Recht und Steuern

A4a Nr.53

A4a Nr.53
§§ 767, 1059, 1060, 1062 ZPO - Aufrechnung gegen Schiedsspruch im Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach neuem Schiedsverfahrensrecht
Auch nach neuem Schiedsverfahrensrecht kann die Aufrechnung gegen einen im Schiedsspruch titulierten Anspruch im Vollstreckbarerklärungsverfahren geltend gemacht werden; dies muß nicht mittels Vollstreckungsabwehrklage geschehen (entgegen Bay ObLG Beschl.v. 12.4.2000 - 4Z Sch 2/00 - RKS A 4 a Nr. 54).
OLG Hamm Urt.v.20.6.2001 - 8 Sch 2/00; NJW-RR 2001 S. 1362 = RKS A 4 a Nr. 53
Aus den Gründen:
Allerdings hat das BayObLG in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGHZ 34, 274 [ 277f. ] = NJW 1961, 1067; BGH WM 1990, 1766 = RKS A 4 a Nr. 30; NJW-RR 1997, 1289 = WM 1997, 1720 = RKS A 4 a Nr. 40) die Berücksichtigung der Aufrechnung unter Hinweis auf die Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts abgelehnt (BayObLGZ 2000, 124 = BB 2000, 1109 = MDR 2000, 968 m.zust.Anm. Weigel = RKS A 4 a Nr. 54). Zur Begründung hat es im wesentlichen angeführt, die neugeschaffene Eingangszuständigkeit bei den Oberlandesgerichten bzw. dem BayObLG führe nach dem Verfahren über die Vollstreckbarerklärung zu keiner weiteren Tatsacheninstanz, sondern erlaube nur noch die revisionsrechtlich ausgestaltete Rechtsbeschwerde zum BGH und habe daher im Hinblick auf zur Aufrechnung gestellte Gegenansprüche den Verlust einer Tatsacheninstanz zur Folge. Durch die Berücksichtigung von materiellen Einwendungen - die in der Regel mit umfangreichen und zeitraubenden Beweiserhebungen verbunden seien - würde zudem die gesetzgeberische Absicht der Vereinfachung und Straffung des gerichtlichen Verfahrens unterlaufen.
Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Zunächst ist das Hauptargument, daß die Berücksichtigung der Aufrechnung im Vollstreckbarerklärungsverfahren zum Verlust einer Tatsacheninstanz führe, unzutreffend. Richtig daran ist, daß es in diesem Verfahren nur noch eine Tatsacheninstanz gibt. Die Alternative besteht indes darin, den Schuldner mit seiner Aufrechnung in das Verfahren nach § 767 ZPO zu verweisen. Nach dem neuen Schiedsverfahrensrecht gibt es aber auch für dieses Verfahren nur noch eine Tatsacheninstanz, so daß den Parteien eben keine Instanz genommen wird, wenn die Aufrechnung schon im Vollstreckbarerklärungsverfahren berücksichtigt wird. Denn die Vollstreckungsabwehrklage ist gem. § 767 Abs. 1 ZPO beim Prozeßgericht des ersten Rechtszuges zu erheben. Das ist das Gericht des Verfahrens, in dem der Vollstreckungstitel geschaffen worden ist (BGH NJW 1980, 188). Bei Schiedssprüchen wird der Vollstreckungstitel nunmehr in dem Verfahren gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO geschaffen. Der Urteilsspruch, der den Schiedspruch für vollstreckbar erklärt, bildet den Vollstreckungstitel. Deshalb ist die Vollstreckungsabwehrklage in diesen Fällen nunmehr ebenfalls an das Oberlandesgericht zu richten, so daß es auch in diesen Fällen keine zweite Tatsacheninstanz mehr gibt.
