Recht und Steuern

A4a Nr.54

A4a Nr.54
§§ 767, 1059, 1060, 1062 ZPO Aufrechnung gegen Schiedsspruch im Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach neuem Schiedsverfahrensrecht
Nach neuem Schiedsverfahrensrecht kann die Aufrechnung gegen einen im Schiedsspruch titulierten Anspruch nicht mehr im Vollstreckbarerklärungsverfahren geltend gemacht werden; dies muß mittels Vollstreckungsabwehrklage geschehen (anders OLG Hamm 20.6.2001 8 Sch 2/00 - RKS A 4 a Nr. 53).
BayObLG Beschluss v. 12.4.2000 - 4Z Sch 2/00; NJW-RR 2001, 1363 = MDR 2000, 968 = RKS A 4 a Nr. 54
Aus den Gründen:
Auch vor dem In-Kraft-Treten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes (SchiedsVfG) waren nach dem Wortlaut des Gesetzes materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Anspruch selbst nicht vorgesehen. In § 1042 Abs. 2 ZPO a.F. ist nur bestimmt, dass der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs abzulehnen ist, wenn einer der in § 1041 ZPO a.F. bezeichneten Aufhebungsgründe, die inhaltlich weitgehend mit den Aufhebungsgründen des § 1059 Abs. 2 ZPO n.F. übereinstimmen, vorliegt. Die Zulässigkeit von materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den für vollstreckbar zu erklärenden Schiedsspruch wurde erst von Rechtsprechung und Lehre im Wege der Rechtsfortbildung bejaht. Dies erschien angesichts der damaligen Rechtssituation sinnvoll. Zur Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung waren nämlich ausschließlich die Amts- oder Landgerichte berufen (§ 1045, 1046 ZPO a.F.). Diese Gerichte, denen nach dem Gerichtsverfassungsgesetz grundsätzlich die erstinstanzlichen Entscheidungen obliegen, waren und sind als Prozessgerichte des ersten Rechtszuges auch für die Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage des Schiedsbeklagten zuständig, wenn er sich innerhalb der Grenzen des § 767 Abs. 2 ZPO mit materiellrechtlichen Einwendungen gegen den im Schiedsspruch titulierten Anspruch zur Wehr setzen will. Im Fall der von der Rechtsprechung für die Zulässigkeit materiell-rechtlicher Einwendungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren vorausgesetzten mündlichen Verhandlung hatten Amts- oder Landgerichte ebenso durch Endurteil zu entscheiden (§ 1042a Abs. 1 S. 2 ZPO a.F.), gegen welches nach den allgemeinen Regeln Berufung und Revision eingelegt werden konnte. Die gleiche Entscheidungsform, nämlich Endurteil, und die gleichen Rechtsmittel waren und sind auch für die Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage vorgesehen. Prozessökonomisch war es daher unzweckmäßig, dem Antragsgegner zuzumuten, die Vollstreckbarerklärung hinzunehmen, und ihn wegen seiner Einwendungen auf einen neuen Rechtsstreit nach § 767 ZPO zu verweisen, der ggf. in einem Parallelprozess vor dem gleichen Gericht hätte geführt werden müssen und dessen Entscheidungen mit den gleichen Rechtsmitteln hätten bekämpft werden können wie das im Vollstreckbarerklärungsverfahren ergangene Endurteil.
Nach dem In-Kraft-Treten des neuen Schiedsverfahrensrechts hat sich die prozessuale Ausgangslage jedoch grundlegend verändert. Waren früher die Amts- und Landgerichte für den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zuständig, obliegt nunmehr gem. § 1062 ZPO die Entscheidung ausschließlich den Oberlandesgerichten bzw. in Bayern dem BayObLG. Eine mündliche Verhandlung ist nur geboten, wenn Aufhebungsgründe nach §1059 Abs. 2 ZPO in Betracht kommen. Die Oberlandesgerichte bzw. das Oberste Landesgericht entscheiden über den Antrag auch bei in Betracht kommenden Aufhebungsgründen nach §1059 Abs. 2 ZPO nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss (§ 1063 Abs. 1 ZPO). Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz kein zu einer weiteren Tatsacheninstanz führendes Rechtsmittel, sondern nur noch die unter eingeschränkten Voraussetzungen statthafte, revisionsrechtlich ausgestaltete Rechtsbeschwerde zum BGH vor, die letztlich zu einer Prüfung der Entscheidung auf Rechtsverletzungen führt. Dies hat zur Folge, dass bei Zulässigkeit materieller Einwendungen im Vollstreck­bar­erklärungs­verfahren die Obergerichte, die nach dem Gerichtsaufbau, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur als Rechtsmittelgerichte entscheiden, erstinstanzlich mit materiellen Einwendungen befasst werden würden, die in der Regel - wie auch der vorliegende Fall einer nach Grund und Höhe bestrittenen Aufrechnungsforderung zeigt - mit umfangreichen und zeitraubenden gerichtlichen Beweiserhebungen verbunden sind. Die über den Gegenanspruch getroffene Entscheidung wäre einer weiteren tatrichterlichen Überprüfung nicht zugänglich, was gegenüber dem früheren Rechtszustand den Verlust einer Tatsacheninstanz bedeutete.
Ziel der Reform des Schiedsverfahrensrechts war u.a. eine grundlegende Vereinfachung und Straffung des gerichtlichen Verfahrens, und zwar sowohl im Interesse einer zügigen Beendigung des Schiedsverfahrens als auch einer Entlastung der staatlichen Gerichte (vgl. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 3. Aufl. S. 228). Aus diesem Grund wurde das „zeitraubende und schwerfällige Vollstreckbarerklärungsverfahren” vom Gesetzgeber in ein Beschlussverfahren mit eingeschränktem Instanzenzug umgestaltet (BT-Dr 13/5274 S. 62/63). Die Eingangszuständigkeit der Oberlandesgerichte, die Einführung eines einheitlichen Beschlussverfahrens sowie der weitgehende Ausschluss von Rechtsmitteln gegen gerichtliche Entscheidungen sollen dem Rechnung tragen (Schütze S. 228).
Diese gesetzgeberische Absicht der Vereinfachung und Verkürzung des gerichtlichen Verfahrens würde unterlaufen, wenn nach dem In-Kraft-Treten der Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts die Zulässigkeit von materiellen Einwendungen im Vollstreckbar­erklärungs­verfahren auch dann noch bejaht werden würde, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - zu der vorstehend beschriebenen Verkürzung des Rechtsschutzes für den Schiedsbeklagten und zu der systemwidrigen Ausweitung des neuen Beschlussverfahrens führte. Nach den eingetretenen Änderungen im gerichtlichen Verfahrensgang, der Entscheidungszuständigkeit und der eingeschränkten Anfechtbarkeit ist daher die bisherige Rechtsprechung zu dieser Frage nicht mehr anwendbar. Die Vollstreckbarerklärung kann grundsätzlich nur noch versagt werden, wenn - wie es § 1060 Abs. 2 S. 1 ZPO vorsieht - kein Aufhebungsgrund i.S.d. § 1059 Abs. 2 ZPO besteht. Bestrittene materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Anspruch selbst bleiben daher grundsätzlich der Vollstreckungsabwehrklage vorbehalten.