Recht und Steuern

A4a Nr. 90

A4a Nr. 90
Art. II Abs. 2 UNÜ, Art. 19 CISG, §306 BGB, §§ 1031 Abs. 2 und 3, § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO - Schiedsabrede in "Schriftwechsel", Meistbegünstigung; einander widersprechende AGB, Abwehrklausel, Schweigen auf Bestätigungsschreiben mit Schiedsklausel kein Einverständnis, Besonderheit nach CISG
1. Das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung muss grundsätzlich im ausländischen Schiedsverfahren gerügt werden; im Vollstreckbarerklärungsverfahren ist dies nicht mehr möglich. Diese Präklusion gilt jedoch nicht, wenn die Schriftform nach Art. II UNÜ nicht erfüllt ist: Nach Abs. 2 ist unter einer "schriftlichen Vereinbarung" i.S.v. Abs. 1 eine Schiedsklausel in einem Vertrag oder eine Schiedsabrede zu verstehen, die von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen oder Telegrammen enthalten ist, die sie "gewechselt" haben.
2. Das Schweigen auf eine Auftragsbestätigung mit AGB ist kein Einverständnis mit einer darin enthaltenen Schiedsklausel. Dies gilt entsprechend für eine einseitige schriftliche Bestätigung einer mündlichen Abrede, eine mündliche oder stillschweigende Annahme eines Vertragsangebots; es fehlt die "Wechselseitigkeit" des Schriftverkehrs i.S.v. Art. II Abs. 2 UNÜ.
3. Auf dieses Erfordernis kann auch nicht in Ansehung der Meistbegünstigungsklausel gem. Art. VII Abs. 1 UNÜ, § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO verzichtet werden. Selbst wenn in Verfahren mit ausländischem Schiedsort angesichts der Verweisung des deutschen Rechts auf das UNÜ (in § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO) ein Rückgriff auf § 1031 ZPO überhaupt zulässig ist - und gemäß Abs. 2 und 3 eine Schiedsvereinbarung grundsätzlich schon durch Bezugnahme einer Partei auf ihre eine Schiedsklausel enthaltenden AGB und nicht rechtzeitigen Widerspruch der anderen zustande kommen kann -, kommt die Vereinbarung dann nicht zustande, wenn die andere Partei deutlich zum Ausdruck bringt, dass sie die gegnerischen Bedingungen nicht akzeptiert. Eine solche Abwehrklausel schließt nicht nur widersprechende, sondern auch ergänzende Klauseln der anderen Partei aus. Gem. § 306 BGB bleibt der Vertrag im Übrigen aber wirksam.
4. Die Geltung der Schiedsklausel einer Partei kraft Schweigens der anderen lässt sich auch nicht aus Art. 19 Abs. 2 CISG herleiten, da Regelungen bezüglich der Beilegung von Streitigkeiten stets "wesentliche Änderungen" i.S.v. Art. 19 Abs. 3 CISG mit der Folge der Ablehnung des Angebots sind.
5. Mit dem Einwand einer unwirksamen Schiedsvereinbarung kann eine Partei nicht ausgeschlossen sein, die sich vor dem Schiedsgericht überhaupt nicht geäußert hat.
OLG Frankfurt/Main Beschl.v. 26.6.2006 - 26 Sch 28/05; Internationales Handelsrecht
2007, 42 = RKS A 4 a Nr. 90
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs des Schiedsgerichts für die Graphische Industrie in Amstelveen/Niederlande vom 20.4.2005, durch das die Antragsgegnerin zur Zahlung verurteilt wurde.
Die Ag. sandte am 17.6.2004 zwei schriftliche Bestellungen an die Ast. unter Hinweis auf die ausschließliche Geltung ihrer Einkaufsbedingungen.Die Ast. bestätigte die Auftragserteilung per Fax noch am selben Tag unter Hinweis auf die Bestimmungen der Graphischen Industrie der Niederlande, die in Art. 21 eine Schiedsabrede enthalten.
