Recht und Steuern

A4a Nr.46

A4a Nr.46
Art. V Abs. 1 2. Halbs., Abs. 2 2. Halbs. EuÜ-IHS, Art. V Abs. 1b UNÜ, § 13 Abs. 5 ICC-Vergleichs- und Schiedsordnung Unzuständigkeit des Schiedsgerichts wegen Kompetenzüberschreitung. ”International Law– als Rechtswahlklausel? Unterlassene Bestimmung des anwendbaren Rechts. Lex Mercatoria. Verspätete Rüge im Verfahren der Vollstreckbarerklärung. Rechtliches Gehör bei der Würdigung von Zeugenaussagen
1. Die Einrede, das Schiedsgericht habe die mangels Rechtswahl der Parteien notwendige Bestimmung des anwendbaren Rechts mittels der anwendbaren Kollisionsnormen unterlassen, statt dessen nach der lex mercatoria und damit letztlich nach billigem Ermessen entschieden, und
dadurch seine Zuständigkeit überschritten, ist im Verfahren der Vollstreckbarerklärung nicht mehr zulässig, wenn dieser Streitpunkt in dem Schiedsverfahren bereits kontrovers zur Erörterung gekommen war. In diesem Falle hätte auch die Einrede bereits vor dem Schiedsgericht erhoben werden müssen.
2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt einer Schiedspartei keinen Anspruch auf die Würdigung von Zeugenaussagen in einem bestimmten Grad von Ausführlichkeit oder in einem bestimmten Sachzusammenhang. Es genügt, wenn das Schiedsgericht den Streitstoff, auf den sich die Aussagen beziehen, abhandelt und sich eingehend mit den Aussagen auseinandersetzt.
LG Hamburg Urteil vom 18.9.1997 - 305 O 453/96; Recht und Praxis der Schieds­gerichts­barkeit (RPS) Beilage 4 zu Betriebs-Berater 11/1999 = RKS A 4 a Nr. 46
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs des Schiedsgerichts der Internationalen Handelskammer. Die Parteien sind Banken, die ihre Kunden bei der Abwicklung eines Kaufvertrages über ein Fahrzeug unterstützten. In diesem Zusammenhang stellte die Antragsgegnerin eine Bankbürgschaft zugunsten der Antragstellerin, in der es u.a. hieß: „This guarantee shall be governed by international law. The guarantor agrees that any legal action or proceeding arising out of this guarantee may be brought in the International Chamber of Commerce in Paris.– Die Antragsgegnerin verweigerte die Zahlung aus der Bürgschaft. Das Schiedsgericht verurteilte die Antragsgegnerin.
Gegen den Antrag auf Vollstreckbarerklärung wandte die Antragsgegnerin ein:
1. Die Schiedsrichter hätten mit ihrer Entscheidung, auf den Rechtsstreit die sog. lex mercatoria und nicht deutsches Recht anzuwenden, die Grenzen der Schiedsabrede überschritten. Nach dem Text der Garantie solle diese ”internationalem Recht– unter­liegen. Das Schiedsgericht habe darin zwar zu Recht keine Rechtswahl i.S.d. § 13 Abs. 3 der ICC-SchGO gesehen, aber die in Satz 2 aaO. mangels Rechtswahl der Parteien zwingend vorgeschriebene Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts mit Hilfe der den Schiedsrichtern anwendbar erscheinenden Kollisionsnormen unterlassen. Wegen der vagen Inhalte der lex mercatoria hätten die Schiedsrichter letztlich nach billigem Ermessen entschieden, wozu sie nur auf Grund ausdrücklicher Ermächtigung der Parteien berechtigt gewesen wären (aaO. Abs. 4). Auch bezüglich der Uniform Rules for Bank Guarantees habe das Schiedsgericht seine Befugnisse über­schritten mit der Erklärung, diese seien nur insoweit bindend, als es selbst das bestimme.
2. Das Schiedsgericht habe ihr das rechtliche Gehör vorenthalten, indem es die wesentlichen Aussagen der Zeugen A und B nicht zur Kenntnis genommen bzw. sich nicht damit auseinandergesetzt und damit seine Pflicht zur geistigen Verarbeitung des Prozessvortrages verletzt habe. Angesichts der Aussage des Zeugen A hätte das Schieds­gericht prüfen müssen, ob der Abruf am letzten Tag der Garantiefrist gegen Treu und Glauben verstieß; die Aussage werde in der relevanten Passage des Schieds­spruchs nicht erwähnt.
