Recht und Steuern

A4a Nr. 91

A4a Nr. 91
§§ 328, 1061 ZPO; Art. V, VI UNÜ - Anerkennung der Entscheidung eines chinesischen Gerichts über die Unwirksamkeit eines Schiedsspruchs. Gegenseitigkeit
1. Mangels internationaler Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen ist die tatsächliche Handhabung maßgeblich. Da in solchen Fällen eine Seite mit der Anerkennung beginnen müsste, bevor die andere nachziehen könnte, würde das die gegenseitige Anerkennung faktisch ausschließen, was so vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Deshalb ist, um die Entwicklung gegenseitiger Anerkennung ohne Abschluss internationaler Verträge nicht zu blockieren, darauf abzustellen, ob zu erwarten ist, dass die andere Seite nachziehen wird.
Davon ist im Verhältnis zu China auszugehen. Ablehnungen der Anerkennung sind bisher nicht bekannt geworden. Um der gegenseitigen Blockierung vorzubeugen, muss deshalb die Prognose genügen, dass die Anerkennung von Urteilen chinesischer Gerichte durch deutsche Gerichte auch die Anerkennung deutscher Urteile in China zur Folge hat.
2. Nach chinesischem Recht muss - anders als nach deutschem Recht - das Schiedsgericht einschließlich seiner Zusammensetzung schon in der Schiedsklausel bestimmt sein.
KG Beschluss vom 18.5.2006 - 20 Sch 13/04; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2007, 100 = RKS A 4 a Nr. 91
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung des durch den Einzelschiedsrichter E. in Shanghai (China) am 30.3.2004 erlassenen Schlussschiedsspruches (Final Award) bzw. Schlussurteils (Sentence Finale) des International Court of Arbitration of the International Chamber of Commerce (ICC) auf Zahlung. Die Schiedsklausel in der zugrundeliegenden, im Dezember 2000 geschlossenen Vereinbarung über den Bau einer Fabrik in W. (China) lautet "Arbitration 15.3 IIC Rufes, Shanghai shall apply" (sinngemäß: Schiedsverfahren 15.3. soll zuständig sein). Die Bezeichnung 15.3 nimmt dabei auf eine in den allgemeinen Bedingungen (General Conditions) genannte Standardschiedsklausel (FIDIC Green Book) Bezug, nach der die Streitigkeiten endgültig durch einen Einzelschiedsrichter gemäß den spezifizierten Regeln entschieden serden sollen. Bei Fehlen einer Vereinbarung soll der Schiedsrichter durch die im Anhang genannte Behörde/Stelle ernannt werden.
Das Volksgericht W. hat am 2.9.2004 - Aktenzeichen: (2004) XMECZ 154 - die Schiedsklausel für unwirksam erklärt, weil sie mangels Benennung der Schiedsinstitution bzw. des Schiedsgerichts nach chinesischem Recht unwirksam sei.
Die Ast. hat ferner einen Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung am 17.8.2004 gestellt, den das Volksgericht W. am 1.9.2004 angenommen hat. Eine Entscheidung ist in dem Verfahren nicht getroffen worden.
Die Ast. beantragt die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des ICC-Schiedsspruchs des Internationalen Schiedsgerichtshofes vom 30.3.2004 gem. § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. den Bestimmungen der Art. III-VI UNÜ.
Die Ag. beantragt, 1. die Anerkennung und Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches zu versagen, 2. festzustellen, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist. Sie macht gestützt auf das Urteil geltend, die Schiedsklausel sei unwirksam, das habe sie bereits im Schiedsverfahren beanstandet. Das Urteil sei gem. § 328 ZPO anzuerkennen, weil die Gegenseitigkeit mit China verbürgt sei.

