Recht und Steuern

A4a Nr. 84

A4a Nr. 84
Art. IV 1, VII UNÜ, § 1064 ZPO - Vollstreckbarerklärungsverfahren: Vorzulegende Urkunden, Gebot redlicher Prozessführung, Präklusion von Einwendungen. Auslegung unklarer Schiedsklausel: Falsche Bezeichnung des Schiedsgerichts-Trägers unschädlich. Ordre public und Révision au fond
1. Im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs gem. § 1064 ZPO genügt es, wenn eine beglaubigte Urschrift und Übersetzung des Schiedsspruchs vorliegt, die Schiedsvereinbarung aber erst von der Antragsgegnerin in einfacher Ablichtung vorgelegt wird. Dies gilt jedenfalls, wenn die Authentizität der Urkunden unstreitig ist.
2. Es widerspricht dem vor deutschen Gerichten geltenden Gebot redlicher Prozessführung, wenn die Antragsgegnerin einerseits ihre Beteiligungsmöglichkeit bei der Zuständigkeitsprüfung im Schiedsverfahren ausschöpft, die ihr nachteilige Entscheidung nicht durch das zuständige staatliche Gericht überprüfen lässt und sich weiter am Schiedsverfahren in der Hauptsache beteiligt, aber im Stadium der Vollstreckbarerklärung wieder zum Einwand fehlender Schiedsklausel zurückkehrt.
3. Eine falsche Bezeichnung des Trägers des Schiedsgerichts ist unschädlich, wenn nach dem Inhalt der Schiedsvereinbarung nur ein bestimmtes Schiedsgericht in Betracht kommt. Die Vereinbarung einer abschließenden Entscheidung durch "arbitrators" lässt keinen Raum für die Annahme einer diesbezüglichen Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten des in diesem Zusammenhang genannten staatlichen Gerichts. Es kommt daher nicht darauf an, ob dessen Zuständigkeit insoweit überhaupt vereinbar gewesen wäre.
4. Es kann dahinstehen, ob das mit der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs befasste Gericht bei der Prüfung der behaupteten Ordre-public-Widrigkeit wegen des auch in diesem Verfahren geltenden Verbots der "révision au fond" Einschränkungen unterliegt, wenn der Senat nach vollumfänglicher Prüfung der vom Schiedsgericht getroffenen Feststellungen und des Vortrags der Antragsgegnerin der Bewertung des Schiedsgerichts zustimmt: Lässt sich nicht mit Sicherheit klären, ob die lt. Schiedsspruch zu zahlenden Beträge Bestechungsgelder oder (erlaubte) Vermittlungsprovision sind, ist im Zweifel letztere anzunehmen.
OLG Hamm Beschl.v. 27.9.2005 - 29 Sch 1/05; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2006, 107 = RKS A 4 a Nr. 84
Aus dem Sachverhalt:
Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin Zahlung eines "consulting fee" im Zusammenhang mit einem Meerwasserentsalzungsprojekt der Islamischen Republik Iran, gestützt auf eine Vereinbarung vom 26.4.1985, in der es u.a. heisst:
"All disputes arising in connection with this Letter of Commitment shall be settled in accordance with the laws of conciliation and arbitration of the Geneva Chamber of Commerce.
In case of non-settlement, the dispute will be submitted for a final decision to the arbitrators of the Geneva Court of Justice.
The rules of conciliation and arbitration of the said court will be binding for both parties."
Aus den Gründen:
Dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist gem. § 1061 ff. ZPO i.V.m. dem UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II 121) stattzugeben. Die Zuständigkeit des OLG Hamm ergibt sich aus § 1062 Abs. 2 ZPO.
1. Die formellen Antragsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Ast. hat legalisierte Urschriften des Schiedsspruchs vom 28.5.2002 und des Zwischenschiedsspruchs vom 27.8.1999 sowie beglaubigte Übersetzungen vorgelegt. Zwar ist die Urkunde mit der Schiedsklausel erst von der Antragsgegnerin und nur in einfacher Ablichtung eingereicht worden. Das ist jedoch ausreichend, weil die strengeren Anforderungen des Art. IV (1) UNÜ gem. Art. VII UNÜ hinter denen des des § 1064 ZPO zurücktreten (BGH IHR 2003, 298 = RKS A 4 a Nr. 65; BayObLG RIW 2001, 140; Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. Anh. § 1061, Art. IV UNÜ Rd-Nr. 4).Im Übrigen sind die Förmlichkeiten verzichtbar, wenn - wie hier - die Authentizität der vorzulegenden Urkunden unstreitig ist (BGH NJW 2001, 1730 = RKS A 4 a Nr. 50; Thomas/Putzo/Reichold ZPO 26. Aufl. § 1061 Rd-Nr. 6). Demgemäß genügt auch die Übersetzung der Vereinbarung vom 26.4.1985 der übersetzten Fassung des Schiedsspruchs.