Aus den Gründen:
Der Antrag ist lt. Art. IV Abs. 1 UNÜ begründet..... Mit der Arbitrageklausel im letzten Satz der Guarantee liegt eine gültige Schiedsabrede vor, durch die das Schiedsgericht bei der ICC in Paris zur Entscheidung aller Rechtsstreitigkeiten aus der Garantie berufen ist. Der Schiedsspruch ist in Übereinstimmung mit den von den Parteien in Gestalt der Terms of Reference zum Verfahren getroffenen und unterzeichneten Vereinbarungen und auf der Grundlage der ICC-Rules zustande gekommen, was die Konstituierung des Schieds­gerichts und das eingehaltene Verfahren betrifft. Der Schiedsspruch ist ordnungs­gemäß begründet und von den Schiedsrichtern unterzeichnet, er ist endgültig und verbindlich, d.h. unterliegt keinem schiedsgerichtlichen oder staatlichen Rechts­mittel mehr, und wurde beiden Parteien zugestellt, Versagungsgründe nach Art. V UNÜ sind nicht gegeben (wird ausgeführt).
1. Der Einwand, das Schiedsgericht habe mit der Anwendung der lex mercatoria seine Befugnisse überschritten, ist gem. Art. V Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handels­schieds­gerichts­barkeit (EuÜ-IHS) ausgeschlossen. Die Frage des anwendbaren Rechts vor dem Hintergrund der Berufung des ”International Law– in der Guarantee war Gegen­stand kontroversen Parteivorbringens im schiedsgerichtlichen Verfahren, wie die ausführlichen Erörterungen im Schiedsspruch ausweisen. Die Antragsgegnerin hat insoweit der Rechtsauffassung der Antragstellerin nur entgegengesetzt, dass es kein materielles internationales Recht gebe, das die Vorschriften in Bezug auf Bank­bürg­schaften bestimme und infolgedessen von den Parteien keine Entscheidung in Bezug auf ein materielles Recht (Rechtswahl) getroffen worden sei; die lex mercatoria sei kein umfassendes Rechtssystem, das als anwendbares Recht dienen könne.
Das Schiedsgericht hat demgegenüber beschlossen, dass auf Grund der Bestimmung der Parteien implizit die internationalen Handelsbräuche und die allgemeinen Rechts­prinzipien im internationalen Handelsverkehr berufen seien (lex mercatoria). Damit stand der Streitpunkt, der die Befugnisse des Schiedsgerichts überschreiten soll, im schiedsrichterlichen Verfahren ausdrücklich in kontroverser Erörterung. Die Antrags­gegnerin war danach gehalten, die Einrede der Unzuständigkeit in dieser Frage im Schiedsgerichtsverfahren vorzubringen; auf Grund des kontroversen Vorbringens zur Auslegung der Rechtsanwendungsklausel drängte sich diese Rüge auch auf. Im Verfahren der Vollstreckbarerklärung ist sie verspätet und nicht mehr zulässig (Art. V Abs. 1 Halbs. 2 EuÜ-IHS).
Im übrigen würde die Zulassung der Rüge unter dem Gesichtspunkt der Kompetenz­über­schreitung vorliegend auch darauf hinauslaufen, über eine Nachprüfung der Auslegung der Rechtswahlklausel indirekt eine materiellrechtliche Überprüfung des Schiedsspruchs auf inhaltliche Richtigkeit zuzulassen.
2. Die Antragstellerin kann sich weiterhin auch nicht mit Erfolg auf eine angebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs berufen (Art. V Abs. 1 b UNÜ). Der Schiedsspruch führt sehr wohl die Zeugen­aus­sagen an, wobei kein Anspruch einer Schiedspartei auf einen bestimmten Grad von Ausführlichkeit besteht. Die Erwähnung zeigt, dass das Schiedsgericht die Aussagen der Zeugen A und B in der Tat zur Kenntnis genommen hat. Dass das Schiedsgericht weiterhin den Streitstoff, auf den sich die Aussagen der Zeugen beziehen, abgehandelt und sich damit durchaus eingehend auseinandergesetzt hat, weisen die Ausführungen im Schiedsspruch eindeutig aus. Dass die Zeugen­aussagen dabei nicht im jeweiligen Sachzusammenhang ausdrücklich angeführt werden, ist unschädlich. Jedenfalls hat das Gericht darauf bezogene Ausführungen in der Sache sehr wohl getroffen, so dass die Folgerung der Antragsgegnerin, das Schieds­gericht habe die Aussagen der Zeugen schlicht nicht zur Kenntnis genommen, daraus keine Begründung findet. Das Schiedsgericht hat im übrigen auch längere Ausführungen in der Sache zur Auswirkung der geschlossenen Verträge auf die Guarantee gemacht. Dies ist letztlich auch keine zentrale Frage der Würdigung von Zeugenaussagen, sondern vielmehr eine allgemeine Auslegungsfrage, die wiederum eine konkretere Anführung bestimmter Bekundungen der Zeugen nicht erfordert (wird ausgeführt).