Recht und Steuern

A4a Nr.61

A4a Nr. 61
§§ 1038, 1039, 1052, 1059 ZPO - Weigerung eines Schiedsrichters: Entscheidung der übrigen nur nach rechtzeitiger Information der Parteien. Voraussetzung der Aufhebung: „Auswirkung” des Verfahrensfehlers auf den Schiedsspruch
Verweigert ein Schiedsrichter die Teilnahme an der Abstimmung, können die übrigen ohne ihn entscheiden, aber nur, wenn sie diese Absicht den Parteien mitgeteilt haben.
Diese Mitteilung muß nach Sinn und Zweck des § 1052 Abs. 2 ZPO so rechtzeitig vor der Abstimmung über den Schiedsspruch erfolgen, daß die Parteien noch auf den sich weigernden Schiedsrichter einwirken oder ihn abberufen können.
Anderenfalls kann der Schiedsspruch wegen Verstoßes gegen § 1052 Abs. 2 ZPO aufgehoben werden, wenn sich das Unterlassen der rechtzeitigen vorherigen Mitteilung auf den Schiedsspruch „ausgewirkt” hat. Dafür genügt es, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Entscheidung ohne den Verstoß anders ausgefallen wäre.
Saarländisches OLG Beschl. v. 29.10.2002 - 4 Sch 2/02; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2003 S. 93 = RKS A 4 a Nr. 61
Aus den Gründen:
Der Schiedsspruch war nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO aufzuheben, weil das schiedsrichterliche Verfahren den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprochen hat, was sich auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat.
Verweigert ein Schiedsrichter die Teilnahme an der Abstimmung über den Schiedsspruch, können die übrigen Mitglieder des Schiedsgerichts - sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben - zwar ohne den sich weigernden Schiedsrichter entscheiden, § 1052 Abs. 1 ZPO. Diese Abstimmung durch die übrigen Schiedsrichter ist aber erst zulässig, wenn dies den Parteien vorher mitgeteilt worden ist, § 1052 Abs. 2 ZPO. Diese Mitteilung muß nach Sinn und Zweck der Vorschrift so rechtzeitig erfolgen, daß die Parteien die Möglichkeit haben, vor der Abstimmung auf den sich weigernden Schiedsrichter einzuwirken oder ihn - beispielsweise nach §§ 1038, 1039 ZPO - abzuberufen. Geschieht die Mitteilung nicht oder so spät, daß der Partei diese Möglichkeiten genommen werden, kann der Schiedsspruch nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO aufgehoben werden, weil das schiedsrichterliche Verfahren der Bestimmung des § 1052 Abs. 2 S. 2 ZPO widersprochen hat (Voit in Musielak ZPO 3. Aufl. § 1052 Rd-Nr. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 60. Aufl. § 1052 Rd-Nr. 7).
Die Aufhebung setzt jedoch voraus, daß sich das Unterlassen der vorherigen Mitteilung nach § 1052 Abs. 2 S. 2 ZPO auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat, § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO. Das war hier der Fall. „Auswirken” bedeutet inhaltlich nichts anderes als das „Beruhen” i.S.v.
§ 545 Abs. 1 ZPO (Münch in „Münchener Kommentar” ZPO 2. Aufl. §1059 Rd-Nr. 18; Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 14; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit
6. Aufl. Kap. 24 Rd-Nr. 30 = S. 259). Soweit es - wie hier - um die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften geht, „beruht” die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie ohne die Verletzung anders ausgefallen wäre (Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 545 Rd-Nr. 12). Es genügt, daß wenigstens die Möglichkeit gegeben ist, daß ohne die Gesetzesverletzung anders entschieden worden wäre (Gummer in Zöller ZPO 23. Aufl. § 546 Rd-Nr. 8 m.w.N..; Voit in Musielak ZPO 3. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 22; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. Kap. 24 Rd-Nr. 30 = S. 259). Im dargelegten Sinne hat sich der zu spät erfolgte Hinweis des Vorsitzenden des Schiedsgerichts auf den Schiedsspruch ausgewirkt. Dem Ast. wurde die Möglichkeit genommen, auf den sich verweigernden Schiedsrichter einzuwirken bzw. die Bestellung eines Ersatzschiedsrichters nach §§ 1038, 1039 ZPO zu betreiben. Es besteht die Möglichkeit, daß die Begründung in einem etwa abweichenden Votum des vom Ast. benannten Schiedsrichters bzw. eines Ersatzschiedsrichters einen der beiden weiteren Schiedsrichter überzeugt hätte, so daß der Schiedsspruch anders und für den Ast. günstiger ausgefallen wäre. Das gilt umso mehr, als sich das Schiedsgericht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 19.9.2001 jedenfalls nach dem Vortrag der Ag. noch keine abschließende Meinung gebildet hatte, wonach der Vorsitzende zunächst die Möglichkeit einer für den Schiedskläger günstigen Entscheidung angekündigt, später aber darauf hingewiesen hat, daß die Entscheidung aber auch anders (d.h. zum Nachteil des Schiedsklägers) ausfallen könne.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien das Verfahren hinsichtlich der [ erst mit der Übermittlung des Schiedsspruchs bekannt gewordenen Gründe für die] Ablehnung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts nach dessen Tod übereinstimmend für erledigt erklärt haben, bedurfte es keiner Kostenentscheidung. Eine Erledigungserklärung i.S.d. § 91a ZPO lag nämlich nicht vor, weil der Ast. die Ablehnung eines Schiedsrichters als Verfahrensfehler geltend gemacht hat mit der Folge der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens (vgl. hierzu BGH MDR 1999, 755 [ 756 re.Sp.] = RKS A 4 b Nr. 19, der einen Verfahrensfehler i.S.v. § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO [ a.F.] angenommen hat). Auf die Frage der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens auf Grund der Befangenheit eines Schiedsrichters kommt es jedoch nicht mehr an, weil der Schiedsspruch, wie ausgeführt, bereits aus anderen Gründen aufzuheben war.