Recht und Steuern

A4a Nr. 86

A4a Nr. 86
§§ 1059 Abd. 3 S. 3, 1061 ZPO, Art. II - V, VII UNÜ - Vollstreckbarkeitserklärung ausländischen Schiedsspruchs (ICC-Schiedsgericht in der Schweiz). Schiedsspruchberichtigung, Aufrechnung, Präklusion
1. Nach geltendem Schiedsverfahrensrecht (§ 1061 ZPO) können - ebenso wie nach überkommener Rechtsprechung - Anerkennungsverweigerungsgründe im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn eine zulässige und inhaltlich einschlägige Aufhebungsklage im Herkunftsstaat des Schiedsspruchs nicht verfristet ist. Zwar verweist § 1061 ZPO auf das UNÜ, das unter den Versagungsgründen in Art. V keine Präklusionsregelung enthält. Das UNÜ verhindert aber keine anerkennungsfreundlichere Praxis nationalen Rechts. § 1059 Abs. 3. S. 3 ZPO geht gegenüber deutschen Schiedssprüchen von einer Präklusion nach versäumtem Aufhebungsverfahren aus; im Interesse der Rechtssicherheit soll ausländischen Präklusionsregeln in gleicher Weise Geltung verschafft werden.
2. Staatlichen Gerichten kann im Vollstreckbarerklärungsverfahren u.U. eine Implementierung unbestimmter Titel oder die Richtigstellung offenkundiger formaler Irrtümer erlaubt sein, aber keine Ergänzung eines Schiedsspruchs entgegen einem ausdrücklichen Beschluss des Schiedsgerichts.
3. Die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzung, die im Falle ihres Bestehens unter die Schiedsklausel fallen, ist vor staatlichen Gerichten ausgeschlossen. Dies gilt auch für das Vollstreckbarerklärungsverfahren.
OLG Karlsruhe Beschl.v. 3.7.2006 - 9 Sch 1/06; Internationales Handelsrecht (IHR) 2006, 263 = RKS A 4 a Nr. 86
Aus dem Sachverhalt:
Die Gläubigerin beantragt Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs der Internationalen Handelskammer, der am 5.9.2005 in Genf als Ort des Schiedsgerichts ergangen ist. Die Schuldnerin hatte Berichtigung des Schiedsspruchs verlangt, weil das Schiedsgericht im Tenor die Zug um Zug gegen die Zahlung seitens der Gläubigern zu erbringende Gegenleistung vergessen habe. Mit Beschluss vom 24.12.2005 wies das Schiedsgericht den Berichtigungsantrag zurück.
Die Schuldnerin beantragt, den Antrag der Gläubigerin zurückzuweisen, hilfsweise den Schiedsspruch dahin zu berichtigen, dass Zahlung geschuldet sei Zug um Zug gegen Rückgewähr alles dessen, was die Gl. im Rahmen der vertragsgegenständlichen Entwicklungsarbeiten an den Motoren erhalten habe, hilfsweise Zug um Zug gegen Leistung von Gegenständen lt. Liste. Sie rechne auf mit Schadensersatzansprüchen aus vertragsverletzender Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen an Dritte. Das Gericht könne und müsse im Vollstreckbarerklärungsverfahren offensichtliche Lücken des Tenors von Schiedssprüchen durch Berichtigung oder Ergänzung schließen. Das Schiedsgericht habe das rechtliche Gehör der Schuldnerin verletzt, relevanten Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und angebotene Zeugen nicht gehört.
