Recht und Steuern

A4a Nr.62

A4a Nr.62
Art. 4 Abs. 1a, 7 Abs.1 UNÜ, §§ 1062, 1064 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 ZPO - Schiedsspruch desInternationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- undIndustriekammer der Ukraine. Vollstreckung in Deutschland: Formvoraussetzungen,Günstigkeitsprinzip, Geltung deutschen Rechts
Ein ausländischer Schiedsspruch kann auch ohne die Formvoraussetzungengemäß Art. 4 Abs. 1 a UNÜ - Vorlage von Schiedsspruch und Schiedsvertrag ingehörig legalisierter (beglaubigter) Urschrift oder beglaubigter Abschrift - inDeutschland vollstreckbar erklärt werden, wenn die Authentizität desSchiedsspruchs unstreitig ist.
Abgesehen davon genügt nach dem lt. Günstigkeitsprinzip ( Art. 7 Abs. 1 UNÜ) anwendbaren deutschen Recht (§ 1064 Abs. 1 und 3 ZPO) die Vorlageder Urkunden in anwaltlich beglaubigter Form. Das gilt im Ergebnis auch für dieerforderlichen Übersetzungen.
OLG SchleswigBeschl. v. 15.7.2003 - 16 Sch 01/03; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht2003, 237 = RKS A 4 a Nr. 62
Aus denGründen:
Die benachrichtigte Ag. beteiligte sich nicht an dem Schiedsverfahren und äußertesich auch nicht auf den ihr am 1.3.2003 zugestellten Antrag aufVollstreckbarerklärung des Schiedspruchs.
Der Antrag aufVollstreckbarerklärung ist gem. §§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. 1 ZPO n.F. i.V.m. demUN-Übereinkommen vom 10. 6. 1958 über die Anerkennung und Vollstreckungausländischer Schiedssprüche (UNÜ - BGBl.1961 II S. 121 = RKS-Textteil II - 3)zulässig und begründet. Das UNÜ findet im Verhältnis zwischen der Ukraine undder Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des „Abkommens über AllgemeineFragen des Handels und der Seeschifffahrt zwischen der BundesrepublikDeutschland und der Union der Sowjetrepubliken” vom 25.4.1958 (BGBl. 1959 II S.221) Anwendung, wie sich aus der „Bekannntmachung über die Fortgeltung derdeutsch-sowjetischen Verträge im Verhältnis zwischen der BundesrepublikDeutschland und der Ukraine” vom 30.6.1993 (BGBl. II 1993, 1189) ergibt.
Die (örtliche)Zuständigkeit des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts für dieEntscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchsergibt sich aus
§ 1062 Abs. 1Nr. 4, Abs. 2 ZPO, weil die Ag. ihren Sitz im hiesigen Bezirk hat. Dieförmlichen Anerkennungsvoraussetzungen nach Art. 4 UNÜ stehen derVollstreckbarerklärung nicht entgegen. Hiernach hat die antragende ParteiSchiedsspruch und Schiedsvertrag in gehörig legalisierter (beglaubigter)Abschrift vorzulegen. Damit obliegt ihr insbesondere der Nachweis derAuthentizität des Schiedsspruchs. Dieser kann nur mit den in Art. 4 Abs. 1 aUNÜ bezeichneten Urkunden geführt werden. Es entspricht insoweit aber wohlherrschender Auffassung, daß das Beweiserfordernis sich schon im Interesse derPraktikabilität an den Vorschriften des Anerkennungs- und Vollstreckungsstaatesausrichtet, weil anderenfalls eine Überprüfung durch dessen Gerichte kaummöglich, jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre (vgl.z.B.Schlosser in Stein/Jonas ZPO 21. Aufl. 1994 Anh. zu § 1044 Rd-Nr. 48). DieAuthentizität des Schiedsspruchs muß aber nicht bewiesen werden, wenn sieunstreitig ist (BGH NJW 2000, 3650ff = RKS A 4 a Nr. 51; Schlosser inStein/Jonas ZPO 21. Aufl. 1994 Anh. zu § 1044 Rd-Nr. 48).
