19

A4b Nr.19
Befangenheitsantrag gegen Schiedsrichter nach Erlass des Schiedsspruchs
Die Ablehnung eines Schiedsrichters wegen Besorgnis der Befangenheit ist nicht mehr möglich, sobald der Schiedsspruch erlassen und beim ordentlichen Gericht hinterlegt ist.
Nur ausnahmsweise können Ablehnungsgründe noch im Vollstreck­bar­erklärungs- oder Aufhebungsverfahren geprüft werden, wenn ein besonders schwer­wiegen­der und ein­deutiger Fall von Befangen­heit vorliegt und die Partei den Grund nur deshalb nicht schon im Schieds­verfahren vorbringen konnte, weil der Schieds­richter ihn ihr nicht offenbart hatte. Dann ist dieser Verfahrens­mangel gegen die Prinzipien von Rechts­sicher­heit und Rechts­frieden abzu­wägen.
BGH Urteil vom 4.3.1999 - III ZR 72/98; NJW 1999, 2370; MDR 1999, 755 = RKS A 4 b Nr. 19
Aus den Gründen:
Der Streitfall beurteilt sich nach den §§ 1025 - 1044 ZPO in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung. Nach Auffassung des Berufungsgerichts beruht der Schiedsspruch auf einem unzulässigen Verfahren (§§ 1042 Abs. 2, 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F.): er sei unter Mitwirkung des Schiedsrichters Dr. S. ergangen, dessen Anwalts­sozietät berufliche Kontakte mit der Konzernmutter des Antragstellers unterhalte, so dass seitens des Antragsgegners gegenüber Dr. S. die Besorgnis der Befangenheit bestanden habe. Darin kann dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden.
Lt. BGH-Rechtsprechung ist die Ablehnung eines Schiedsrichters wegen Befangenheit nach Erlass und Niederlegung des Schiedsspruchs nicht mehr möglich (BGHZ 17, 7, 8 = NJW 1955, 709 = LM § 1032 ZPO Nr. 2; NJW 1973, 98, 99 = LM § 1041 I Nr. 1 ZPO Nr. 13). Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen schließt der Grundsatz, dass über die Ablehnung eines Schiedsrichters das ordentliche Gericht im Beschlussverfahren zu entscheiden hat, die Möglichkeit nicht aus, noch im Aufhebungs- oder Voll­streck­bar­keits­verfahren über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden, z.B. in einem Falle, wo die Ablehnung zwar dem Schiedsgericht gegenüber erklärt, aber nicht durch Einreichung eines Ablehnungsgesuches bei dem nach §1045 ZPO a.F. zuständigen Gericht geltend gemacht worden war (BGHZ 24, 1, 7 = NJW 1957, 791 = LM § 1045 ZPO Nr. 2). Hingegen ist es unzulässig, das förmliche Ablehnungsverfahren nach der Niederlegung des Schiedsspruchs überhaupt erst einzuleiten (BGHZ 40, 342, 343 = NJW 1964, 593 = LM § 1032 ZPO Nr. 5).
Auch im ordentlichen Zivilprozess ist die abschließende Erledigung des Rechtsstreits durch eine unanfechtbare Entscheidung die äußerste Zeitschranke für die Ablehnung eines Richters (Zöller/Vollkommer 21. Aufl. 1999 § 42 ZPO Rand-Nr. 4). Nach Eintritt der Rechtskraft kann die Befangenheit nur mit der Nichtigkeitsklage und nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO geltend gemacht werden, nämlich dann, wenn das Ablehnungsgesuch bereits vor Erlass der betreffenden Entscheidung für begründet erklärt worden war. Daraus folgt, dass es auch im ordent­lichen Zivilprozess unzulässig ist, den Ablehnungsgrund erstmals nach Eintritt der Rechtskraft vorzubringen.
Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung darauf, dass der Schiedsrichter die Umstände, die ihn in den Augen des Antragsgegners als befangen erscheinen lassen konnten, nicht rechtzeitig offenbart habe. Zwar wird eine derartige Offenbarungspflicht im Schrifttum bejaht (insbes. Stein/Jonas/Schlosser 21.Aufl. 1994 § 1032 ZPO Rand-Nr. 32a) und hat in die ab 1.1.1998 geltende Neufassung - § 1036 Abs. 1 ZPO n.F. - Aufnahme gefunden (zur Offenbarungspflicht eines Richters im ordentlichen Zivilprozess: BGH NJW 1995, 1677, 1679 = LM H.6/1995 § 24 WZG Nr. 127 im Anschluss an BVerfGE 89, 28, 35ff = NJW 1993 2229f.). Schlosser aaO. folgert daraus, der Schieds­spruch beruhe auf einem unzulässigen Verfahren, wenn eine solche Erklärung unterblieben sei (anders möglicherweise Stein/Jonas/Schlosser § 1041 Rand-Nr. 16: Erst nach Erlass des Schiedsspruchs bekannt gewordene Ablehnungsgründe seien nicht mehr zu berücksichtigen).
Die gesetzliche Ausgestaltung des Ablehnungsrechts einschließlich seiner zeitlichen Schranken im ordentlichen wie im Schiedsverfahren soll Rechtssicherheit und Rechts­frieden gewährleisten. Dies gilt auch im Vollstreckbarerklärungs- und Auf­hebungs­verfahren. Denn auch der Schieds­spruch hat zwischen den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils (§ 1040 ZPO a.F.) und dient daher ebenso wie ein solches der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Würden erst nachträglich bekannt gewordene Befangenheitsgründe im Vollstreckbarerklärungs- oder Auf­hebungs­verfahren unbeschränkt zugelassen, so würde das gesetzliche Ablehnungs­verfahren mit seinen zeitlichen Schranken ausgehöhlt und unterlaufen. Das gilt auch, wenn dem Schiedsrichter ein Verstoß gegen die Offenbarungspflicht ange­lastet wird. Denn im Rahmen der Prüfung jenes Verstoßes müsste inzidenter geprüft werden, ob die vom Schiedsrichter zu offenbarenden Gründe auch in der Sache zu seiner Ablehnung ausgereicht hätten; ist dies nicht der Fall, hätte ein unzulässiges Verfahren nicht vorgelegen (Schlosser in Stein/Jonas/Schlosser § 1032 Rand-Nr. 32a).
Ist somit eine generelle Nachprüfbarkeit nachträglich bekannt gewordener Ablehnungs­gründe nicht anzuerkennen (RGZ 148, 1 im Anschluss an RGZ 145, 171), so schließt dies nicht gänzlich aus, diese Prüfung ausnahmsweise doch vorzunehmen, wenn ein besonders schwerwiegender und eindeutiger Fall von Befangenheit es recht­fertigt, das Verfahren als unzulässig i.S.d. § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F. anzu­sehen. Das Ablehnungsrecht der Partei ist im Schiedsverfahren ihr wesentlichster Schutz gegen eine parteiliche Rechtsprechung, und niemand soll vor einem Richter stehen, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt. Konnte die Partei den Ablehnungs­grund im Schiedsverfahren nur deswegen nicht vorbringen, weil der Schieds­richter ihr diesen nicht offenbart hatte, so ist dieser mögliche Verfahrensmangel im Vollstreckbarerklärungs- oder Aufhebungsverfahren gegen die Prinzipien von Rechts­sicher­heit und -frieden abzuwägen. Dies trägt auch dem Gesichtspunkt Rechnung, dass der Schiedsspruch erst mit der Vollstreckbarerklärung die volle Qualität eines gericht­lichen Urteils erhält. Die danach gebotene Wertung ergibt hier, dass ein etwaiger Verstoß des Schiedsrichters gegen die Offenbarungspflicht nicht von einem solchen Gewicht gewesen ist, dass er zur Unzulässigkeit des Verfahrens geführt hätte. Die mangelnde Aufklärung konnte nämlich nach dem vom Berufungsgericht festgestellten unstreitigen Sachverhalt auch darauf beruht haben, dass der Schiedsrichter sich selbst nicht für befangen hielt und subjektiv der Auffassung war, dass auch aus Sicht des Antragsgegners keine Umstände vorlagen, die diese Besorgnis begründeten. Eine solche Fehleinschätzung stellt auch bei voller Würdigung des berechtigten Interesses des Antragsgegners an der Unparteilichkeit des von ihm selbst benannten Schieds­richters und an einem fairen Verfahren keinen Grund für eine Aufhebung des Schiedsspruchs dar.