2. Der Vollstreckbarerklärung stehen keine Versagungsgründe gem. Art. V UNÜ entgegen. Das Schiedsgericht war auf Grund einer wirksamen Schiedsvereinbarung zur Entscheidung berufen, und deren Vollstreckbarerklärung widerspricht nicht der deutschen öffentlichen Ordnung i.S. d. Art. V (2) b UNÜ. Der Einwand der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Ag. durch Nichtausschöpfung von Beweismöglichkeiten ist ebensowenig begründet wie der Einwand der Sitten- und Gesetzeswidrigkeit der Vereinbarung.
Die Vereinbarung vom 26.4.1985 enthält im Kontext von Rechtswahl- und Zuständigkeitsvereinbarung eine Schiedsklausel.
Das ergibt sich zum einen aus den Feststellungen im Zwischenschiedsspruch vom 27.8.1999 in Anwendung der Auslegungsgrundsätze des schweizerischen Rechts (Art. 18 OR), an der die Ag. sich festhalten lassen muss. Sie hat sich damit einverstanden erklärt und daran mitgewirkt, dass sich ein Schiedsgericht nach Maßgabe der SchiedsO der IHK Genf konstituieren konnte, dass dieses zunächst einen Schlichtungsversuch durchführte und dass es dann in einem Zwischenentscheid über seine Zuständigkeit befand. Das Schiedsgericht hatte also keine Veranlassung, sich auf seine Kompetenz-Kompetenz nach Art. 186 (1) Schweiz.IPR-Gesetz zu berufen. Die Ag. hat anschließend vorbehaltlos zur Sache verhandelt, obwohl ihr die Möglichkeit der Anfechtung des Zwischenschiedsspruchs nach Art. 190 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2b IPRG offen stand. Im Falle eines Vorbehalts wäre für den Ast. von vornherein klar gewesen, dass er im Verfahren der Vollstreckbarerklärung vor den deutschen Gerichten mit einer Prüfung des Einwands fehlender Schiedsvereinbarung rechnen mußte, und er hätte entscheiden können, ob er der Argumentation der Ag. folgend sich an die staatliche Gerichtsbarkeit wenden sollte. Es widerspricht dem im vorliegenden Verfahren vor einem deutschen Gericht geltenden Gebot redlicher Prozessführung (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO Einl. Rd-Nr. 56), wenn die Ag. einerseits ihre Beteiligungsmöglichkeit bei der Zuständigkeitsprüfung im Schiedsverfahren ausschöpft, die ihr nachteilige Entscheidung nicht durch die staatliche Gerichtsbarkeit überprüfen lässt und sich weiter am Schiedsverfahren in der Hauptsache beteiligt, dann aber im Stadium der Vollstreckbarerklärung wieder zum Einwand fehlender Schiedsklausel zurückkehrt (vgl. Senatsbeschluss vom 29.10.2004 - 29Sch/ 1/04).
Soweit die Ag. geltend macht, nach der Neuregelung des Vollstreckbarkeitserklärungsverfahrens durch das SchiedsverfG vom 22.12.1997 komme keine Präklusion mehr in Betracht, (ebenso OLG Schleswig RIW 2000, 706, 708 = RKS A 4 b Nr. 26; BayObLG NJW-RR 2001, 431, 432; OLG Celle IHR 2004, 83, 85 = RKS A 4 a Nr. 69), ist dem entgegenzuhalten, dass es im vorliegenden Fall nicht um den schlichten Nichtgebrauch eines Rechtsmittels bei der für den Schiedsgerichtsort zuständigen staatlichen Gerichtsbarkeit geht, sondern um den Vorwurf unredlichen Prozessverhaltens, wenn nach Mitwirkung bei einem Zwischenverfahren zur Überprüfung des Einwands und anschließender vorbehaltloser Verhandlung zur Hauptsache die Zuständigkeitsrüge erst im Vollstreckbarerklärungsverfahren wieder aufgegriffen wird, so dass der Ast. gar keine Chance hat, dem Einwand durch vorsorgliche Inanspruchnahme der staatlichen Gerichtsbarkeit Rechnung zu tragen. Im Übrigen kann nicht von einer durch Mehrheitsmeinung gesicherten Erkenntnis ausgegangen werden, dass das UNÜ eine Präklusion des Anerkennungsgegners mit der Geltendmachung von Versagungsgründen jedenfalls für Fallgestaltungen wie die vorliegende ausschließt (vgl.z.B. Nagel/Gottwald IZPR 5. Aufl. § 16 Rd-Nr. 121; BGH RIW 2001, 458, 460 zur Obliegenheit rechtzeitiger Rüge der Befangenheit des Schiedsrichters).
