Recht und Steuern

A4a Nr.48

A4a Nr.48
§§ 916, 917, 929 Abs. 3, 1063 Abs. 3 ZPO Rechtsschutzbedürfnis für einen Arrest trotz Vorliegens eines vorläufig vollstreckbaren ausländischen Schiedsspruchs
Der Arrestanspruch gemäß § 916 ZPO kann durch einen Schiedsspruch glaubhaft gemacht werden.
Als zureichender Arrestgrund ist es gemäß § 917 Abs. 2 ZPO anzusehen, wenn das Urteil im Ausland vollstreckt werden müsste. Dies gilt entsprechend für einen Schiedsspruch. Diese Vorschrift sichert aber nur die Vollstreckung inländischer Titel. Ein russischer Schiedsspruch ist ein ausländischer Titel, auch wenn er durch ein deutsches Gericht gemäß § 1063 Abs. 3 ZPO vorläufig vollstreckbar erklärt worden ist.
Auf Grund des vorläufig vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs kann der Gläubiger grundsätzlich dieselben Sicherungsmaßnahmen vornehmen wie auf Grund eines Arrestes, so dass für diesen kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
Trotz dieser hinsichtlich des Sicherungsumfangs grundsätzlichen Gleichwertigkeit des gemäß § 1063 Abs. 3 ZPO vorläufig vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs und des Arrestes besteht das Rechtsschutzbedürfnis, wenn letzterer dem ausländischen Schuldner fristgerecht gemäß § 929 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu Händen seines für das Arrestverfahren (aber nicht für das Verfahren gemäß § 1063 ZPO) bestellten inländischen Prozessbevollmächtigten zugestellt werden kann, während der Beschluss des OLG gemäß § 1063 Abs. 3 ZPO im Ausland zugestellt werden muss; die mit der Zustellung im Ausland verbundenen Risiken sind ein Arrestgrund i.S.d. § 917 Abs. 1 ZPO.
LG Stralsund Urteil vom 11.10.2000 - 1 S 19/00; Hamburger Seerechts-Report 2000 S. 162 = RKS A 4 a Nr. 48
Aus dem Sachverhalt:
Ein Gläubiger hatte wegen seiner Ansprüche gegen den in der Russischen Föderation ansässigen Reeder eines Schiffes einen Schiedsspruch der Handels- und Industrie­kammer zu Moskau erwirkt. Als das Schiff in Stralsund lag, beantragte der Gläubiger beim OLG Rostock die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Das OLG erließ einen Beschluss nach § 1063 Abs. 3 ZPO, der dem Gläubiger erlaubte, die Zwangs­vollstreckung aus dem Schiedsspruch zu betreiben. Der Gläubiger erwirkte nunmehr vor dem Amtsgericht Stralsund einen Arrestbefehl und Pfändungsanordnung gegen den Reeder und pfändete das Schiff. Der Reeder beauftragte in der Bundes­republik ansässige Prozess­bevoll­mächtigte, allerdings nur für das Arrest­verfahren beim Amtsgericht Stralsund, nicht für das Vollstreckbarerklärungsverfahren beim OLG Rostock. Auf den Widerspruch des Reeders bestätigte das AG Stralsund den Arrest. Das Landgericht bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts.
Aus den Gründen:
Der Gläubiger hat einen Arrestanspruch nach § 916 ZPO durch Vorlage des Schieds­spruchs dargelegt und glaubhaft gemacht. Dasselbe gilt für den Arrestgrund nach § 917 ZPO. Ein Arrestgrund ist nicht schon deshalb gegeben, weil der Schieds­spruch nach § 917 Abs. 2 ZPO im Ausland vollstreckt werden müsste, da diese Vorschrift nur die Voll­streckung inländischer Titel sichert. Der russische Schiedsspruch ist aber ein aus­ländischer Titel, auch wenn er durch den Beschluss des OLG Rostock nach § 1063 Abs. 3 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt worden ist.
Im vorliegenden Fall ist aber ein Arrestgrund nach § 917 Abs. 1 ZPO gegeben. Das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers fehlt nicht deshalb, weil er mit dem vorläufig vollstreckbar erklärten Schiedsspruch eine dem Arrest gleichwertige Sicherheit habe. Grundsätzlich ist bei Vorliegen eines rechtskräftigen oder vorläufig ohne Sicherheits­leistung vollstreckbaren Titels das Sicherungsbedürfnis nicht mehr gegeben, weil der Gläubiger sich mit dem Titel durch sofortige Zwangs­vollstreckungs­maßnahmen befriedigen kann. Zwar liegt für das Inland mit dem ausländischen Schiedsspruch noch kein Titel vor, aus dem die sofortige Zwangsvollstreckung ohne Einschränkungen betrieben werden könnte. Die Anerkennung des Titels durch das OLG Rostock ist noch nicht erfolgt, so dass nur vorläufige, sichernde Maßnahmen vorgenommen werden dürfen. Der Gläubiger hat damit aber grundsätzlich auch die Möglichkeit, das im Hafen von Stralsund liegende Schiff im Wege der Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen zu pfänden. Analog § 930 Abs. 3 ZPO hätte die Arrestklägerin damit auch die Möglich­keit gehabt, bei einem drohenden Wertverlust während der Zeit der Pfändung oder bei hohen Aufbewahrungskosten die Sache selbst zu versteigern und den Erlös weiter durch Hinterlegung zu sichern.
Trotz dieser hinsichtlich des Sicherungsumfangs grundsätzlichen Gleichwertigkeit zwischen dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Schiedsspruch nach § 1063 ZPO und der Anordnung eines Arrests besteht im vorliegenden Fall das Sicherungsbedürfnis weiter. Zum Zeitpunkt der Bestätigung des Arrests durch das Amtsgericht haben sich in dem Arrestverfahren bereits die Prozessbevollmächtigten des Reeders angezeigt, so dass die weitere Vollziehung des Arrestes, insbesondere die Zustellung des Arrest­befehls an den Reeder nach § 929 Abs. 3 ZPO, ohne Probleme erfolgen kann. Die Gefahr, dass die Vollziehung letztlich nach § 929 Abs. 3 S. 2 ZPO wirkungslos ist, weil die Zustellung des Arrest­befehls scheitert, ist damit beim Arrest nicht mehr gegeben. Etwas anderes gilt aber für den Beschluss des OLG Rostock. In diesem Verfahren haben sich inländische Prozess­bevoll­mächtigte bisher nicht angezeigt. Die Auslands­zustellung des Beschlusses ist zwar eingeleitet worden, ob sie aber letztlich erfolgen kann, ist bis heute ungewiss. Auf Grund dieser Unsicherheit hinsichtlich der Zustell­barkeit ist ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis weiter gegeben.