Recht und Steuern

A4a Nr.44

A4a Nr.44
§ 1061 ZPO n.F., Art. 2 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1 b, c, d, 2 b UNÜ, Arbitration Act 1996
Vollstreckbarerklärung eines Londoner Schiedsspruchs. Schiedsabrede per Telefax. Fehlende mündliche Verhandlung. Verurteilung zur Zinszahlung über den Antrag des Klägers hinaus (ne ultra petita?) und ohne Begründung. Ordre Public
Wenn eine Partei unter Schiedsrichterbenennung die andere schriftlich zur Benennung ihres Schiedsrichters auffordert und diese der Aufforderung nach­kommt, liegt eine Schiedsabrede per Schriftwechsel i.S.d. Art. 2 Abs. 2 UNÜ vor. Telex und Telefax stehen Briefen und Telegrammen i.S.v. Art. 2 Abs. 2 UNÜ gleich. Die Telefax-Sendebestätigung ist ein hinreichender Nachweis für den Zugang der übermittelten Nachricht.
Nach dem Arbitration Act 1996 kann das Schiedsgericht dem Kläger auch ohne besonderen Antrag und ohne besondere Begründung nach billigem Ermessen Zinsen und Zinseszinsen für die Zeit bis zum Erlass des Schiedsspruchs und ab Erlass des Schiedsspruchs bis zur Zahlung zusprechen. Der fehlende Antrag und die fehlende Begründung für die Verurteilung ab Erlass des Schiedsspruchs sind kein Verfahrensverstoß i.S.d. Art. 5 Abs. 1 d UNÜ, falls die Verfahrensordnung des vereinbarten Schiedsgerichts den Antrag oder die Begründung nicht ausdrücklich erfordert; der auf die Zeit bis zum Erlass des Schiedsspruchs beschränkte Antrag ist dann nicht als Beschränkung der Befugnis des Schieds­gerichts zu verstehen. Auch ein Verstoß gegen den ordre public ist nicht erkennbar.
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 30.7.1998 - 6 Sch 3/98; Hamburger Seerechts-Report 1998 S. 121 = RKS A 4 a Nr. 44
Aus dem Sachverhalt:
Ein Reeder hatte gegen seinen Zeitcharterer vor einem Londoner Schiedsgericht Ansprüche auf Zahlung von Hire aus einem fixture recap geltend gemacht, das der beklagte Charterer dem Kläger übermittelt hatte. Darin wurde auf den Inhalt einer anderen Charter Bezug genommen, die der Beklagte zuvor auf der Grundlage des NYPE-Standard­formulars mit einem Dritten abgeschlossen hatte und die eine Schiedsklausel enthielt. Nachdem es zum Streit gekommen war, ernannte der Kläger seinen Schieds­richter und forderte den Beklagten auf, seinerseits ebenfalls einen Schiedsrichter zu bestellen. Der Beklagte bestätigte dem Kläger die Ernennung seines Schiedsrichters mit Telefax vom 14.3.
Das Schiedsgericht erließ den Schiedsspruch ohne mündliche Verhandlung. Zuvor hatte es mit Telefax vom 19.5. beim Beklagten angefragt, ob gegen den Antrag des Klägers Einspruch erhoben werde. Der Beklagte bat um Fristverlängerung. Das Schiedsgericht gewährte sie, wies ihn aber gleichzeitig darauf hin, dass es, wenn er sich nicht verteidigte, ohne weitere Benachrichtigung mit der Prüfung des Klagevorbringens und der vorliegenden Unterlagen fortfahren werde. Der Beklagte äußerte sich nicht. In weiteren Telefaxen vom 7.7. und 1.8. kündigte das Schiedsgericht dem Beklagten den Erlass eines Schiedsspruchs an. Mit Telefax vom 29.8. bestätigte das Schiedsgericht dem Beklagten, dass ihm der Schiedsspruch per Einschreiben übermittelt worden sei. Der Beklagte legte kein Rechtsmittel ein.
Der Kläger hatte Zinsen bis zum Erlass des Schiedsspruchs beantragt. Das Schieds­gericht hatte über den Antrag des Klägers hinaus und ohne Begründung Zinsen ab Erlass des Schiedsspruchs bis zur Zahlung zugesprochen.
Der Beklagte wandte gegen den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ein, die Formvorschriften für die Schiedsabrede gemäß Art. 2 des UN-Übereinkommens vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche seien nicht erfüllt. Die unterlassene mündliche Verhandlung und die Verurteilung über den Antrag des Klägers hinaus seien schwere Verfahrensverstöße. Die Telefaxe des Schiedsgerichts und den Schiedsspruch habe er nicht erhalten. Er habe sich im Verfahren nicht äußern und die Anfechtungsfrist von 28 Tagen ab Datum des Schieds­spruchs gemäß dem englischen Arbitration Act 1996 nicht einhalten können. Das OLG erklärte den Schiedsspruch gemäß § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO n.F. und dem UNÜ für vollstreckbar.