Aus den Gründen:
Zu 1. Der Antrag ist unbegründet, weil der Schiedsspruch nicht durch eine "schriftliche Vereinbarung" i.S.v. Art. II Abs. 2 UNÜ legitimiert ist. Zwar muss das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung grundsätzlich im ausländischen Schiedsverfahren gerügt werden; geschieht dies nicht, kann dieser Einwand im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht mehr erhoben werden. Die Präklusion gilt jedoch nicht, soweit es um die Schriftform nach Art. II des UN-Übereinkommens geht (BayObLG RIW 2003, 383 = RKS A 1 Nr. 122; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit Kap. 57 Rz. 2). An dieser Schriftform fehlt es im vorliegenden Fall.
Zu 2. Nach Art. II Abs. 2 UNÜ ist unter einer "schriftlichen Vereinbarung" i.S.d. Art. II Abs. 1 UNÜ eine Schiedsklausel in einem Vertrag oder eine Schiedsabrede zu verstehen, die von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen oder Telegrammen enthalten ist, die sie gewechselt haben. Den entsprechenden Nachweis hat die die Vollstreckbarerklärung beantragende Partei zu erbringen (vgl. Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. § 1061 Rz. 14; BayObLG a.a.O.). Schon unter Zugrundelegung des Vortrags der Ast. kann eine formgerechte Schiedsvereinbarung der Parteien nicht festgestellt werden.
Die behauptete mündliche Vereinbarung würde den Schiedsspruch nicht legitimieren, da sie nicht den formellen Anforderungen des Art. II Abs. 2 UNÜ genügt. Einen von beiden Parteien unterzeichneten Vertrag, der eine Schiedsklausel enthält, bzw. eine unterschriebene separate Schiedsabrede hat die Ast. nicht vorgelegt.
Eine entsprechende Vereinbarung ist auch nicht in dem Schriftverkehr der Parteien enthalten. Art. II Abs. 2, 2. Var. UNÜ verlangt einen gegenseitigen Schriftwechsel; entscheidendes Kriterium ist die Wechselseitigkeit, so dass die einseitige Zusendung eines Vertragstextes grundsätzlich ebenso wenig ausreicht, wie eine einseitige schriftliche Bestätigung einer mündlichen Abrede. Weder eine mündliche noch eine stillschweigende Annahme eines Vertragsangebots genügt zur Begründung einer nach Art. II Abs. 2, 2. Var. UNÜ wirksamen Schiedsvereinbarung (BayObLG a.a.O., MüKo/Gottwald ZPO 2. Aufl. Bd. 3 Art. II UNÜ Rz.. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers ZPO 60. Aufl. Art. II UNÜ Rz. 2; Musielak/Voit § 1031 Rz. 18; Schwab/Walter Kap. 47 Rz. 7).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund lässt sich vorliegend ein den Erfordernissen des Art. II Abs. 2, 2. Var. UNÜ genügender Schriftwechsel der Parteien nicht feststellen.
Die Ast. hatte in ihren Bestellungen auf die Geltung der AGB hingewiesen, die offensichtlich keine Schiedsklausel enthalten. Auf die Auftragsbestätigungen der Ast., denen ihre Lieferbedingungen beigefügt gewesen sein sollen, hat die Ag. nicht mehr mittels Brief-, Telegramm- oder Faxpost bestätigend geantwortet.
Zu 3. Auf das Erfordernis einer beidseits unterzeichneten Schiedsabrede oder eines gegenseitigen Schriftwechsels kann auch nicht in Ansehung der Meistbegünstigungsklausel gem. Art. VII Abs. 1 UNÜ, § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO verzichtet werden. Insbesondere kann sich die Ast. nicht auf die in § 1031 Abs. 2 und 3 ZPO normierten geringeren Anforderungen an das Zustandekommen einer wirksamen Schiedsvereinbarung berufen. Es ist bereits fraglich, ob für Verfahren mit ausländischem Schiedsort, bei denen das deutsche Recht in § 1061 ZPO gerade auf das UNÜ verweist, ein Rückgriff auf § 1031 ZPO überhaupt zulässig ist (verneinend Zöller/Geimer ZPO 25.Aufl. § 1031 Rz. 25; Musielak/Voit § 1031 Rz. 18 m.w.N.; bejahend: Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22.Aufl., Anhang § 1061 Rz. 159; Schwab/Walter Kap. 44 Rz. 12; ausdrücklich offen gelassen in BGH NJW 2005, 3499 = IHR 2005, 261 = RKS A 4 a Nr. 78). Selbst wenn man aber in diesem Zusammenhang ein anerkenntnisfreundlicheres Verständnis des Meistbegünstigungsgrundatzes zugrunde legt, ist nicht von einer wirksamen Schiedsvereinbarung auszugehen. Gemäß § 1031 Abs. 2 und 3 ZPO kann im kaufmännischen Rechtsverkehr eine Schiedsvereinbarung zwar auch durch Bezugnahme auf AGB einer Partei, etwa in einem Bestätigungsschreiben, zustande kommen, ohne dass die AGB beigefügt waren. Im vorliegenden Fall sind die AGB der Ast. gleichwohl nicht Vertragsbestandteil geworden. Beide Parteien haben jeweils auf die Geltung ihrer AGB hingewiesen, wobei die Ag. durch die Verwendung des Begriffs "ausschließlich" deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Bedingungen des Vertragspartners nicht akzeptieren werde.