Der Zwischenschiedsspruch ist auch nicht zu beanstanden, was in diesem Verfahren nach Maßgabe von § 1061 ZPO i.V.m. dem UNÜ incidenter zu prüfen ist (Geimer IZPR 5. Aufl. Rd-Nr. 3879). Der Einwand der unwirksamen Schiedsvereinbarung (Art. V Abs. 1 c UNÜ) greift insoweit nicht, weil das Einverständnis der Ag. mit dem Zwischenverfahren und ihre Mitwirkung als Einverständnis mit der Tätigkeit des Schiedsgerichts mindestens bis zum Erlass des angekündigten Zwischenschiedsspruchs zu verstehen ist. Aus dessen Anerkennung ergibt sich seine Verbindlichkeit zwischen den Parteien.
3. Der Einwand fehlender Schiedsvereinbarung ist auch in der Sache nicht begründet. Maßgeblich sind nach dem anzuwendenden Schweizer ebenso wie nach deutschem Recht der wirkliche Wille des Erklärenden und die Sicht des Erklärungsempfängers (Schweizer Bundesgericht BGE 116i I56, 58; BGE 129 III 675, 680). Der Ast. hat die Passage als Schiedsklausel verstanden und das konnte er auch. Die Verweisung auf eine abschließende Entscheidung von "arbitrators" lässt keinen Raum für die Annahme, es handele sich um eine Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten staatlicher Gerichte.
Es kommt daher nicht darauf an, ob die Zuständigkeit der Cour de Justice in Genf angesichts ihrer primären Funktion als Berufungsgericht überhaupt vereinbar gewesen wäre. Die falsche Bezeichnung des Trägers der Schiedsgerichtsbarkeit ist unschädlich, weil eine andere Institution als die IHK Genf im Jahre 1985 bei Abschluss der Vereinbarung nicht in Betracht kam. Auch bei Einleitung des Schiedsverfahrens im Jahre 1998 hat die Ag. nicht den Einwand der mangelnden Bestimmtheit des Schiedsgerichts wegen der Existenz des International Commercial and Industrial Arbitration Court erhoben. Zu der Zweistufigkeit des Verfahrens mit Schlichtung und Schiedsverfahren ist es tatsächlich gekommen. Solche Zweistufigkeit ist eine häufige Erscheinung in Schiedsverfahren; dagegen ist es äußerst ungewöhnlich, eine Schlichtung nach Schiedsverfahrensrecht mit einer abschließenden Entscheidung durch ein staatliches Gericht zu verbinden. Soweit die unfachmännische Formulierung Interpretationsbedarf aufwarf, stand der geltungserhaltenden Interpretation, wie sie das Schiedsgericht praktiziert hat, nichts entgegen (BGE 116 IA 58;BGE 129 III 675; BGE 130 III 66, 72; Wenger, in Honsell/Vogt/Schnyder Kommentar zum Schweizer Privatrecht: Internat.Privatrecht, Basel/Frankfurt 1996, Art. 178 Rz. 50). Die Klausel hat keine nichtigkeitsanfälligen Teile, so dass es gar nicht darauf ankommt, dass nach Art. 20 OR abweichend vom deutschen Recht die Regelvermutung zur Restgültigkeit und nicht zur Gesamtnichtigkeit führt.
