Recht und Steuern

A 4b Nr. 54

A 4 b Nr. 54 §§ 767, 888, 1062 Abs. 1 ZPO – Zuständigkeit des OLG für Entscheidungen gem. § 888 ZPO
1. Das Oberlandesgericht ist auch für Entscheidungen gem. § 888 ZPO ZPO zuständig, wenn die Grundlage für die beantragte Zwangsvollstreckungsmaßnahme ein Schiedsspruch bildet, den dieses Gericht im Rahmen seiner Zuständigkeit für vollstreckbar erklärt hat. Dies gilt auch für ein Zwangsgeld gegen den Schuldner zwecks Erzwingung der Erfüllung von Rechnungslegungsansprüchen als unvertretbaren Handlungen.
2. Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) zu berücksichtigen. Seine Prüfung kann auch im Verfahren gem. §§ 887, 888 ZPO prozessökonomisch sinnvoll sein.
3. Einen der Schiedsabrede unterliegenden bestrittenen Erfüllungseinwand hat das OLG hierbei nicht zu prüfen; dadurch würde das staatliche Gericht in die parteiautonom bestimmte Zuständigkeit des Schiedsgerichts eingreifen.
OLG München Beschl.v. 18.6.2012 – 34 Sch 32/11(2) SchiedsVZ 2012, 342 = RKS A 4 b Nr. 53
Aus dem Sachverhalt:
Der Gläubiger (Schiedskläger) hat gegen den Schuldner (Schiedsbeklagten) einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 27.6.2011 erwirkt, der im Tenor folgendermaßen lautet: Der Beklagte wird verurteilt, Auskunft über den Bestand sämtlicher Bank- und Buchhaltungskonten der Rechtsanwaltssozietät XX zum 30.9.2008 zu erteilen. Dies umfasst insbesondere:                                                                                                              
a) Kapitalkonten der Gesellschafter zum 30.9.2008                                                                                               
b) Umsatzerlöse der RAe W., B., M., Dr. Ba. und O. in der Zeit vom 1.1. bis 30.9.2008                           
c) Entwicklung und Stand des Fremdgeldkontos zum 30.9.2008                                                                 
d) Kontoauszüge der Bankkonten Nr. … bei der Sparkasse R. und Nr. … bei der Volksbank R … im Zeitraum vom 1.1. bis 30.9.2008.
Der Senat hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 17.10.2011 diesen Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt.
Der zugrundeliegende Sozietätsvertrag enthielt folgende Schiedsklausel:
Streitigkeiten aus dem Sozietätsvertrag, aus Gewinnverteilungsverträgen oder aus Anteilsübernahmeverträgen werden unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch einen Schiedsrichter entschieden. …
Unter dem 28.2.2012 hat der ASt. (Gl.) beantragt, gegen den AGg. (Schuldner) Zwangsgeld festzusetzen und für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit Zwangshaft. Der AGg. hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er wendet Unbestimmtheit des Antrags und außerdem Erfüllung der Auskunftspflicht ein.
Aus den Gründen:
1. Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet. Das OLG ist zuständig auch für Entscheidungen nach §§ 887 f. ZPO, wenn Grundlage für die beantragte Zwangsvollstreckungsmaßnahme ein Schiedsspruch bildet, den dieses Gericht gemäß seiner Zuständigkeit nach § § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § GZVJu vom 16.11.2004 (GVBl.S. 471) für vollstreckbar erklärt hat (vgl. Senat vom 8.12.2011 34 Sch 025/08 Zöller/Stober ZPO 29. Aufl. § 887 Rd-Nr. 6). Insoweit ist das OLG München Prozessgericht. Der Auskunftsanspruch ist als nicht vertretbare Handlung nach § 888 ZPO zu vollstrecken Zöller/Stober § 888 Rd-Nr. 2 und 3 Stichwort Auskunft).
Der Antrag ist ausreichend bestimmt. Er umfasst den gesamten für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch. Soweit allerdings Erfüllung behauptet und als zugestanden zu behandeln ist, ist der Antrag nicht begründet.
2. Nach BGH-Rspr. ist der Erfüllungseinwand des Schuldners nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO), sondern auch im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (BGHZ  161, 67 Zöller/Stöber § 887 Rd-Nr. 7). Die Rechtsprechung zu § 887 ist auf § 888 ZPO übertragbar (Zöller/Stöber § 888 Rd-Nr. 11; Musielak/Lackmann ZPO 9.Aufl. § 888 Rd-Nr. 8). Das Prozeßgericht hat als Vollstreckungsgericht deshalb auch die Frage zu entscheiden, ob die vom Schuldner vorgenommenen Handlungen – solche haben hier unstreitig stattgefunden – das umfassen, was der Titel gebietet. Der BGH leitet seine – zuvor stark umstrittene  - Meinung aus den in den genannten Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und insbesondere aus folgender Überlegung her:
Die Prüfung des Erfüllungseinwands im Verfahren nach § 887 (888) ZPO statt erst bei der Vollstreckungsgegenklage kann prozessökonomisch sinnvoll sein. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist – soweit nötig – in beiden Verfahren möglich und liegt stets in den Händen des Prozessgerichts. Dieses ist im Verfahren nach § 887 (888) ZPO ohnehin grundsätzlich verpflichtet, Beweis zu erheben. Das Vollstreckungsverfahren würde auch nicht beschleunigt, wenn man den Schuldner auf die Vollstreckungsgegenklage verweisen würde. Bei deren Erhebung müsste dem Schuldner u.U. auch Vollstreckungsaufschub nach § 769 ZPO gewährt werden, so dass das Verfahren angesichts der einzuhaltenden Fristen letztlich verzögert würde. Die Frage, ob die vom Schuldner unstreitig vorgenommenen Handlungen das sind, was der Titel ihm gebietet, kann das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht auf Grund seiner Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits am ehesten entscheiden.