Eine solche Abwehrklausel schließt nicht nur widersprechende, sondern auch ergänzende Klauseln des anderen Teils aus (BGH NJW-RR 2001, 484 zum deutschen Recht); dies gilt auch für die dem CISG unterliegenden Verträge (BGH NJW 2002, 1651; vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer CISG 4.Aufl. Art. 19 Rz. 20). Der insoweit vorliegende Dissens hindert aber nach dem Rechtsgedanken des § 306 BGB die Wirksamkeit des Vertrages nicht, sofern die Parteien den Vertrag wie hier einverständlich durchgeführt haben (BGH a.a.O.; Schlechtriem a.a.O.; siehe auch Palandt/Heinrichs BGB 65. Aufl. § 305 Rz. 55 m.w.N.).
Zu 4. Die Geltung der AGB der Ast. lässt sich auch nicht aus Art. 19 Abs. 2 CISG herleiten, da es sich bei Regelungen zur Beilegung von Streitigkeiten stets um wesentliche Änderungen handelt (Art. 19 Abs. 3 CISG), so dass das Schweigen der Ag. auf die Auftragsbestätigung der Ast. nicht als Einverständnis mit den dort in Bezug genommenen AGB der Ast. zu werten ist.
Dass der vorliegende Vertrag den Regeln des CISG unterliegt, ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 CISG; Art. 28 Abs. 1, 2 EGBGB; sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Niederlande sind dem UN-Übereinkommen vom 11.4.1980 (Convention on Contracts for the International Sale of Goods - CISG) beigetreten.
Die Ast. hat auch nicht dargetan, dass nach niederländischem Recht die alleinige Geltung ihrer AGB anzunehmen wäre. Im Übrigen dürfte niederländisches Recht zur Beantwortung dieser Frage auch nicht heranzuziehen sein, da bei der Prüfung der Voraussetzungen einer wirksamen Einbeziehung von Bedingungen in einen den Regeln des CISG unterfallenden Vertrag ein Rückgriff auf nationales Recht regelmäßig ausscheidet (Schlechtriem a.a.O. Art. 8 Rz. 52).
Zu 5. Eine Heilung des Formmangels hat auch nicht im Rahmen des schiedsrichterlichen Verfahrens stattgefunden. Als Möglichkeit der Heilung kommen eine ausdrückliche Unterwerfungserklärung zu Protokoll des Schiedsgerichts, der in einem Schriftwechsel bei Bestellung des Schiedsgerichts beiderseits zum Ausdruck gebrachte Wille, das Schiedsgericht über die aufgetretene Streitfrage entscheiden zu lassen, oder zumindest eine rügelose Einlassung zur Sache vor dem Schiedsgericht in Betracht (Musielak/Voit § 1031 Rz. 18; MüKo/Gottwald Art. II UNÜ Rz. 16; OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1738 = RKS A 1 Nr. 100). Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben, insbesondere kann die Tatsache, dass die Ag. gegenüber dem Schiedsgericht keine Stellungnahme abgegeben hat, nicht einer rügelosen Einlassung gleichgesetzt werden. Der Einwand einer unwirksamen Schiedsvereinbarung kann nicht ausgeschlossen sein, wenn sich die Partei vor dem Schiedsgericht überhaupt nicht zur Sache geäußert hat (BayObLG a.a.O.).
Nach alledem war dem Schiedsspruch die Anerkennung im Inland zu versagen.