Aus den Gründen:
Der Antrag war gem. § 1061 ff. ZPO i.V.m. Art. I ff. UNÜ zulässig, jedoch in der Sache unbegründet, so dass die Anerkennung des Schiedsspruchs im Inland zu versagen war (§ 1061 Abs. 2 ZPO). - Die Schiedsklausel in dem Schiedsvertrag ist unwirksam, so dass gem. § 1061 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1a UNÜ die Anerkennung zu versagen war.
1. Es steht auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Volksgerichts W. vom 2.9.2004 für den Senat bindend fest, dass die vereinbarte Schiedsklausel unwirksam war. Dieses Urteil ist gem. § 328 ZPO anzuerkennen. Die Versagungsgründe des § 328 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO liegen ersichtlich nicht vor und bedürfen keiner näheren Erörterung. Es ist ferner nicht davon auszugehen, dass die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist (§ 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).
Mangels internationaler Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen ist die tatsächliche Handhabung maßgeblich. Da in solchen Fällen eine Seite mit der Anerkennung beginnen müsste, bevor die andere nachziehen könnte, würde das die gegenseitige Anerkennung faktisch ausschließen, was so vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Deshalb ist, um die Entwicklung gegenseitiger Anerkennung ohne Abschluss internationaler Verträge nicht zu blockieren, darauf abzustellen, ob zu erwarten ist, dass die andere Seite nachziehen wird. Davon ist im Verhältnis zu China auszugehen. Die Gegenmeinung weist zwar insoweit auf fehlende Erfahrungen hin. Das spricht aber tatsächlich dafür, dass Ablehnungen der Anerkennung ebenso nicht bekannt geworden sind. Um der gegenseitigen Blockierung vorzubeugen, muss deshalb die Prognose genügen, dass die Anerkennung von Urteilen chinesischer Gerichte durch deutsche Gerichte auch die Anerkennung deutscher Urteile in China zur Folge hat (vgl. dazu näher Schütze in: Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Loseblattsammlung, Stand 2005, konkrete Kommentierung Stand 1989 Band V 1027 4-6; Geimer, in: Zöller ZPO 25. Aufl. § 328 Rd-Nr. 177 i.V.m. Anh. IV, China (Volksrep.); Baumbach u.a. ZPO 63. Aufl. Anh. § 328 Rd-Nr. 3 China; a.A. bspw. Roth in: Stein/Jonas 21. Aufl. § 328 XI Rd-Nr. 164). Substanzielles wird sonst nirgends ausgeführt, und es ist nicht anzunehmen, dass die einschlägigen Publikationen ablehnende chinesische Urteile übergangen haben sollten. Der ordre-public-Vorbehalt im chinesischen Recht entspricht § 328 Abs. 1 (insbes. Nr. 4) ZPO, so dass auch danach Zweifel an der Gegenseitigkeit nicht begründet erscheinen (vgl. Schütze in: Geimer/Schütze Intern.Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Loseblatt-Slg. Stand 2005 konkrete Kommentierung Stand 1989 Band V 1027 4-5).
2. Aber auch unabhängig von der Bindung der rechtskräftigen Entscheidung des Volksgerichts W. vom 2.9.2004 ist davon auszugehen, dass die Schiedsklausel nach dem maßgeblichen chinesischen Recht unwirksam ist. Nach chinesischem Recht muss - anders als nach deutschem Recht - auch das Schiedsgericht einschließlich seiner Zusammensetzung bereits in der Klausel selbst bestimmt sein. Vorliegend ist die Entscheidung durch einen Einzelschiedsrichter vereinbart gewesen, der mangels Vereinbarung von der genannten Behörde ernannt werden sollte. Es ist aber keine Behörde vereinbart, sondern nur mittelbar über die Erwähnung der Vorschriften der ICC die Zuständigkeit des internationalen Schiedsgerichts mit Benennung des (vereinbarten) Einzelschiedsrichters durch dieses.
Die Entscheidung über den Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs vor dem Volksgericht W. vermag die von der Ast. beantragte Aussetzung nicht zu rechtfertigen. Der maßgebliche Art. VI UNÜ sieht deswegen eine Aussetzung nicht vor, was sich daraus erklärt, dass eine solche Entscheidung im Rahmen des Art. V UNÜ unerheblich ist. Jedenfalls wird dieses Verfahren nicht fortgeführt. Die Ast. hat nicht vorgetragen, dass das Verfahren überhaupt weiter betrieben wird.
Hinweis: Zum Thema Gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen zwischen Deutschland und China siehe die ablehnende Anmerkung zu dieser Entscheidung von Axel Neelmeyer SchiedsVZ 2007, 102.