Aus den Gründen:
Der zulässige Antrag der Gläubigerin ist begründet (§ 1061 Abs. 1 ZPO iVm. Art. III und IV UNÜ). Denn die Schuldnerin kann sich weder auf Anerkennungsverweigerungsgründe (Art. V Abs. 1b, Abs. 2a UNÜ) noch auf anstehende Ergänzung oder Berichtigung, noch auf Aufrechnung berufen.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt Beschl.v. 27.3.2006 - 9 Sch 2/05) ist die Sch. mit ihrer Berufung auf Anerkennungsverweigerungsgründe präkludiert, weil sie ihre fristgemäße Geltendmachung im schweizerischen Aufhebungsverfahren versäumt hat. Nach überkommener Rechtsprechung können Anerkennungsverweigerungsgründe im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn eine zulässige und inhaltlich einschlägige Aufhebungsklage im Herkunftsstaat des Schiedsspruchs nicht verfristet ist (wohl zuletzt BGH NJW-RR 2001, 1059f = IHR 2001, 163 = RKS A 4 a Nr. 56). Zwar ist unter Geltung des neuen § 1061 ZPO die Fortgeltung dieser Rechtsprechung bestritten (Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. 2005 § 1061 Rd-Nr. 29; BayObLG NJW-RR 2001, 431 = IHR 2001, 123 = RKS A 4 a Nr. 63; Schleswig RIW 2000, 706 = IHR 2001, 125 = RKS A 4 b Nr. 26), weil Art. V UNÜ keine Regelung eines Rügeverlustes enthalte. Eine restriktive Handhabung von Anerkennungsversagungsgründen verwehrt den deutschen Gerichten aber weder die völkervertragliche Geltung des UNÜ noch seine Geltung als einfaches Recht auf Grund des Verweises in § 1061 ZPO. Das UNÜ verhindert keine anerkennungsfreundlichere Praxis nationalen Rechts (dazu Art. VII Abs. 1 UNÜ). Die teleologische Reduktion nationalen Rechts steht den Gerichten aber nach wie vor frei, so dass alle Gründe auch unter der neuen Regelung fortbestehen, die eine Präklusion unter altem Recht gerechtfertigt haben (so insbes. MüKomm/Münch ZPO 2. Aufl. 2001, § 1061 Rn. 7; Thomas/Putzo/Reichold 27. Aufl. 2005 §1061 Rd-Nr. 6; Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. 2005, § 1061 Rd-Nr. 20; OLG Stuttgart Beschl.v. 14.10.2003 - 1 Sch 16/02 und 6/03; OLG Hamm SchiedsVZ 2006, 107, 108 = RKS A 4 a Nr. 84). Bei deutschen Schiedssprüchen geht die Neuregelung eindeutig von einer Präklusion bei versäumtem Aufhebungsverfahren aus (§ 1059 Abs. 3 S. 3 ZPO), ausländischen Präklusionsregelungen sollte deshalb in gleicher Weise Geltung verschafft werden, um dem Gedanken der Rechtssicherheit durch Schiedssprüche möglichst Rechnung zu tragen.
Im Streitfalle war entsprechend Art. 12 ICC-Schiedsgerichtsordnung Genf als Ort des Schiedsverfahrens bestimmt worden, so dass nach Art. 176 Abs. 1 Schweizer IPRG der Schiedsspruch beim schweizerischen Bundesgericht binnen 30 Tagen nach Eröffnung (Art. 89 OG - Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege) angefochten werden konnte (Art. 191 Abs. 1 Schweizer IPRG). Die Anfechtungsgründe umfassen u.a. den Fall, dass ein Rechtsbegehren vom Schiedsgericht nicht entschieden ist (Art. 190 Abs. 1 c IPRG), und Gehörsverletzungen (Art. 190 Abs. 1 d IPRG). Die Sch. hätte damit im Anfechtungsverfahren fristgemäß vortragen können, dass über ihren - stillschweigenden - Zug-um-Zug-Antrag nicht entschieden sei und dass ihr Gehör durch Versiegelung von Schriftsätzen und Ablehnung von Beweisanträgen verletzt sei. Wenn sie dies - was unstreitig ist - versäumt hat, ist sie nunmehr präkludiert. Im übrigen war es auch sehr zweifelhaft, ob Anfechtungsgründe tatsächlich gegeben wären, mag der Schiedsspruch auch von einer schiedsrichterlichen Zurückhaltung beim Hinweis auf sachgerechte Antragstellung und eine strenge Präklusion geprägt sein. Im Zweifel müssen dies die Parteien in Kauf nehmen, wenn sie die Schiedsgerichtsbarkeit eigens wählen.
2. Eine Anerkennung unter Berichtigung oder Ergänzung kommt nicht in Betracht. Einmal muss insoweit dieselbe Präklusionsregel gelten wie für die Nichtanerkennungsgründe. Zum anderen mag staatlichen Gerichten im Vollstreckbarerklärungsverfahren zwar u.U. eine Implementierung unbestimmter Titel oder die Richtigstellung offenkundiger formaler Irrtümer erlaubt sein (Zöller/Geimer a.a.O. § 722 Rd-Nr. 58 ff und § 1060 Rd-Nr. 12), aber keine Ergänzung entgegen einem ausdrücklichen Beschluss des Schiedsgerichts selbst (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7.Aufl. 2005 Kap. 28 Rd-Nr. 7).
3. Die Aufrechnung mit Schadensersatzforderungen aus vertragsverletzender Weitergabe von Geheimnissen ist ebenfalls ausgeschlossen. Solche Ansprüche fallen unter die Schiedsklausel im Agreement der Parteien vom 8.1.2001, die alle "disputes arising ... in connection with this Agreement" umfasst. Sie können staatlichen Gerichten nicht zur Entscheidung unterbreitet werden (BGH 22.11.1962 BGHZ 38, 254, 257ff; Schwab/Walter a.a.O. Kap. 3 Rd-Nr. 13 m.Nachw.), was auch im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens gilt (zutreffend Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. 2005 § 1060 Rd-Nr. 12).