Recht und Steuern

A 4a Nr. 121

Art. V UNÜ – Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs des Internationalen Handelsschiedsgerichts (IHSG) bei der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation. Unterlassene Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts über seine Zuständigkeit. Mitwirkung eines angeblich befangenen Schiedsrichters, Einfluss auf die Entscheidung. Aufrechnung mit schiedsbefangener Gegenforderung
1. Ein Grund gem. Art. V Abs. 1 e UNÜ für die Versagung der Vollstreckbarerklärung liegt nicht vor, wenn der Antragsgegner gegen den Schiedsspruch im Ursprungsland nicht fristgerecht Rechtsmittel eingelegt hat.
2. Ein Verstoß gegen den ordre public international folgt noch nicht daraus, dass das ausländische Schiedsgericht eine Zwischenentscheidung über seine Zuständigkeit unterlassen und im Schiedsspruch darüber und zugleich in der Sache entschieden hat, selbst wenn eine derartige Zwischenentscheidung nach der Verfahrensordnung des Schiedsgerichts möglich ist. Dies widerspricht weder international kodifizierter Rechtsauffassung noch deutschem Recht.
3. Die Befangenheit eines Schiedsrichters kann sich im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs nur auswirken, wenn entweder die benachteiligte Partei nach dem maßgebenden ausländischen Recht ihretwegen die Aufhebung des Schiedsspruches noch verlangen könnte oder die Anerkennung des Schiedsspruchs ihretwegen zu einem Ergebnis führte, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Letzteres ist zu verneinen, wenn die Befangenheit im Ursprungsstaat des Schiedsspruchs vor einem staatlichen Gericht geltend gemacht werden konnte, das im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen entscheidet, die nach deutschem Recht für die Berücksichtigung der Befangenheit gelten. Nur wenn dies nicht möglich war oder ohne Erfolg versucht worden ist, kann zur Prüfung gestellt werden, ob die Anerkennung des Schiedsspruchs aus diesem Grund zu einem Ergebnis führen wird, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.
4. Darüber hinaus muss sich der in der Mitwirkung eines befangenen Schiedsrichters liegende Verstoß gegen das Gebot überparteilicher Rechtspflege im schiedsrichterlichen Verfahren konkret ausgewirkt haben; es muss nachgewiesen sein, dass der befangene Schiedsrichter gegenüber einer Partei voreingenommen war und sich bei seiner Entscheidung hiervon hat leiten lassen. Dies gilt umso mehr, als die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs dem weniger strengen Regime des ordre public international unterliegt.
5. Mit einem schiedsbefangenen Gegenanspruch kann im Vollstreckbarerklärungs-verfahren erst aufgerechnet werden, nachdem das Schiedsverfahren mit einem abschließenden Schiedsspruch über diesen schiedsbefangenen Anspruch beendet worden ist.
OLG Hamm Beschl. v. 28.11.2008 – 25 Sch 8/08; IHR 2010, 84 = RKS A 4 a Nr. 121
Aus den Gründen:
Der Vollstreckbarerklärung stehen keine Versagungsgründe gem. Art V UNÜ entgegen.
Wegen der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Versagungsgründe nach Art. V Abs. 1 UNÜ spricht viel dafür, dass die AGg. insoweit bereits präkludiert ist, weil sie dieselben Einwände bereits erfolglos in drei Instanzen im Aufhebungsverfahren im Ursprungsland des Schiedsspruchs, also in Russland, geltend gemacht hat (für eine Präklusion Adolphsen in MünchKomm ZPO 3. Aufl. 2008, § 1061 Anh. 1 UNÜ Art. V Rd-Nr. 12; Voit in Musielak ZPO 6. Aufl. 2008, § 1061 Rd-Nr. 20 m. w. N.). Dies kann letztlich aber dahinstehen, weil Versagungsgründe i.S.d. Art. V Abs. 1 UNÜ von der AGg. nicht bewiesen sind.
1.
Die AGg. hat nicht bewiesen, dass ein Versagungsgrund nach Art. V Abs. 1 e UNÜ vorliegt. Vielmehr folgt aus § 44 Abs. 1 der Schiedsordnung des Internationalen Handelsschiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation (IHSG), dass der am 17.12.2007 erlassene Schiedsspruch ab dem Tage seines Erlasses endgültig und verbindlich ist. Die AGg. hat zudem den ausländischen Schiedsspruch im Ursprungsland nicht angegriffen. Unabhängig davon, ob Art. 230 der Schiedsverfahrensordnung der Russischen Föderation oder Art. 34 des Gesetzes Nr. 5338-1 vom 14.8.1993 eingreift, ist jedenfalls mittlerweile die Frist hierfür verstrichen. Dass aber das ausländische Recht womöglich noch mit dem Aufhebungsantrag gem. § 1059 ZPO vergleichbare Aufhebungsmöglichkeiten eröffnen sollte, steht der Annahme eines verbindlichen Schiedsspruchs i.S.d. Art. V Abs. 1 e UNÜ ohnehin nicht entgegen (BGH NJW 1988, 3090, 3091; NJW 2007, 772, 774 = IHR 2006, 125 = RKS A 4 b Nr. 37). Ebenso wenig hat die AGg. den Beweis für das Vorliegen eines Versagungsgrundes i.S. von Art. V Abs. 1 c UNÜ erbracht. Denn sie hat nicht nachgewiesen, dass das Internationale Handelsschiedsgericht unzuständig war.