Eine Verkürzung des Rechtsschutzes könnte deshalb allenfalls noch darin bestehen, daß in dem Klageverfahren nach § 767 ZPO grundsätzlich eine mündliche Verhandlung erforderlich ist, während dies im Verfahren nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gemäß § 1063 Abs. 1, 2 scheinbar nicht der Fall ist. Jedoch steht die Durchführung der mündlichen Verhandlung außerhalb der Fälle, in denen bereits § 1063 Abs. 2 ZPO die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwingend vorschreibt, im Ermessen des Gerichts, § 1063 Abs. 1 ZPO. Dieses Ermessen wird in der Regel in allen Fällen, in denen nicht nur über die formellen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung zu entscheiden ist, sondern in denen vom Antragsgegner materielle Einwendungen vorgebracht werden, dahingehend auszuüben sein, daß eine mündliche Verhandlung angeordnet wird. So erhalten die Parteien im Falle der Aufrechnung in derselben Weise rechtliches Gehör - in mündlicher Verhandlung in einer Instanz - wie dies im Verfahren nach § 767 ZPO der Fall wäre.
Wollte man vor diesem Hintergrund die Parteien wegen einer Aufrechnung in ein weiteres Verfahren verweisen, das vor demselben Gericht durchzuführen wäre, so liefe dies der gesetzgeberischen Intention bei der Novellierung des Schiedsverfahrensrechts zudem eindeutig zuwider. Denn die mit der Schaffung der Eingangszuständigkeit der Oberlandesgerichte einhergehende Beschneidung des Instanzenzugs im Vergleich zur früheren Rechtslage entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Die Gesetzesbegründung (BT-Dr 13/5274 S. 22-69) zeigt deutlich, daß er nicht nur eben diese Verfahrensverkürzung beabsichtigt, sondern sich eingehend mit den Bedenken auseinandergesetzt hat.
In der Begründung zu § 1062 ZPO-E wird insofern darauf verwiesen, daß das Schiedsgericht mit seiner Entscheidung quasi die Aufgaben einer „ersten Instanz” bereits geleistet habe. Die Eingangszuständigkeit der Oberlandesgerichte erweise sich ferner unter dem vorrangigen Gesichtspunkt einer Entlastung der staatlichen Justiz als die gegenüber einer Eingangszuständigkeit der Landgerichte sinnvollere Lösung (BT-Dr 13/5247 S. 63). Hinzu komme, daß der zu Zwecken der Verfahrensstraffung vorgesehene weitgehende Ausschluß von Rechtsmitteln gegen die Entscheidungen der staatlichen Gerichte nur bei einer Eingangszuständigkeit der Oberlandesgerichte bedenkenfrei, zumindest eher gerechtfertigt erscheine als bei einer mit der Entscheidungsgewalt des Einzelrichters verbundenen Eingangszuständigkeit der Landgerichte (BT-Dr 13/5247 S. 63).
Der Gesetzgeber hat insofern die Verkürzung des Rechtszuges auf eine Tatsacheninstanz in der Abwägung gegenüber den Interessen der Beteiligten an einer beschleunigten Abwicklung des Verfahrens gesehen und sich bewußt für die Kürzung des Instanzenzugs entschieden.
Soweit das BayObLG das Argument der Mehrbelastung der Oberlandesgerichte bei Berücksichtigung von materiellen Einwendungen angeführt hat, überzeugt auch dieses Argument nach Auffassung des Senats nicht. Abgesehen davon, daß die Novellierung des 10. Buches der ZPO eine Entlastung der staatlichen Justiz insgesamt und nicht etwa nur der Oberlandesgerichte im Auge hatte, der Gesetzgeber deshalb eine Gesamtschau aller staatlichen Gerichte zu Grunde gelegt und vor diesem Hintergrund einen für die Oberlandesgerichte entstehenden Mehraufwand bewußt in Kauf genommen hat, würden auch die Oberlandesgerichte noch einmal zusätzlich belastet, wenn die Aufrechnung nur in dem Verfahren nach § 767 ZPO geltend gemacht werden könnte, weil auch dieses Verfahren - wie dargelegt - vor dem Oberlandesgericht geführt werden müßte.
Schließlich gebieten auch systematische Erwägungen nicht die Verweisung des Aufrechnungseinwands in die Vollstreckungsgegenklage. Die Präklusionsvorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO verdeutlicht im Gegenteil, daß der Aufrechnungseinwand frühestmöglich geltend zu machen ist, sobald die Aufrechnungslage besteht.
Nach alledem ist auch nach neuem Recht die Aufrechnung im Vollstreckbarerklärungs-verfahren grundsätzlich möglich.