Recht und Steuern

A4a Nr. 94

A4a Nr. 94
§§ 50, 253, 1046, 1059, 1060 ZPO - Klage gegen GbR + Schiedsspruch gegen die Gesellschafter = Verstoß gegen ordre public. Wiederaufleben der Schiedsabrede nach Aufhebung des Schiedsspruchs. Zurückverweisung an das Schiedsgericht nach Teilaufhebung des Schiedsspruchs
1. Nach Anerkennung der BGB-Gesellschaft als teilrechtsfähig besitzt die GbR Rechtsfähigkeit, soweit sie als Außengesellschaft durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. Insoweit besitzt sie auch die Parteifähigkeit im Zivilprozess, die gem. § 50 ZPO mit der Rechtsfähigkeit korrespondiert.
2. Ist die Gesellschaft verklagt und damit Partei des Schiedsverfahrens geworden, ohne dass neben der Klage gegen die Gesellschaft auch eine Klage gegen die einzelnen Gesellschafter erhoben wurde, so verstößt deren Verurteilung zur gesamten Hand gegen den ordre public, insbesondere gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs. Die Gesellschafter selbst sind nicht Partei des Schiedsverfahrens und werden dies auch nicht durch eine Bezeichnung, die der Identifizierung des Gesellschaft dient. Durch die Verurteilung werden sie zu einer Leistung verpflichtet, ohne zuvor am Verfahren beteiligt gewesen zu sein. Das ist mit den Prinzipien der deutschen Rechtsordnung unvereinbar.
3. Die Teilaufhebung eines Schiedsspruchs ist möglich, wenn der selbständig angegriffene Teil vom übrigen Schiedsspruch getrennt werden kann. Dies gilt grundsätzlich im Fall von Geldforderungen, weil sich aus den Gründen des Schiedsspruchs der Umfang der abgewiesenen Klage und damit des bestehen bleibenden Teils des Schiedsspruchs eindeutig ergeben muss.
4. Das Gericht kann im Falle der Aufhebung des Schiedsspruchs das Verfahren auf Antrag an das Schiedsgericht zurückverweisen. Die Schiedsvereinbarung lebt wieder auf, der Gesetzgeber hält es grundsätzlich für sachgerecht, das Schiedsgericht erneut mit der Sache zu befassen.
OLG München Beschl.v. 29.1.2007 - 34 Sch 23/06; NJW 2007, 2129 = RKS A 4 a Nr. 94
Aus dem Sachverhalt:
Mit Kaufvertrag vom 21.6.1999 verkaufte der Antragsteller an die Antragsgegnerin ein medizinisches Labor. Der Kaufvertrag enthält eine Schiedsklausel. Im zugleich abgeschlossenen Schiedsvertrag war u.a. die Geltung des 10. Buches der ZPO geregelt. Nach Unstimmigkeiten klagte der Ast. vor dem Schiedsgericht gegen "die Gesellschaft bürgerlichen Rechts .... (Straße, Ort), bestehend aus .... (natürliche Personen Nrn. 1 - 8)". Das Schiedsgericht erließ am 22.8.2006 auszugsweise folgenden Schiedsspruch:
1. Die Schiedsbeklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Schiedskläger
1.022.583 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 21.5.2004 zu
zahlen ....
2. Die Schiedsbeklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Bürgschaftsurkunde Nr. ...
über die Bürgschaft der Sparkasse E. vom 20.9.1999 in Höhe von bis zu 1 Mio DM an den
Schiedskläger herauszugeben.
3. ....
4. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Schiedsbeklagten als Gesamtschuldner
83/100, der Schiedskläger 17/100.
Mit Schriftsatz vom 21.9.2006 beantragte der Ast, den Schiedsspruch in den Nrn. 1 - 3 und 5 für vollstreckbar zu erklären. Für den Fall der Aufhebung beantragte er, das Verfahren an das Schiedsgericht zurückzuverweisen. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedspruchs hatte keinen Erfolg, auf den Antrag der Ag. war der Schiedsspruch im beantragten Umfang aufzuheben
Aus den Gründen:
1. Es liegt ein Aufhebungsgrund i.S.d. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO vor. Die im Tenor des Schiedsspruchs zur Leistung Verurteilten sind nicht identisch mit der Schiedsbeklagten. Beklagte laut Rubrum des Schiedsspruchs ist die GbR, bestehend aus insgesamt acht natürlichen Personen. Dies entspricht auch der erhobenen Schiedsklage. Nach Anerkennung der BGB-Gesellschaft als teilrechtsfähig (BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 = NZG 2001, 311) besitzt die GbR Rechtsfähigkeit, soweit sie als Außengesellschaft durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. Insoweit besitzt sie auch Parteifähigkeit im Zivilprozess, die gem. § 50 ZPO mit derRechtsfähigkeit korrespondiert (BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 = NZG 2001, 311).