Die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs widerspricht nicht der deutschen öffentlichen Ordnung i.S.d. Art. V Abs. 2 b UNÜ.
2.
Ein Verstoß gegen den ordre public international folgt nicht daraus, dass das russische Schiedsgericht eine Zwischenentscheidung über seine Zuständigkeit unterlassen und sogleich in der Sache entschieden hat, selbst wenn eine derartige Zwischenentscheidung nach der Verfahrensordnung des Schiedsgerichts (wie lt. § 2 Abs. 4 S. 2 IHSG-Verfahrensordnung) möglich ist. Dies widerspricht weder international kodifizierter Rechtsauffassung, noch ist dies dem deutschem Recht fremd (BGH NJW 2007, 772, 775 = IHR 2006, 125 = RKS A 4 b Nr. 37).
3.
Ferner begründet die Mitwirkung des Schiedsrichters K. keinen kausalen Verstoß gegen den (verfahrensrechtlichen) ordre public (international) i.S.d. Art. V Abs. 2 b UNÜ. Die Befangenheit eines Schiedsrichters kann sich im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs nur auswirken, wenn entweder die benachteiligte Partei nach dem maßgebenden ausländischen Recht ihretwegen die Aufhebung des Schiedsspruches noch verlangen könnte (BGHZ 52, 184, 189 = HSG A 4 a Nr. 8) oder die Anerkennung des Schiedsspruchs ihretwegen zu einem Ergebnis führte, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (BGH NJW-RR 2001, 1959, 1960 = IHR 2001, 163 = RKS A 4 a Nr. 56). Letzteres ist zu verneinen, wenn die Befangenheit im Ursprungsstaat des Schiedsspruchs vor einem staatlichen Gericht geltend gemacht werden konnte, das im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen entscheidet, die nach deutschem Recht für die Berücksichtigung der Befangenheit gelten (BGH NJW-RR 2001, 1059, 1060 = IHR 2001, 163 = RKS A 4 a Nr. 56). Nur wenn dies nicht möglich war oder ohne Erfolg versucht worden ist, kann zur Prüfung gestellt werden, ob die Anerkennung des Schiedsspruchs aus diesem Grund zu einem Ergebnis führen wird, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.
4.
Darüber hinaus muss sich der in der Mitwirkung eines befangenen Schiedsrichters liegende Verstoß gegen das Gebot überparteilicher Rechtspflege im schiedsrichterlichen Verfahren konkret ausgewirkt haben; es muss nachgewiesen sein, dass der befangene Schiedsrichter gegenüber einer Partei voreingenommen war und sich bei seiner Entscheidung hiervon hat leiten lassen (BGH NJW-RR 2001, 1059, 1060 = IHR 2001, 163 =RKS A 4 a Nr. 56; BGHZ 98, 70, 75 = RKS A 4 b Nr. 17 zu Art. V Abs. 2 b UNÜ). Dies gilt umso mehr, als die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs dem weniger strengen Regime des ordre public international unterliegt (BGHZ 98, 70, 73 = RKS A 4 b Nr. 17 und BGHZ 110, 104, 106 = RKS A 4 a Nr. 29).
Hiernach kann dahinstehen, ob der Umstand, dass der Schiedsrichter K. einen Vortrag auf einer Konferenz gehalten hat, die nach Aussage der AGg. von den russischen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin in der Hauptsache finanziert oder – wie diese einwendet – lediglich organisatorisch unterstützt worden ist, den Schluss auf eine nicht hinreichende Unparteilichkeit des Schiedsrichters K. begründet. Denn selbst bei Annahme seiner Befangenheit ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass sich der unterstellte Verstoß gegen das Gebot überparteilicher Rechtspflege im schiedsrichterlichen Verfahren konkret auf seine Entscheidung ausgewirkt hat. Es ist nicht erkennbar, dass der Schiedsrichter K. gegenüber einer Partei voreingenommen war und sich bei seiner Entscheidung hiervon hat leiten lassen.
5.
Jedenfalls wegen der Schiedsbefangenheit kann die AGg. im vorliegenden Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht mit behaupteten (keineswegs substantiiert dargelegten) Gegenansprüchen aus dem Rahmenvertrag aufrechnen (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Aufrechnung bei nicht schiedsbefangener Gegenforderung: BGH SchiedsVZ 2008, 40, 43 = RKS A 4 a Nr. 102). Denn bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ist die Schiedsbefangenheit der Gegenforderung nicht entfallen, da die AGg. weder vorgetragen hat noch Hinweise darauf ersichtlich sind, dass das Schiedsverfahren in der Schweiz durchgeführt und mit einem abschließenden Schiedsspruch über den schiedsbefangenen Anspruch beendet worden ist (vgl. BGH NJW-RR 2008, 556, 557 = IHR 2008, 64 = RKS A 1 Nr. 156).