Recht und Steuern

A4a Nr.47

A41 Nr.47
§§ 927, 1041 Abs. 1 – 3 ZPO Vorläufige Maßnahmen des Schiedsgerichts, Vollziehbarerklärung und deren Aufhebung durch das ordentliche Gericht
Gemäß § 1041 Abs. 1 ZPO kann das Schiedsgericht Maßnahmen des einstweiligen Rechts­schutzes anordnen. Gemäß Abs. 2 kann das zuständige Oberlandesgericht deren Vollziehung beschließen. Gemäß Abs. 3 kann das Gericht diesen Beschluss aufheben oder ändern, wenn (analog § 927 ZPO) veränderte Umstände vorliegen.
§ 1041 Abs. 3 ZPO schränkt die Kompetenz des Schiedsgerichts für solche Maßnahmen nicht ein. Das Schiedsgericht bleibt befugt, seine Entscheidung aufzuheben oder zu ändern, wenn der Grund weggefallen ist oder veränderte Umstände eingetreten sind.
Veränderte Umstände i.S.v. § 1041 Abs. 3 ZPO, die zur Aufhebung oder Abänderung der Vollziehbarerklärung durch das OLG führen, liegen nur vor, wenn das Schieds­gericht seine Entscheidung abgeändert hat oder wenn es trotz entsprechenden Antrags einer Partei nicht erneut tätig geworden ist. Die Partei, die die Aufhebung einer einstweiligen Maßnahme des Schiedsgerichts begehrt, muss also zunächst bei diesem einen entsprechenden Antrag stellen, auch wenn das OLG die Vollziehung der Maßnahme zugelassen hatte.
Oberlandesgericht Jena Beschluss vom 24.11.1999 – 4 Sch 3/99; OLG-Rechtsprechung Neue Länder (OLG-NL) 2000 S. 16 = RKS A 4 a Nr. 47
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin (Ast.), eine 100%ige Tochtergesellschaft der Stadt Z., hat u.a. mit Fördermitteln des Landes Thüringen ein sog. ”Erlebnisbad– zusammen mit einem unmittelbar angrenzenden Kommunalbad errichtet, wobei für Erlebnis- und Kommunal­bad teilweise dieselben, 1997 fertiggestellten Anlagen genutzt werden.
Die Ast. hat die Antragsgegnerin (Ag.) gemäß einem Geschäftsbesorgungsvertrag vom 25.3.1999 mit der Ausführung jener Geschäfte beauftragt, die für den Betrieb des Erlebnisbades erforderlich sind. In einem gesonderten Schiedsvertrag vom selben Tag vereinbarten sie, alle Meinungsverschiedenheiten und Streitfragen, die sich aus diesem oder über diesen Geschäfts­besorgungs­vertrag ergeben könnten, unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen.
Es kam zum Streit über das von der Ag. zu entrichtende Entgelt für die Nutzung des Erlebnisbades.
Mit Schriftsatz vom 20.1.1999 reichte die Ast. bei dem zuständigen Schiedsgericht eine Schiedsklage ein. Lt. Teil­schieds­spruch vom 2.7. hat die Ag. das Anwesen Birkenweg 1 in Z. zu räumen und nebst den zugehörenden Schlüsseln an die Ast. heraus­zugeben.
Mit Schriftsatz vom 2.3.1999 reichte die Ast. bei dem zuständigen Schiedsgericht einen Antrag auf Anordnung eines dinglichen Arrestes ein, um Ansprüche auf rückständige sowie auf künftig fällig werdende Nutzungsentgelte und Nutzungsentschädigung sowie angefallene Schiedsverfahrenskosten abzusichern.
Am 2.7.1999 erließ das Schiedsgericht einen Arrestbeschluss wegen einer Forderung der Ast. gegen die Ag. In Höhe von DM 792.500,00 rückständigen Nutzungsentgelts einschließlich Instandhaltungsrücklage und Sicherheit für die Nutzung des Anwesens Birkenweg 1.
Mit Antrag vom 26.7., eingegangen am 30.7.1999, hat die Ast. beantragt, den Arrest­beschluss des Schiedsgerichts für vollziehbar zu erklären. Das OLG stellte den Antrag der Ag. am 6.8. zu und setzte ihr eine Frist zur Stellungnahme bis zum 25.8.1999. Innerhalb der Frist hat sich die Ag. nicht geäußert. Mit Beschluss vom 2.9.1999 wurde der Arrestbeschluss für vollziehbar erklärt.
