Recht und Steuern

A4a Nr.63

A 4 a Nr. 63
Art. 4 Abs. 1 a, 7 Abs.1 UNÜ, §§ 1062, 1064 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 ZPO - Schiedsspruch des „Schiedgerichts am Büro für Juristischen Beistand in Moskau”. Vollstreckung in Deutschland: Formvoraussetzungen, Günstigkeitsprinzip, Geltung deutschen Rechts
Gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 UNÜ muß an sich der Antragsteller zwecks Vollstreckbarerklärung den ausländischen Schiedsspruch und den Schiedsvertrag in gehörig beglaubigter Urschrift oder Abschrift sowie eine gehörig beglaubigte Übersetzung dieser Urkunden in der Sprache des Vollstreckungslandes vorlegen.
Gemäß Artikel 7 läßt das UNÜ aber die Gültigkeit mehr- oder zweiseitiger Verträge, die die Vertragsstaaten über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen geschlossen haben, unberührt und nimmt keiner beteiligten Partei das Recht, sich auf einen Schiedspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts oder der Verträge des Landes, in dem er geltend gemacht wird, zu berufen. Nach diesem„Günstigkeitsprinzip” gilt § 1064 Abs. 1 und 3 der deutschen ZPO: Es genügt die Vorlage des Schiedsspruchs in Urschrift oder beglaubigter Abschrift; die Vorlage der Schiedsvereinbarung und der in Art. 4 Abs. 2 UNÜ genannten Übersetzungen ist nicht nötig.
Der Gefahr einer Benachteiligung des Antragsgegners durch die Vorlage unvollständiger oder mangelhafter Übersetzungen kann dadurch begegnet werden, daß das Gericht nach § 142 Abs. 3 ZPO, § 184 GVG jederzeit die Beibringung einer Übersetzung anordnen kann, die von einem nach den Richtlinien der Landesjustizverwaltung hierzu ermächtigten Übersetzer angefertigt wurde.
BayObLG Beschl. v. 11.8.2000 - 4Z Sch 5/00; BayObLGZ 2000, 433 = Recht der Internationalen Wirtschaft 2001, 140 = RKS A 4 a Nr. 63
Aus dem Sachverhalt:
In der Zusatzvereinbarung vom 21.10.1998 zu einem Vertrag über die Ausführung von Bauleistungen vom 6.11.1996 vereinbarten die Parteien ein Schiedsgericht am Büro für Juristischen Beistand in Moskau gemäß der Satzung und den Regeln dieses Schiedsgerichts sowie den gültigen Gesetzen der Russischen Föderation. Unter Vorlage einer von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau gem. § 10 Abs. 1 Ziffer 2 KonsG beglaubigten Abschrift des Schiedsspruchs vom 6.4.1999 und einer von der Industrie- und Handelskammer Moskau beglaubigten Übersetzung des Schiedsspruchs beantragt die Ast., den Schiedspruch für vollstreckbar zu erklären. Die Ag. beantragt, den Antrag zurückzuweisen:
1. Die Übersetzung des Schiedsspruchs durch einen öffentlich bestellten Dolmetscher und Übersetzer für die russische Sprache sei nicht nachgewiesen.
2. Die Zusatzvereinbarung sei zwar ordnungsmäßig durch einen öffentlich bestellten und beeidigten Dolmetscher und Übersetzer für die russische Sprache übersetzt, jedoch sei die Legitimation weder des Auftragnehmers noch des Auftraggebers nachgewiesen.
3. Der Beglaubigungsvermerk zu der Ablichtung der Zusatzvereinbarung sei nicht ordnungsgemäß nachgewiesen.
Aus den Gründen:
Der Antrag ist begründet. Die Anerkennung und Vollstreckung des russischen Schiedsspruchs richtet sich gemäß § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO nach dem UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 (UNÜ). Gemäß § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO bleiben jedoch die Vorschriften in anderen Staatsverträgen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen unberührt.
Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation, der Rechtsnachfolgerin der UdSSR, gilt Art. 8 des Deutsch-Sowjetischen Abkommens über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschifffahrt vom 25.4.1958 fort (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl.Kap.59 IV Rd-Nr. 14; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 57. Aufl. Schlußanhang IV, Deutsch-Sowjetisches Abkommen vom 25.4.1958 Vorbemerkung zu Art. 8), so daß auch diese Vorschrift zu berücksichtigen ist.
Die Ast. hat die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung formgerecht nachgewiesen. Sie hat eine von einem zuständigen deutschen Konsularbeamten (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 KonsG) beglaubigte Ablichtung des Schiedsspruchs vorgelegt. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 1064 Abs. 1, Abs. 3 ZPO sind damit erfüllt.
Die Vorlage der in Art. IV Abs. 1 lit. b UNÜ genannten Urschrift der Schiedsvereinbarung oder einer Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsmäßig beglaubigt ist, sowie die Vorlage der in Art. IV Abs. 2 UNÜ vorgesehenen Übersetzungen stellt auf Grund des Günstigkeitsprinzips des Art. VII UNÜ i.V.m. § 1064 ZPO keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs dar (Musielak/Voit ZPO § 1061 Rd-Nr. 3; Schwab/Walter Kap. 30 V 1 Rd-Nr. 26 und Kap 58 I 2 Rd-Nr. 2 hinsichtlich der Schiedsvereinbarung; a.A. Moller Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 1999, 143ff. und 2000, 57/71 zur Frage, ob eine Schiedsvereinbarung vorzulegen ist).
§ 1064 Abs. 1 ZPO fordert lediglich, daß mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung der Schiedsspruch oder eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt wird. § 1064 Abs. 1 ZPO findet auch bei ausländischen Schiedsprüchen Anwendung, soweit Staatsverträge nicht ein anderes bestimmen (§ 1064 Abs. 3 ZPO). Insofern enthält Art. IV UNÜ zwar weitergehende Vorschriften über das Vollstreckbarerklärungsverfahrten , deren Anwendbarkeit aber andererseits unter dem Vorbehalt des Art. VII Abs. 1 UNÜ steht, der klarstellt, daß das UNÜ keiner Partei das Recht nimmt, sich auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des Landes, in dem er geltend gemacht wird, zu berufen (vgl. BGH NJW 84, 2763 = WM 84, 1014 = RKS A 4 b Nr. 15; BGH WM 91, 576 f), so daß das nationale Verfahrensrecht, soweit es zur Herbeiführung der Vollstreckbarkeitserklärung günstiger ist, vorgeht.
Da § 1064 Abs. 1 ZPO für die Vollstreckbarkeitserklärung keine Verpflichtung zur Vorlage der Schiedsvereinbarung und der in Art. IV Abs. 2 UNÜ genannten Übersetzungen vorsieht, stellt sich das innerstaatliche Recht nach der ZPO als für die Antragstellerin günstiger dar, mit der Folge, daß es Anwendung findet.
Der Gefahr einer Benachteiligung der Antragsgegnerin durch die Vorlage unvollständiger oder sonst mangelhafter Übersetzungen kann notfalls dadurch begegnet werden, daß das Gericht nach § 142 Abs. 3 ZPO, § 184 GVG jederzeit die Beibringung einer Übersetzung, die von einem nach den Richtlinien der Landesjustizverwaltung hierzu ermächtigten Übersetzer angefertigt wurde, anordnen kann. Dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist somit stattzugeben.
Versagungsgründe i.S.d. Art. 8 Abs. 3 des Deutsch-Sowjetischen Abkommens vom 25.5.1958 sind nicht ersichtlich. Da nach Art. 8 Abs. 3 S. 2 des Abkommens, das gem. Art. VII Abs. 1 UNÜ den Versagungsbestimmungen nach Art. V UNÜ vorgeht, eine sachliche Nachprüfung des Schiedsspruchs nicht stattfindet, kann die Ag. mit ihren Einwendungen gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Schiedsgerichts nicht gehört werden.