4. Die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs widerspricht nicht der deutschen öffentlichen Ordnung i.S.v. Art. V (2) b UNÜ.... Zwar ist der Bestechungseinwand grundsätzlich geeignet, den Vorwurf der Ordre-public-Widrigkeit zu rechtfertigen (OLG Hamburg 12.3.1998 IPR-Rspr.1999 Nr. 178; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22. Aufl. Anhang § 1061 Rd-Nr. 143). Doch schon der Sachvortrag der Ag. dazu ist ungenau. Die Behauptung, der Schiedsspruch verurteile zur "Zahlung von Bestechungsgeldern", geht am unstreitigen tatsächlichen Geschehensablauf vorbei; denn selbst die Ag. behauptet nicht, dass der Ast. mit dem Geld auf Bestechungszusagen beruhende Schulden begleichen muss. Der Einwand der Ag. kann also allenfalls dahingehend verstanden werden, dass die dem Ast. zugesagte Vergütung zu einem wesentlichen Teil Aufwendungsersatz für von ihm durchgeführte Bestechungen/Schmierungen enthält oder die Vergütung zum Zwecke von Bestechungen bestimmt war, zu denen es - aus welchen Gründen auch immer - nicht gekommen ist. ... Das Schiedsgericht ist dem Korruptionsvorwurf unter der Prämisse nachgegangen, dass ein auf Korruption abzielender Vertrag wegen des widerrechtlichen oder gegen die guten Sitten verstoßenden Inhalts nichtig ist. Das Schiedsgericht hat festgestellt, dass nur der Zeuge S. dazu eindeutige Angaben gemacht habe, die aber allenfalls einen Hinweis auf einschlägige Absichten der Parteien geboten hätten. Darüber hinaus könne das Geheimhaltungsinteressse darauf hindeuten, dass es eine Korruptionsabsicht zu verbergen gab. Das Schiedsgericht ist dann an Hand verschiedener Kriterien dem Korruptionseinwand weiter nachgegangen, und zwar bezüglich der unbestimmten Umschreibung des Ast. zu der von ihm erwarteten und ausgeübten Tätigkeiten und zu deren Dauer sowie an Hand der Höhe des Honorars und der späten Einleitung des Schiedsverfahrens zur Durchsetzung der Ansprüche.
Es kann dahinstehen, ob das mit der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs befasste Gericht bei der Prüfung des materiellrechtlich begründeten Einwands der Ordre-public-Widrigkeit wegen des auch in diesem Verfahren geltenden Verbots der "révision au fond" Einschränkungen unterliegt (OLG Hamburg IPRspr. 1999 Nr. 178 ), weil der Senat nach vollumfänglicher Prüfung der vom Schiedsgericht getroffenen Feststellungen und des Vortrags der Ag. im vorliegenden Verfahren der Bewertung des Schiedsgerichts zustimmt. Die Ag. hat im Vollstreckbarerklärungsverfahren keine Beweisanträge gestellt, die über die vom Schiedsgericht erhobenen Beweise hinausgehen ... Der Zeuge S. ist vom Schiedsgericht - wie das Wortprotokoll ausweist - ausführlich vernommen worden. Zur erneuten Vernehmung besteht kein Anlass, zumal die Ag. keinerlei Unzulänglichkeiten der schiedsgerichtlichen Beweisaufnahme geltend macht. ...
Der vom Schiedsgericht zugrundegelegte Prüfungsmaßstab unterscheidet sich nicht von dem für die Prüfung der Ordre-public-Widrigkeit durch den Senat anzulegenden Maßstab. Dass die vom Ast. erwartete Tätigkeit recht vage geblieben ist, ist auch deshalb wertneutral, weil man auf Seiten der Ag. offensichtlich ganz genau wußte, was man vom Ast. erwartete; dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen L. betr. wiederholte Beschwerden des operativ führenden Dr. K. über die Untätigkeit des Ast. Der Zeuge L. hat den Ast. in seiner durch die Vereinbarung bedingten Funktion als "advisor, consultant" oder "assistent" bezeichnet. Die von der Ag. aus dem Wortlaut der Vereinbarung gezogenen Schlüsse sind reine Spekulation. Im Hinblick auf die Angaben des Zeugen L., dass Vereinbarungen, die die Einflussnahme auf Geschäftspartner in orientalischen Ländern zum Gegenstand haben, höchst vertraulicher Natur und grundsätzlich nur mündlich zu treffen sind, spricht die Schriftlichkeit der Vereinbarung eher gegen den von der Ag. beanspruchten indiziellen Aussagewert einzelner Formulierungen. Es gibt auch kein hinreichend beweiskräftiges Indiz aus der Höhe des dem Ast. zugesagten Betrages. Die Ag. wollte zum einen Ansprüche bis zu 200 Mio DM abwehren, zum anderen im Iran-Geschäft bleiben. Das kann auch ein Beraterhonorar von 3 Mio DM rechtfertigen. Beide Ziele sind erreicht worden, wenngleich streitig ist, wie viel der Ast. dazu beigetragen hat. Lässt sich - wie häufig - nicht mit hinreichender Sicherheit klären, ob es sich um die Erstattung planmäßig verausgabter oder zu verausgabender Bestechungsgelder oder um eine Vermittlungsprovision handelt, ist im Zweifel von einer erlaubten Vermittlungsprovision auszugehen (Stein/Jonas/Schlosser Anh. § 1061 Rd-Nr. 140).