3. Das kann aber nicht ohne weiteres auf Schiedssachen übertragen werden. Dort hat das Gericht, das über die Zwangsvollstreckung zu entscheiden hat, nicht über den materiell-rechtlichen Anspruch entschieden. Zwar lässt der BGH auch auf der Grundlage des neuen Schiedsverfahrensrechts im Verfahren der Vollstreckbarerklärung vor dem OLG den Erfüllungseinwand zu, so dass der Schuldner nicht auf das selbständige Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage zu verweisen ist (BGH WM 2010, 2236; siehe schon BGH WM 2008, 515/517) für das ebenso das OLG zuständig wäre (BGH aaO. S 2238 aE.), wenn der geltend gemachte Einwand seinerseits der Schiedsabrede unterliegt; dann ist das Schiedsgericht und nicht das OLG zur Entscheidung berufen (so bereits BGH 99, 143, 146).  Anders ist dies auch im gegenständlichen Verfahrensabschnitt (Zwangsvollstreckung) nicht zu beurteilen. Die Zuständigkeit des Prozessgerichts, über den Erfüllungseinwand im Rahmen der Vollstreckung nach §§ 887, 888 ZPO zu entscheiden, ergibt sich aus einem Gleichlauf mit der Zuständigkeit im Erkenntnisverfahren (vgl. oben). Bei der Zuweisung an ein Schiedsgericht besteht ein derartiger Gleichlauf nicht. Vielmehr würde in die parteiautonom bestimmte Zuständigkeit durch das staatliche Gericht eingegriffen, wenn dieses im Rahmen der Vollstreckung nun befugt wäre, selbst über den Erfüllungseinwand zu entscheiden. Es ergäbe sich zudem ein Widerspruch zum vorgeschalteten Vollstreckbarerklärungsverfahren, in dem ein entsprechender Einwand mit Rücksicht auf die Schiedsklausel nicht überprüfbar gewesen wäre. Hinzu kommt, dass der Gläubiger ohne Vollstreckungsmöglichkeit schutzlos gestellt würde, weil nicht erkennbar ist, wie er dem Erfüllungseinwand im Schiedsverfahren angemessen begegnen könnte. Auch das OLG Frankfurt (Beschl.v. 10.12.2010 13 Sch 1/10 zit. nach juris) weist keinen Weg auf, wie der ASt. zu einer positiven Entscheidung des Schiedsgerichts gelangen kann. Es geht aber ebenfalls davon aus, dass angesichts der Schiedsklausel nicht das staatliche Gericht, sondern das Schiedsgericht zur Entscheidung über den Erfüllungsanspruch berufen ist.
Die Sichtweise des Senats führt zu keinen Unzuträglichkeiten für den Schuldner. Dieser kann sowohl beim Schiedsgericht als auch beim – für Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zuständigen – staatlichen Gericht um den erforderlichen Rechtsschutz nachsuchen (vgl. § 1033, 1041 ZPO). Einwendungen, die nach Vollstreckbarerklärung entstanden sind, können mit der Vollstreckungsabwehrklage durchgesetzt werden (vgl. BGH WM 2008, 515/519).
Die Frage, ob der Schuldner mit dem Erfüllungseinwand präkludiert ist, spielt an dieser Stelle keine Rolle (anders OLG Frankfurt aaO.), da der Schuldner mit einem Einwand, über den das staatliche Gericht im Verfahren nach § 888 ZPO wegen der Schiedsvereinbarung nicht entscheiden kann, auch nicht präkludiert sein kann. Die Situation ist nicht anders zu beurteilen als die umgekehrte bei der Geltendmachung materiell-rechtlicher Einwendungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach § 1060 ZPO. Einwendungen, die nicht der Schiedsvereinbarung unterfallen (vgl. Zöller/Geimer § 1060 Rd-Nr. 9), und Einwendungen, die zwar der Schiedsvereinbarung unterfallen, über die das Schiedsgericht aber nicht entschieden hat (vgl. Reichold in Thomas/PutzoZPO 33.Aufl. § 1060 Rd-Nr. 3), bleiben zulässig.
19.2.2013