Recht und Steuern

A4a Nr.64

A 4 a Nr. 64
Art. 5 Abs. 1 b, c, d, Abs. 2 b UNÜ, §§ 91, 92, 99 ZPO - Versagung der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs wegen Verletzung rechtlichen Gehörs durch unzureichende Würdigung des Parteivortrags im Schiedsverfahren. Ne ultra petita. Kostenentscheidung kein Versagungsgrund
Art. 5 Abs. 1 b UNÜ sieht eine Versagung u.a. vor, wenn die Partei, gegen die der Schiedsspruch geltend gemacht wird, von dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist oder aus einem anderen Grunde ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht hat geltend machen können. Darunter fällt auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. In Erfüllung dieses Grundsatzes müssen die Schiedsrichter den Parteivortrag in Erwägung ziehen: Sie müssen in der Entscheidung zwar nicht auf jedes Einzelargument eingehen, ein nicht von der Hand zu weisender, tatsächlich oder rechtlich im Vortrag der Parteien wichtiger Punkt muß aber verarbeitet werden. Das rechtliche Gehör ist vorenthalten, wenn eine zur Aufrechnung gestellte Forderung, oder wenn ein Bestreiten übergangen und eine Behauptung deshalb fälschlich als unbestritten angesehen wird, aber nicht, wenn eine Behauptung falsch interpretiert wird.
Nach Art. 5 Abs. 1 c UNÜ ist die Vollstreckbarerklärung zu versagen, wenn der Schiedspruch die Grenzen der Schiedsabrede oder der Parteianträge überschreitet.
Art. 5 Abs. 1 d UNÜ verbietet die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, wenn das Verfahren der Parteivereinbarung bzw.dem Recht des Ursprungslandes nicht entsprochen hat. Jedoch rechtfertigt eine den zugrundezulegenden Verfahrensbestimmungen widersprechende Kostenentscheidung keine Anerkennungsversagung, da sonst das Verbot der isolierten Kostenanfechtung nach deutschem Recht (§ 99 ZPO) ausgeschaltet würde.
Eine Kostenentscheidung des Schiedsgerichts, die § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO - verhältnismäßige Teilung bei Teil-Obsiegen - nicht entspricht, verstößt nicht gegen den deutschen Ordre Public.
OLG Stuttgart Beschl.v. 15.3.2001 - 1 Sch 5/00; Internationales Handelsrecht (IHR) 2001 S. 212 = RKS A 4 a Nr. 64
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs des Comité Européen des Règles et Usages du Commerce Intereuropéen des Pommes de Terre (RUCIP), Sécretariat d–Arbitrage Francais, Paris.
Aus den Gründen:
Art. 5 Abs. 1 a UNÜ sieht eine Versagung u.a. vor, wenn die Partei, gegen die der Schiedspruch geltend gemacht wird, von dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist oder aus einem anderen Grunde ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht hat geltend machen können. Darunter fällt auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Schiedsrichter müssen als Ausfluß des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs den Parteivortrag in Erwägung ziehen. Dabei muß in der Entscheidung zwar nicht auf jedes Einzelargument eingegangen werden, ein nicht von der Hand zu weisender, tatsächlich oder rechtlich im Vortrag der Parteien wichtiger Punkt muß aber verarbeitet werden. Das rechtliche Gehör wird dann vorenthalten, wenn ein Bestreiten übergangen und eine Behauptung deshalb fälschlich als unbestritten angesehen wird (BGHZ 96, 40, 48 = RKS A 3 Nr. 14). Das Übergehen einer zur Aufrechnung gestellten Forderung kann den Vorwurf des Verstoßes gegen das rechtliche Gehör begründen (OLG Hamburg BB 1999 Beilage 4 S. 16). Wenn eine Behauptung nicht übergangen, sondern eine Erklärung einer Partei falsch interpretiert wird, liegt dagegen kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor.