Mit Schriftsatz vom 10.9.wandte sich die Ag. gegen den Beschluss vom 2.9.1999: Der Beschluss über die Anordnung des Arrests sei unter Verletzung formalen Rechts zustande gekommen. Die Ast. habe den Beschluss vom 2.7. mit wahrheitswidrigem Vortrag und damit in sittenwidriger Weise erschlichen (wird ausgeführt). Die Voll­zieh­barkeit des Arrest­beschlusses führe zu einem Ergebnis, das dem ordre public widerspreche. Fundamentale Grundsätze des Verfahrensrechts seien außer acht gelassen worden. Im Arrestverfahren vor dem Schiedsgericht sei es u.a. auch um den Kostenaufwand für die Errichtung des Erlebnisbades gegangen. Die Ast. habe dazu erheblich voneinander abweichende Beträge angegeben (wird ausgeführt). Das Schieds­gericht habe mittlerweile eingeräumt, dass der gesamte Sachvortrag der Ast. zum Errichtungsaufwand in zulässiger Weise bestritten und bisher noch nicht nachgewiesen sei.
Die Ag. beantragt unter Aufhebung der Entscheidung über die Vollziehbarkeit des Arrestbeschlusses den diesbezüglichen Antrag der Ast. zurückzuweisen. Sie hat vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung ein Schreiben des Vorsitzenden des Schiedsgerichts vom 5.10.1999 zur Akte gereicht, wonach das Schiedsgericht beabsichtigt, zum Grunderwerbs- und Errichtungsaufwand für das Erlebnisbad ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Aus den Gründen:
Der zulässige Antrag ist unbegründet. Da die Ag. weder vorträgt, das Schiedsgericht habe seinen Arrestbeschluss vom 2.7.1999 abgeändert oder aufgehoben, noch sie habe sich vergeblich an das Schiedsgericht wegen einer Abänderung oder Aufhebung des Arrestes gewandt, scheidet eine Aufhebung des Senatsbeschlusses vom 2.9.1999, mit dem der Arrestbeschluss des Schiedsgerichts für vollziehbar erklärt worden ist, aus.
Gemäß § 1041 Abs. 3 ZPO kann das zuständige Oberlandesgericht, das eine durch das Schiedsgericht angeordnete vorläufige oder sichernde Maßnahme durch Beschluss für vollziehbar erklärt hat, auf Antrag diesen Beschluss aufheben oder ändern. Um die Gesetzesintention zu verwirklichen und Systembrüche zu vermeiden, ist diese Vorschrift eng auszulegen. Zwar ist mit der Einführung des § 1041 ZPO klargestellt worden, dass Schiedsgerichte, soweit die Voraussetzungen gegeben sind, vorläufige und sichernde Maßnahmen anordnen können. Durch § 1041 Abs. 3 ZPO könnte diese erweiterte Kompetenz des Schiedsgerichts jedoch entwertet werden, wenn man sich etwa auf den Standpunkt stellte, anders als nach § 927 ZPO sei eine Veränderung der Umstände nicht notwendige Voraussetzung für eine Aufhebung oder Änderung des nach § 1041 Abs. 2 erlassenen Beschlusses, so dass jeder sachliche Grund, z.B. auch die Änderung der Rechtsauffassung genüge (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 57. Auf l. § 1041 Rd-Nr. 5).
Eine Aufhebung oder Änderung gem. § 1041 Abs. 3 ZPO sei vor allem dann geboten, wenn der Grund für die vom Schiedsgericht angeordnete Maßnahme ganz oder teilweise weggefallen sei oder oder veränderte Umstände eingetreten seien (BT-Drucksache 13/5274, 45 zitiert nach Zöller/Geimer ZPO 21. Aufl. § 1041 Rd-Nr. 4)
Soll vermieden werden, dass entgegen dem in der Schiedsvereinbarung zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen Zuständigkeiten an das staatliche Gericht verlagert und so der schiedsgerichtliche einstweilige Rechtsschutz entwertet wird, ist folgender Lösungsweg angemessen:
Das staatliche Gericht darf auch bei § 1041 Abs. 3 ZPO lediglich seinen Beschluss über die Vollziehbarkeit in der Weise ändern, wie es auch bei einem Verfahren nach Abs. 2 zulässig wäre. Es darf nur hinter dem vom Schiedsgericht Angeordneten zurückbleiben oder die Anordnung (mit dem Ziel leichterer Vollstreckbarkeit) umformulieren, nicht aber etwas anderes anordnen. Wenn andere Maßnahmen erforderlich werden, so muss diese das Schiedsgericht nach Abs. 1 anordnen (mit der Möglichkeit der Vollziehbarerklärung, - vgl. Musielak-Voit ZPO § 1041 Rd.-Nr. 5).
