Recht und Steuern

A 4b Nr. 50

§ 112 AktG, § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b + d ZPO – Zustellung der Schiedsklage eines ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds gegen die Aktiengesellschaft. Unzureichende Unterrichtung über das Verfahren; rechtliches Gehör
1. Auch gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern wird die Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten. Wird eine Schiedsklage dem Sekretariat des Vorstands zugestellt, ist sie auch dem Aufsichtsrat zugegangen, wenn der Aufsichtsrat kein eigenes Sekretariat hat, so dass das Vorstandssekretariat unternehmensintern auch für die Posteingänge des Aufsichtsrats zuständig ist. Denn bei ordnungsgemäßer Weiterleitung durch das Sekretariat hätte der Aufsichtsrat die Zusendung ohne Weiteres zur Kenntnis nehmen können.
2. Wenn der Aufsichtsrat die Bestellung des vom Vorstand benannten Schiedsrichters genehmigt, genehmigt er damit stillschweigend die bisherige Prozessführung des Vorstandes.
3. Unzureichende Unterrichtung über das Verfahren trägt der Antragsgegner nur schlüssig vor, wenn er zugleich darlegt, was er bei ordnungsgemäßer Unterrichtung weiter vorgetragen hätte.
4. Das rechtliche Gehör ist nicht verletzt, wenn das Schiedsgericht den angeblich unberücksichtigt gebliebenen Vortrag des Antragsgegners sachlich beschieden hat.
OLG Frankfurt Beschl.v. 27.11.2008 – 26 Sch 22/06; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2009, 239 = RKS A 4 b Nr. 50
Aus den Gründen:
1. Der Aufhebungstatbestand des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b ZPO, der u.a. voraussetzt, dass der Schiedskläger von dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist, ist nicht erfüllt. Der Aufhebungsgrund könnte allerdings gegeben sein, wenn die Schiedsklage und die nachfolgenden Ladungen und Schriftsätze nicht dem vertretungsberechtigten Organ der Schiedsbeklagten zugestellt worden sind. Vorliegend ist die Schiedsklage offenbar zunächst dem Vorstand der Schiedsbeklagten zugegangen, obwohl Vorstandsmitgliedern gegenüber die AG gem. § 112 AktG durch den Aufsichtsrat gerichtlich vertreten wird. Zwar gilt § 112 AktG auch gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern (BGH NJW 1987, 254; BGH AG 1990, 359; NJW-RR 2007, 98; Hopt/Roth in: Großkommentar AktG 4. Aufl. § 112 Rd-Nr. 25 ff). Eine Klage eines Vorstandsmitglieds gegen die Gesellschaft ist deshalb unzulässig, wenn diese im Prozess nicht vom Aufsichtsrat vertreten wird. Die Klage gegen die AG ist somit dem Aufsichtsrat zuzustellen (Hopt/Roth aaO. Rd-Nr. 112, 114). Die fehlerhafte Vertretung der AG durch den Vorstand wird aber geheilt, wenn der Aufsichtsrat durch Eintritt in die Prozessführung die Prozesshandlungen des Vorstands genehmigt (BGH NJW 1998, 384, 385; NJW-RR 2008, 98; Hopt/Roth aaO. Rd-Nr. 115). Im vorliegenden Fall war in der Schiedsklage das Gesellschaftsorgan, durch das der Schiedsbekl. vertreten wird, nicht genannt. Entgegen der Ansicht der Schiedsbekl. folgt daraus nicht schon, dass damit vom Schiedskläger eine Vertretung durch den Vorstand gewollt war. Vielmehr war die Schiedsklage so auszulegen, dass das zuständige Vertretungsorgan die Schiedsbekl. vertreten sollte. Dabei ergibt sich aus dem Gesetz, welches Organ die Gesellschaft vertritt. Es bestanden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Schiedskl. die Vertretung seiner Verfahrensgegnerin durch ein anderes, nach dem Gesetz unzuständiges Gesellschaftsorgan wollte. Spätestens aber nach der Klarstellung durch die Schriftsätze vom 18.3. und 23.4.2008 war unzweifelhaft, dass der Schiedskl. eine Zustellung der Schiedsklage an den Aufsichtsrat wollte. Die Schiedsklage wurde daraufhin vom Schiedsgericht dem Aufsichtsrat der Schiedsbekl. zugestellt. Dass diese Zustellung im Sekretariat des Vorstandes der Schiedsbekl. einging und wiederum an der Vorstand weitergeleitet wurde, ändert nichts daran, dass die Sendung dem Aufsichtsrat zugegangen war. Die Schiedsbekl. trägt selbst vor, dass der Aufsichtsrat über kein eigenes Sekretariat verfügt. Daraus ergibt sich, dass das „Vorstandssekretariat“ unternehmensintern auch für die Posteingänge des Aufsichtsrats zuständig war. Auf diese Weise gelangte die Zusendung in den Machtbereich des Aufsichtsrates. Denn bei ordnungsgemäßer Weiterleitung durch das Sekretariat hätte der Aufsichtsrat die Zusendung ohne weiteres zur Kenntnis nehmen können (Palandt/Heinrichs/Ellenberger BGB 67. Aufl. § 130 Rd-Nr. 5).
2. Abgesehen davon hat der Aufsichtsrat die Bestellung des von der Schiedsbekl. benannten Schiedsrichters am 26.4.2008 genehmigt, worin zugleich eine stillschweigende Genehmigung der bisherigen Prozessführung durch den Vorstand zu sehen ist.
3. Unabhängig davon ist der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b ZPO nur dann schlüssig, wenn der Antragsgegner zugleich darlegt, was er bei ordnungsgemäßer Unterrichtung über die Schiedsklage vorgetragen hätte (Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. § 1060 Rd-Nr. 40). Die Schiedsbekl. macht indes keine Ausführungen dazu, was sei weiter zu ihren Gunsten im Schiedsverfahren vorgebracht hätte, wenn die Schiedsklage von Anfang an ihrem Aufsichtsrat – und nicht nur ihrem Vorstand – vorgelegt worden wäre.
4. Der Schiedsspruch ist auch nicht gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufzuheben. Das Schiedsgericht hat den Vortrag der Schiedsbekl, dass es an wirksamen Beschlüssen des Aufsichtsrats fehle, nicht wegen Verspätung zurückgewiesen, sondern mit dem Argument sachlich beschieden, die Berufung auf dieses Argument sei rechtsmissbräuchlich, nachdem die Schiedsbekl. die Pensionsansprüche des Kl. vorbehaltlos bis zum Sept. 2007 erfüllt habe. Jedenfalls habe die Schiedsbekl. trotz Erörterung der Rechtsfrage in der mündlichen Verhandlung keinen Beweis für ihren Vortrag angetreten.