Die Ag. hat nicht bewiesen, daß das Schiedsgericht eine Aufrechnung mit ihrer Forderung auf Bezahlung der Lieferung übergangen und willkürlich angenommen hat, sie mache ihre Forderung in dem Verfahren vor dem Schiedsgericht nicht geltend. Aus den Angaben des Zeugen W. läßt sich dies mit der für eine Überzeugung des Senats erforderlichen Gewißheit nicht entnehmen (wird ausgeführt).
Auch Art. 5 Abs. 1 c UNÜ hindert die Vollstreckbarerklärung nicht. Danach ist die Anerkennung zu versagen, wenn der Schiedsspruch die Grenzen der Schiedsabrede oder der Schiedsklausel überschreitet. Darunter fällt es, wenn die Schiedsrichter die von den Parteianträgen gesetzten Grenzen verlassen. Diese Grenzen hat das Schiedsgericht durch seine Entscheidung nicht überschritten. Die Ast. hat die Verurteilung zur Zahlung von 11.153.000 Pts beantragt, das Schiedsgericht hat weniger zuerkannt. Streitgegenstand der Schiedsklage war nicht nur ein Schadensersatzanspruch wegen Nichabnahme, sondern auch der Zahlungsanspruch für die Lieferung von Kartoffeln. Davon wurde die Gegenforderung der Ag. abgesetzt. Damit hielt sich das Schiedsgericht in den Grenzen des gestellten Antrags.
Art. 5 Abs. 1 d UNÜ steht der Vollstreckbarerklärung ebenfalls nicht entgegen. Er sieht eine Versagung vor, wenn das schiedsrichterliche Verfahren der Vereinbarung der Parteien oder dem Recht des Landes, in dem das schiedsrichterliche Verfahren stattfand, nicht entsprochen hat. Dazu gehört der Fall, daß das Verfahren im Ganzen nicht zulässig ist. Ob dazugehört, daß eine Ausschlußfrist für die Anrufung des Berufungsschiedsgerichts versäumt wird (offen zur Bedeutung einer Fristversäumnis für die Anrufung des Schiedsgerichts (BGH WM 1991, 576), kann dahinstehen. Die Berufungsfrist (nach Art. 24 Abs.1 der RUCIP-Schiedsgerichtsordnung: 20 Tage ab Erhalt der erstinstanzlichen Entscheidung) ist eingehalten, die Berufung ging am 17.7.1998 rechtzeitig ein (wird ausgeführt).
Die Kostenentscheidung ist kein Grund für eine Anerkennungsversagung, selbst wenn sie in Widerspruch zu den zugrundezulegenden Verfahrensbestimmungen stünde, da sonst der Grundsatz des Verbots der isolierten Kostenanfechtung nach deutschem Recht ausgeschaltet würde (BGH JZ 1957, 630).
Ein Verstoß gegen den Ordre Public, der nach Art. 5 Abs. 2 b UNÜ zur Versagung der Vollstreckbarkeit von Amts wegen führt, liegt nicht vor. Die Kostenentscheidung, die trotz weitgehendem Obsiegen die gesamten Kosten auf die Ag. überbürdet, verstößt nicht gegen den deutschen Ordre Public. Wertende und rechtspolitische Gesichtspunkte bestimmen die unterschiedlichen Kostenregelungen mit und ohne Kostenerstattung. Es muß nicht wie nach dem deutschen Veranlassungsprinzip der Prozeßausgang als Maßstab für die Berechtigung der vorprozessualen Standpunkte der Parteien anzusehen sein (BGH NJW 1992, 3096 zur Urteilsanerkennung). Ein Ausschluß der Kostenerstattung ist kein grundlegender Verstoß gegen die Gebote der Rechtsstaatlichkeit. Umgekehrt muß das auch dann gelten, wenn der Bekl. die Kosten der Anrufung des Gerichts selbst dann trägt, wenn die Klage zu einem Teil berechtigt ist. Die Höhe der Kosten muß sich nicht unbedingt in der Höhe der Klagesumme widerspiegeln. Anlaß zum Tätigwerden der Gerichte hat der Bekl. auch dann gegeben, wenn die Forderung des Kl. nur zum Teil berechtigt war.