RECHT UND STEUERN

A 4b Nr. 57

A 4 b Nr. 57 §§ 767, 887, 888 ZPO – Erfüllungseinwand des Schuldners im Verfahren zur Zwangsvollstreckung aus einem Schiedsspruch
1. Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) zu berücksichtigen. Seine Prüfung kann auch im Verfahren gem. §§ 887, 888 ZPO prozessökonomisch sinnvoll sein.
2. Einen der Schiedsabrede unterliegenden bestrittenen Erfüllungseinwand hat das OLG hierbei nicht zu prüfen; dadurch würde das staatliche Gericht in die parteiautonom bestimmte Zuständigkeit des Schiedsgerichts eingreifen.
BGH Beschl. v. 6.6.2013 – I ZB 56/12 MDR 2013, 1188 = RKS A 4 b Nr. 57 (OLG München 18.6.2012 - 34 Sch 32/11 RKS A 4 b Nr. 54)
Aus den Gründen:
1. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Schuldner nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO, sondern auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO mit seinem Einwand zu hören, der vollstreckbare Anspruch sei erfüllt (BGH  Beschl.v. 5.11.2004 – IXa ZB 32/04 BGHZ 161,67 [71ff.] = MDR 2005, 351; Beschl.v. 17.9.2009 – I ZB 67/09 – Rz. 7, MDR 2011, 433 = JurBüro 2009, 662). Das gilt gleichermaßen für das – hier in Rede stehende . Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO (OLG Hamm Beschl.v. 7.6.2010 – 7 W 13/10 –Rz. 18 juris m.w.N; OLG Frankfurt Beschl.v. 10.12.2010 – 13 Sch 1/10 – Rz. 7 juris; Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl., § 888 Rz. 11; Musielak/Lachmann ZPO 10. Aufl. § 888 Rz. 8).
Für die Prüfung des Erfüllungseinwandes in Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO statt erst bei der Vollstreckungsgegenklage kann  - u.a. – die Prozessökonomie sprechen. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist – soweit nötig – in beiden Verfahren möglich und liegt stets in den Händen des Prozessgerichts. Dieses ist im Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO ohnehin grundsätzlich verpflichtet, Beweis zu erheben. Das Vollstreckungsverfahren würde durch die Verweisung des Schuldners auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage auch nicht beschleunigt. Bei Erhebung der Vollstreckungsgegenklage müsste dem Schuldner unter Umständen Vollstreckungsaufschub nach § 769 ZPO gewährt werden und würde das Verfahren angesichts der einzuhaltenden Fristen letztlich verzögert. Die Frage, ob die vom Schuldner unstreitig vorgenommenen Handlungen dem entsprechen, was der Titel ihm gebietet, kann das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht auf Grund seiner Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits zudem am ehesten entscheiden (vgl. BGH 5.11.2004 –IXa ZB 32/04 BGHZ 161, 67 [72f.] = MDR 2005, 351).
Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist im Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 887, 888 ZPO grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus  einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch betreibt.
Nach der Rechtsprechung des BGH sind sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch zuerkannten Anspruch innerhalb des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung  des Schiedsspruchs (vgl. § 1062 Abs.  1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) zulässig, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte (BGH Beschl.v. 8.11.2007 – III ZB 95/06 Rz. 31 MDR 2008, 156 = NJW-RR 2008, 659 = RKS A 4 a Nr. 102; Beschl. v. 30.9.2010 – III ZB 57/10 Rz. 8 f., MDR 2010, 1415 = NJW-RR 2011, 213 = RKS A 4 a Nr. 128 m.w.N.).
Es wäre nicht sinnvoll, wenn der Schuldner in solchen Fällen die Vollstreckbarerklärung hinnehmen und wegen seiner  Einwendungen einen neuen Rechtsstreit nach § 767 ZPO anhängig machen müsste; vielmehr ist es im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung Einwendungen zuzulassen, die an sich zum Anwendungsbereich der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO gehören (BGH 8.11.2007 – III ZB 95/06 – Rz. 31, MDR 2008, 156 = NJW-RR 2008, 659 = RKS A 4 a Nr. 102 m.w.N.).
Sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den Schiedsspruch können aber auch im Verfahren zur Durchsetzung des für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs vorgebracht werden.
Dafür kann allerdings nicht angeführt werden, die Frage, ob die vom Schuldner unstreitig vorgenommenen Handlungen dem entsprechen, was der Titel ihm gebiete, könne am ehesten vom OLG als Vollstreckungsgericht auf Grund seiner Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits entschieden werden (s.o.). Das OLG ist im Erkenntnisverfahren nicht mit dem Rechtsstreit befasst gewesen  und hat von daher auch keine Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits. Für eine Zulassung sachlich-rechtlicher Einwendungen im Verfahren zur Durchsetzung des Schiedsspruchs sprechen jedoch die anderen Gründe, die der BGH bereits in seinen früheren Entscheidungen als maßgeblich angesehen hat (BGH 5.11.2004 – IXa ZB 32/04 BGHZ 161,67 [71ff.] = MDR 2005, 351; 8.11.2007 – III ZB 95/06 – Rz. 31 MDR 2008,156  = NJW-RR 2008, 659 [662] = RKS A 4 a Nr. 102).  So hängt die Vollstreckung  gemäß § 887 ZPO schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift davon ab, dass der Schuldner seine Verpflichtung zur Vornahme einer (vertretbaren) Handlung nicht erfüllt. Der Wortlaut des § 888 ZPO knüpft an den des § 887 ZPO an. Die Vollstreckung nach § 888 ZPO setzt daher gleichfalls voraus, dass der Schuldner seine – auf die Vornahme einer  (nicht vertretbaren) Handlung gerichtete – Verpflichtung nicht erfüllt.
Dass der Erfüllungseinwand in Verfahren nach § 887, 888 ZPO als erheblich anzusehen sein soll, ergibt sich ferner aus der Begründung des Regierungsentwurfs zur Neufassung der Kostenvorschrift des § 891 Satz 3 ZPO durch die 2.Zwangsvollstreckungsnovelle v. 17.12.1997 (BGBl. I 3039). Danach soll diese Neufassung der Möglichkeit Rechnung tragen, dass  Vollstreckungsanträge des Gläubigers etwa nur deshalb teilweise  erfolgreich sind, weil der Schuldner nachweist, dass er die vertretbare oder unvertretbare Handlung teilweise erfüllt hat (s. BT-Drucks. 13/341, 41).
Schließlich ist es auch im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, sachlich-rechtliche Einwendungen, auf die eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte, bereits im Verfahren zur Durchsetzung des Schiedsspruchs zuzulassen und den Schuldner nicht auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage zu verweisen. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist, soweit nötig, in beiden Verfahren möglich. Das Vollstreckungsverfahren würde auch nicht beschleunigt, sondern könnte eher verzögert werden, wenn der Schuldner auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage verwiesen würde (BGH 5.11.2004 – IXa ZB 32/04 BGHZ 161, 67 [72 f.] = MDR 2005, 351).
2. Abweichendes gilt im Schiedsverfahren allerdings, wenn der geltend gemachte Einwand seinerseits der Schiedsabrede unterliegt. In diesem Fall ist nicht das OLG, sondern das Schiedsgericht zur Entscheidung berufen (BGH 3.12.1986 -  IVb ZR 80/85 BGHZ 99, 143, [146ff.] =MDR 1987, 302; v.8.11.2007 – III ZB 95/06 – Rz. 19, MDR 2008, 156 = NJW-RR 2008, 659 = RKS A 4 a Nr. 102; v. 30.9.2010 – III ZB 57/10 – Rz. 10, MDR 2010, 1415 = NJW-RR 2011, 213 Rz. 20-22 = RKS A 4 a Nr. 128.
18.10.2013