2. Die Auslegung der Schiedsklage, die sich mit dem Rubrum des Schiedsspruchs deckt, ergibt hier, dass die Gesellschaft verklagt ist, somit Partei des Schiedsverfahrens geworden ist (§§ 50, 1046 Abs. 1, 253 ZPO). Die Gesellschafter selbst werden auch durch eine Bezeichnung, die der Identifizierung der Gesellschaft dient, nicht Partei. Anhaltspunkte dafür, dass der Ast. und Schiedskl. mit der Bezeichnung der einzelnen Gesellschafter diese selbst verklagen wollte, nicht die Gesellschaft, liegen nicht vor. Eine Klage gegen die Gesellschafter persönlich, neben der gegen die Gesellschaft (vgl. BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 = NZG 2001, 311), ist nicht erfolgt. Die Verurteilung der einzelnen Gesellschafter zur gesamten Hand verstößt unter diesen Umständen gegen den ordre public, insbesondere auch gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs. Die Gesellschafter selbst sind nicht Partei des Schiedsverfahrens. Durch die Verurteilung werden sie zu einer Leistung verpflichtet, ohne zuvor am Verfahren beteiligt gewesen zu sein. Das haftende Vermögen ist ein anderes, nämlich nicht die Sondermasse Gesellschaftsvermögen, sondern das persönliche Vermögen der Gesellschafter (BayObLG NJW-RR 2002, 991). Dieses ist mit den grundsätzlichen Verfahrensprinzipien der deutschen Rechtsordnung nicht zu vereinbaren.
Der Schiedsspruch ist daher, soweit die Vollstreckbarerklärung beantragt ist, aufzuheben,
§ 1060 Abs. 2 ZPO. Da der Senat das Verfahren an das Schiedsgericht zurückverweist (s.u., Nr. 4), kommt der hilfsweise gestellte Antrag des Ast. betr. die Aufhebung des Schiedsspruchs in Nr. 4 nicht zum Tragen.
3. Eine Aufhebung des gesamten Schiedsspruchs von Amts wegen ist nicht veranlasst. Grundsätzlich ist eine Teilaufhebung eines Schiedsspruchs möglich, wenn der selbständig angegriffene Teil vom übrigen Schiedsspruch getrennt werden kann (Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 6). Dies ist hier der Fall, da sowohl der aufgehobene als auch der aufrechterhaltene Teil des Schiedsspruchs selbständig und unabhängig von dem jeweils anderen Teil bestehen bleiben können. Das gilt grundsätzlich im Fall von Geldforderungen (vgl. Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 25 Rd-Nr. 14a). Aus den Gründen des Schiedsurteils, insbesondere aus der Darstellung der mit der Schiedsklage erhobenen Ansprüche, ergibt sich eindeutig der Umfang der abgewiesenen Klage und damit des bestehen bleibenden Teils des Schiedsspruchs.
4. Der Senat verweist das Verfahren gem. § 1059 Abs. 4 ZPO auf Antrag des Schiedskl. und trotz der Einwendungen des Schiedsbekl. an das Schiedsgericht zurück. Die Parteien haben für den Fall der Aufhebung eines Schiedsspruchs in ihrer Schiedsvereinbarung vom 21.6.1999 ausdrücklich geregelt, dass dann erneut ein Schiedsverfahren durchzuführen ist. Auch der Gesetzgeber geht grundsätzlich davon aus, dass bei Aufhebung des Schiedsspruchs die Schiedsvereinbarung wieder auflebt (vgl. § 1059 Abs. 5 ZPO; Zöller/Geimer § 1059 Rd-Nrn. 87, 88).
Es erscheint sachgerecht, das bestehende Schiedsgericht erneut mit der Sache zu befassen. Es sprechen keine gewichtigen Gründe gegen die Vertrauenswürdigkeit des Schiedsgerichts (vgl. dazu Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 27). Der zur Aufhebung des Schiedsspruchs führende Verstoß gegen den ordre public ist nicht dergestalt, dass das schon bestende Schiedsgericht ihn nicht ohne größeren Aufwand beheben könnte. Dies gilt auch dann, wenn ein beisitzender Schiedsrichter inzwischen verstorben ist und deswegen ein Beisitzer neu bestellt werden muss. Der Senat geht davon aus, dass sich auch in diesem Fall die bestehende Sachkenntnis und Überzeugungsbildung der übrigen Schiedsrichter verfahrensfördernd auswirken werden.