Die von derAst. vorgelegten Urkunden genügen den förmlichen Anforderungen des Art. 4 UNÜzwar nicht. Die Ast. hat nämlich lediglich nicht-legalisierte Urschriften nebstÜbersetzungen vorgelegt, wobei die überreichten Urkunden jeweils auf derletzten Seite mit einem notariellen Beglaubigungsvermerk einer ukrainischenNotarin versehen sind. Das reicht
aber in diesemFall schon deshalb aus, weil Art. 4 UNÜ keine Zulässigkeitsvoraussetzungen fürdas Vollstreckbarerklärungsverfahren enthält und im übrigen die Authentizitätdes Schiedsspruchs nicht in Streit steht. Es stellte eine der Sachlage nichtangemessene unnötige Formalisierung und damit auch Erschwernis dar, in einemderartigen Fall noch die strikte Einhaltung der förmlichenAnerkennungsvoraussetzngen des Art. 4 UNÜ zu verlangen.
Die Frage, ob nichtohnehin über das durch Art. 7 Abs. 1 UNÜ geltende Günstigkeitsprinzipjedenfalls hinsichtlich der Vorschriften über das Verfahren deutschesRecht und damit die eigenständigen Regelungen der §§ 1062 ff., hier §1064 Abs. 3 ZPO, zur Anwendung kommen können, ist zu bejahen. Aus Art. 8 deso.g. - auch für die Ukraine geltenden - deutsch-sowjetischen Abkommens folgt,daß für die Anordnung und Durchführung der Vollstreckung eines Schiedsspruchsdie Gesetze des Staates maßgeblich sind, in dem er vollstreckt werden soll.Damit findet deutsches Verfahrensrecht ohne weiteres Anwendung. Aus Art. 7 UNÜergibt sich darüber hinaus, daß eine Partei, die die Anerkennung einesSchiedsspruchs begehrt, sich auf bilaterale Abkommen berufen kann, wenndiese ihr günstiger sind. Aus Art. 7 UNÜ folgt darüber hinaus, daß daß auch der mit der Anerkennung befaßte Richter ohne weiteres von Amts wegendas der Partei günstigere bilaterale oder nationale Anerkennungsrechtheranziehen darf (vgl. auch Stein/Jonas ZPO 21. Aufl. 1994 Anh. zu § 1044Rd-Nr. 90 m.w.N.). Deshalb erachtet es der Senat grundsätzlich und auch indiesem Fall als ausreichend, daß die Ast. sämtliche Urkunden in anwaltlichbeglaubigter Abschrift gemäß § 1064 Abs. 1 S. 2 ZPO eingereicht hat (so auchBayObLG 11.8.2000 RIW 2001, 140 ff.= RKS AS 4 a Nr. 63; Schwab/WalterSchiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. 2000 Kap. 58 Rd-Nr. 2 a.E.).
Nichts anderes gilt im Ergebnis für die erforderlichen Übersetzungen, die nach Art. 4Abs. 2 UNÜ von einem amtlichen oder beeidigten Übersetzer oder von einemdiplomatischen oder konsularischen Vertreter beglaubigt sein müssen, wobei essich bei diesen Personen nur um solche des Vollstreckungsstaates handeln kann.Nach deutschem Schiedsverfahrensrecht unterliegen diese Urkunden diesen Anforderungennicht. Wird eine - vom Antragsgegner nicht beanstandete - Übersetzung vorgelegtund bestehen auch sonst keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit undVollständigkeit der Übersetzung, bedarf es einer Beglaubigung der Übersetzungdurch einen amtlichen oder beeidigten Übersetzer oder diplomatischen oderkonsularischen Vertreter nicht (so auch BayObLG 11.8.2000 BaObLGZ 2000, 233ff.= RKS A 4 a Nr. 63).
Von Amts wegenzu beachtende Anerkennungsversagungsgründe nach Art. 5 Abs. 2 UNÜ sind nichtersichtlich.