Aus den Gründen:
Die Anforderungen aus Art. 2 UNÜ an die Schiedsvereinbarung sind erfüllt. Zwar genügt das vom Beklagten erstellte fixture recap weder dem Abs. 1 noch Abs. 2 des Art. 2. Zudem enthält es die Schiedsklausel nicht selbst, sondern bezieht diese nur durch die allgemeine Verweisung auf die Charter ein. Die Parteien haben aber nachträglich eine Schiedsabrede in einer dem Art. 2 Abs. 2 UNÜ genügenden Form bestätigt und dadurch formgerecht zum Ausdruck gebracht, dass über den geltend gemachten Anspruch im Schiedsverfahren entschieden werden soll. Der Beklagte hat, nachdem der Kläger seinerseits einen Schiedsrichter ernannt hatte, ebenfalls einen Schiedsrichter bestellt. Daraus ergibt sich, dass auch der Beklagte die Entscheidung durch das Schiedsgericht wollte, zumal er keine Einwände gegen die Zuständigkeit des Schiedsgerichts erhoben und auch danach im Verfahren keine Bedenken geltend gemacht hat. Aus dem Schrift­wechsel ergibt sich eindeutig der Wille beider Parteien, dass das Schiedsgericht über den Anspruch entscheiden soll. Damit liegt eine Schiedsabrede per Schriftwechsel i.S.d. Art. 2 Abs. 2 UNÜ vor. Dass angesichts der inzwischen eingetretenen Entwick­lung in der Nachrichtenübermittlungstechnik ein Telex oder Telefax ebenso wie ein Telegramm einem Brief gleichsteht, ist allgemein anerkannt.
Auch die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 b UNÜ lagen nicht vor. Der Beklagte ist von dem schiedsgerichtlichen Verfahren gehörig in Kenntnis gesetzt worden und konnte seine Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen. Das Schiedsgericht hat auch das gebotene rechtliche Gehör gewährt. Dieses Gebot besagt, dass eine Partei nicht durch gerichtliche Maßnahmen betroffen werden darf, ohne vorher Gelegenheit zur Äußerung gehabt zu haben. Ob die Partei davon Gebrauch macht, ist ihre Sache. Der Beklagte wusste auf Grund der ihm bekannten Bildung des Schiedsgerichts, dass über den Hire-Anspruch des Klägers nunmehr im Schiedsverfahren entschieden werden würde, und musste deshalb in geeigneter Form dafür Sorge tragen, dass seine Interessen in dem Verfahren wahrgenommen wurden.
Das Schiedsgericht hat dem Beklagten durch Fristverlängerung angemessen ermöglicht, seine Einwände im Schiedsverfahren geltend zu machen. Das pauschale Bestreiten, bestimmte Schreiben des Schiedsgerichts erhalten zu haben, ist eine bloße Schutz­behauptung; denn die Sendeberichte für die Schreiben des Schiedsgerichts vom 7.7. und 1.8. belegen, dass diese Telefaxe an den Faxanschluß des Beklagten über­mittelt und auch von diesem empfangen wurden. Der Beklagte ist von dem schieds­gericht­lichen Verfahren gehörig in Kenntnis gesetzt worden und hätte seine Angriffs- und Verteidigungsmittel, falls sein Geschäftsführer längere Zeit nicht erreichbar war, durch einen instruierten Vertreter geltend machen können.
Auch Art. 5 Abs. 1 b UNÜ steht der Vollstreckbarerklärung nicht im Wege. Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung entsprach der Verfahrensordnung des vereinbarten Schiedsgerichts. Auch die Zinsentscheidungen des Schiedsgerichts stehen im Einklang mit den maßgeblichen Vorschriften des englischen Arbitration Act 1996. Danach kann das Schiedsgericht auch ohne besonderen Antrag nach billigem Ermessen Zinsen und Zinseszinsen für die Zeit bis zum Erlass des Schiedsspruchs und für die Zeit ab Erlass des Schiedsspruchs zusprechen. Die Zubilligung von Zinsen über den Antrag des Klägers hinaus steht nicht in Widerspruch zu dessen Antrag; denn dieser ist ersichtlich nicht als Beschränkung der Befugnis des Schiedsgerichts zu verstehen, weitere Zinsen zuzusprechen. Damit sind auch die schiedsrichterlichen Entscheidungs­befugnisse nicht i.S.d. Art. 5 Abs. 1 c UNÜ überschritten.
Auch die fehlende Begründung ist kein Verfahrensverstoß i.S.d. Art. 5 Abs. 1 d UNÜ, wie sich aus der maßgeblichen Verfahrensordnung des Schiedsgerichts ergibt.
Die Vollstreckbarerklärung widerspricht auch nicht der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik i.S.d. Art. 5 Abs. 2 b UNÜ. Die Anerkennung des Schiedsspruchs führt nicht zu einem Ergebnis, das offensichtlich gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts, insbesondere die Grundrechte, verstößt. Diese Voraussetzungen erfüllt weder die Zubilligung von Zinseszinsen noch die Zubilligung von Zinsen von Amts wegen noch die fehlende Begründung der Zinsentscheidung. Gerade in verfahrens­recht­licher Hinsicht kann einem ausländischen Schiedsspruch die Aner­ken­nung nur dann versagt werden, wenn das schiedsrichterliche Verfahren an einem schwerwiegenden, die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens berührenden Mangel leidet. Derartig grobe Verfahrensfehler sind hier nicht ersichtlich.