Recht und Steuern

A4a Nr.57

A4a Nr.57
Art. V Abs. 2 b UNÜ; §§ 239 ff. ZPO; § 7 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO)
Insolvenz, Vollstreckbarerklärung ausländischen Schiedsspruchs trotz Gesamtvollstreckungsverfahren. Materiell- und verfahrensrechtlicher Ordre Public
Die Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens gegen den beklagten Schuldner hindert die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs nicht.
Ein ausländischer Schiedsspruch ist mit dem deutschen materiellen ordre public nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter - hätte er zu entscheiden gehabt - auf Grund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, sondern erst, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem so starken Widerspruch steht, dass es nach inländischer Vorstellung untragbar erscheint.
Ein ausländischer Schiedsspruch verstößt gegen den verfahrensrechtlichen ordre public, wenn er auf Grund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in solchem Maße abweicht, dass er nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann.
OLG Brandenburg Beschluss v. 2.9.1999 - 8 Sch 1/99; Betriebs-Berater 2001 Beilage 6 S. 21 = RKS A 4 a Nr. 57
Aus dem Sachverhalt:
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 1.7.1998 die Gesamtvollstreckung eröffnet. Die Gläubigerin erwirkte nach vorausgegangener mündlicher Verhandlung am 26.10.1998 eine Entscheidung des Internationalen kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine in Kiew, wonach die Schuldnerin 24.640 DM zu zahlen hat.
Aus den Gründen:
Das Verfahren betr. die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ist durch die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens nicht berührt. §§ 239ff. ZPO sind in der Zwangsvollstreckung nicht anwendbar (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 56. Aufl. Übers. § 239 Rn.5), auch nicht im Vollstreckbarkeitsverfahren (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 5. Aufl. Kap. 16 Rn. 41). Insbesondere steht das aus § 7 GesO sich ergebende Verbot der Einzelvollstreckung dem Vollstreckbarkeitsverfahren nicht entgegen. Denn zur Zwangsvollstreckung gehören nicht solche Akte, welche, wie die Vollstreckbarerklärung, nur vorbereitende Maßnahmen sind und noch keine Vollstreckungswirkung entfalten (vgl. OLG Saarbrücken ZIP 1994, 1609, 1610; Kilger/Karsten Schmidt Insolvenzgesetze, 17. Aufl. 1997 Anm. 2 zu §14 KO).
Die formellen Voraussetzungen für die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus dem ukrainischen Titel liegen vor. Der Anerkennung stehen keine Versagungsgründe entgegen.
Der Titel ist ein Schiedsspruch i.S.d. Art. I Abs. 2 UNÜ. Die erforderlichen Urkunden gem. Art. IV Abs. 1 UNÜ liegen vor. Die Anerkennung kann nur aus einem der in Art. V UNÜ angeführten Gründe abgelehnt werden.
Verstöße gegen den materiellen ordre public (Art. 5 Abs. 2 b UNÜ) sind nicht gegeben. Nach BGHZ 123, 268, 270 liegt eine Unvereinbarkeit mit dem deutschen materiellen ordre public nicht schon dann vor, wenn der deutsche Richter - hätte er zu entscheiden gehabt - auf Grund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre; maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeits­vorstellungen in einem so starken Widerspruch steht, dass es nach inländischer Vorstellung untragbar erscheint.
Auch ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public läßt sich nicht feststellen. Er ist nur gegeben, wenn die ausländische Entscheidung auf Grund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass es nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht 5. Aufl. Rn. 9 zu Art. 27; BGH NJW 1990, 2201, 2203). Nach deutschem Verfahrensrecht bewirkt die Eröffnung des Konkurs- bzw. Gesamtvollstreckungsverfahrens keine Unterbrechung des Schiedsverfahrens (vgl. RGZ 62, 24, 25; BGH KTS 1966, 246, 247; Schwab/Walter aaO. Kap. 16 Rn. 412). Infolgedessen ist es ohne Bedeutung, dass der Schiedsspruch erging, obwohl zuvor die Gesamtvollstreckung über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden war.