Damit wird auch ein Systembruch vermieden, der darin liegen könnte, dass das staatliche Gericht in vollem Umfang über die (fortbestehende ) Berechtigung des Schiedsgerichts zu befinden hätte (vgl. hierzu Roderich C. Thümmel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren nach dem Entwurf zum Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz in DZWir 1997, 133ff, 137).
Das Schiedsgericht ist befugt, seine Entscheidung aufzuheben oder abzuändern. Geschieht dies vor Vollziehbarerklärung, so wird die Vollziehbarerklärung unzulässig, geschieht dies nach Vollziehbarerklärung, so ist die Vollziehbarerklärung auf Antrag durch das OLG aufzuheben (vgl. Rolf A. Schütze, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, BB 1998 1650ff, 1653). Veränderte Umstände i.S.d. § 1041 Abs. 3 ZPO, die zur Aufhebung oder Abänderung der Vollziehbarerklärung führen, liegen also (nur) vor, wenn das Schiedsgericht seine Entscheidung aufgehoben oder abgeändert hat oder wenn das Schiedsgericht trotz Antrag der Parteien nicht erneut tätig geworden ist (vgl. Musielak/Voit aaO.).
Selbst wenn man der engen Auslegung des § 1041 Abs. 3 ZPO nicht folgen wollte, schiede eine Aufhebung des Senatsbeschlusses deswegen aus, weil es sich bei der inhaltlichen Begründung der Ag., weshalb der Arrestbeschluss des Schiedsgerichts inhaltlich nicht haltbar sei, nicht um das Vorbringen veränderter Umstände handelt. Die Ansicht, anders als bei § 927 ZPO sei eine Veränderung der Umstände nicht notwendige Voraussetzung für eine Abänderung oder Aufhebung (vgl. Baumbach/Lauterbach aaO), ist abzulehnen. Es fehlt an jeder inhaltlichen Begründung dieser Meinung. Die von der Ag. vorgetragenen Argumente für die angeblich mangelnde rechtliche Haltbarkeit des Arrestbeschlusses beziehen sich auf Umstände, die ihr bereits bei Zustellung des Antrags der Ast. auf Vollziehbarerklärung bekannt waren. Auch der Umstand, dass das Schiedsgericht nunmehr angekündigt hat, in der umstrittenen Frage der Höhe des angefallenen Grunderwerbs- und Errichtungsaufwands Beweis zu erheben, und die Beweislast für deren Höhe auf Seiten der Ast. sieht, stellt keinen veränderten Umstand im Rechtssinne dar. Das Schiedsgericht hat lediglich Fakten gewürdigt, die bereits nach eigenem Vorbringen der Ag. vor Ausbringung des Vollziehbarkeitsantrags durch die Ast. in der Welt und der Ag. bekannt waren. Dementsprechend hätten die Einwände bereits bis zum Ablauf der seitens des Senats gesetzten Frist, also bis zum 25.8.1999, vor­ge­tragen werden müssen.
Eine inhaltliche Überprüfung des schiedsgerichtlichen Arrestbeschlusses mit der möglichen Folge der Aufhebung des Senats­beschlusses über die Vollziehbarerklärung ist auch nicht etwa deshalb erforderlich, weil der Antragsgegnerin vor Erlass des Senatsbeschlusses vom 2.9.1999 rechtliches Gehör verweigert worden wäre. Unabhängig davon, welche Anforderungen an veränderte Umstände i.S.d. § 1041 Abs. 3 ZPO gestellt werden, sollte der Rechtsgedanke sinngemäß angewandt werden, zumindest bei schweren Gesetzesverstößen die Gegenvorstellung gegen Beschlüsse, die auf einfache Beschwerde hin ergangen sind, zuzulassen, da es wenig sinnvoll ist, die Korrektur über eine Verfassungsbeschwerde zu erzwingen (vgl. zur Gegenvorstellung Zöller/Gummer aaO. § 567 Rd.-Nr. 25). Letztlich kann das jedoch dahingestellt bleiben. Rechtliches Gehör wurde gewährt, weil der Senatsbeschluss vom 2.9. der Ag. ordnungs­gemäß zugestellt wurde (wird ausgeführt).