Recht und Steuern

A4a Nr. 99

A 4 a Nr. 99
§ 1059, 301 ZPO - Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruchs: Begriffe „Schiedsspruch”, „abschließende Entscheidung”, „abtrennbarer Teil” des Verfahrens
Ein Aufhebungsantrag ist unzulässig, wenn kein Schiedsspruch i.S.d. § 1059 ZPO vorliegt. Schiedsspruch i.S. dieser Vorschrift ist nur die das Schiedsverfahren vollständig oder in einem abtrennbaren Teil abschließende Entscheidung, nicht ein Zwischenschiedspruch, der nur einzelne Fragen wie die Zulässigkeit der Schiedsklage, materiell vorgreifliche Anspruchsmerkmale oder den Grund der mit der Schiedsklage geltend gemachten Forderung betrifft; dies gilt jedenfalls, wenn das Schiedsgericht noch über die Höhe der Forderung zu entscheiden hat und wenn es im weiteren Verlauf des Verfahrens noch zur Abweisung der Schiedsklage kommen kann.
OLG Frankfurt Beschl.v. 10.5.2007 - 26 Sch 20/06; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2007, 278 = RKS A 4 a Nr. 99

Aus dem Sachverhalt:
Das Schiedsgericht erließ am 15.9.2006 eine als –Partial Award– (Teilschiedsspruch) bezeichnete Entscheidung, die in deutscher Übersetzung folgenden Text hat:
1. Der Schiedsbeklagte haftet der Schiedsklägerin für Schäden auf Grund der Tatsache, dass die Schiedsbeklagte ihren Verpflichtungen zum Vollzug der im Sale & Purchase Agreement (SPA) aufgeführten Rechtsgeschäfte am 31. Juli 2004 nicht nachgekommen ist.
2. Das Schiedsgericht behält sich die Entscheidung über die Schadenshöhe vor. Die Schadenshöhe ist kein Bestandteil dieses Teilschiedsspruchs, sondern wird durch das Schiedsgericht in einem gesonderten Schiedsspruch festgelegt werden, der im Anschluss an die Quantifizierungsphase dieses schiedsrichterlichen Verfahrens erlassen wird.
3. Das Schiedsgericht behält sich die Entscheidung über den Anspruch der Schiedsklägerin auf Zahlung von Zinsen vor ...
Die Antragstellerin beantragt die Aufhebung dieses Schiedsspruchs. Sie meint, gegen den Teilschiedsspruch, bei dem es sich tatsächlich um ein Grundurteil handele, sei die Aufhebungsklage zulässig. Wenn sich wie vorliegend das Schiedsgericht an die Entscheidung im Zwischenschiedsspruch binde und die weitere Erörterung des Haftungsgrundes in der weiteren Phase des Schiedsverfahrens ausgeschlossen werde, sei durch den Zwischenschiedsspruch eine endgültige und damit bindende Entscheidung über die Frage der Haftung erfolgt. Prozessökonomische Gesichtspunkte, die das Schiedsgericht veranlasst hätten, das Verfahren zweizuteilen, würden in ihr Gegenteil verkehrt, wenn die Parteien den zweiten Teil und damit ggf. ein langjähriges Schiedsverfahren zu Anspruchshöhe abwarten müssten, um sodann die Feststellungen des Schiedsgerichts zum Haftungsgrund in einem Aufhebungsverfahren anzugreifen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Aufhebungsantrag zurückzuweisen.
Aus den Gründen:
Der Aufhebungsantrag ist unzulässig, weil kein Schiedsspruch i.S.v. § 1059 vorliegt. Schiedsspruch nach dieser Vorschrift ist nur die das Schiedsverfahren vollständig oder in einem abtrennbaren Teil abschließende Entscheidung des Schiedsgerichts. Dagegen fallen darunter nicht sog. Zwischenschiedssprüche, die nur einzelne Fragen, wie die Zulässigkeit der Schiedsklage, materiellrechtliche vorgreifliche Anspruchsmerkmale oder den Grund der mit der Schiedsklage geltend gemachten Forderung betreffen, jedenfalls, wenn das Schiedsgericht noch über die Höhe der Forderung zu entscheiden hat (BGHZ 10, 325, 327; LAG Baden-Württemberg BB 1960, 1021; österr. OGH IPrax 1994, 138, 140; Wieczorek/Schütze ZPO 3. Aufl. § 1039 Rd-Nr. 4; Münch in MüKo ZPO 2. Aufl. § 1056 Rd-Nr. 5; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22. Aufl. § 1042 Rd-Nr. 38; Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 13; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 18 Rd-Nr. 10 und Kap. 26 Rd-Nr. 5 zur fehlenden Möglichkeit der Vollstreckbarerklärung). Grund für diese Beschränkung der Anfechtbarkeit ist vor allem, dass der Ausgang des schiedsrichterlichen Verfahrens noch offen ist und es auch noch nach der Zwischenentscheidung zur endgültigen Abweisung der Schiedsklage kommen kann. Dies ist im Falle eines Grundurteils mag dieses auch analog § 318 ZPO für das Schiedsgericht im weiteren Verlauf des Schiedsverfahrens bindend sein (Münch aaO., Schwab/Walter Kap. 18 Rd-Nr. 10, 12) dann möglich, wenn das Betragsverfahren zu dem Ergebnis gelangt, dass der Anspruch der Höhe nach unbegründet ist. Vorliegend ist über die Schiedsklage nur dem Grunde nach entschieden worden, so dass nach dem vorher Gesagten insofern keine abschließende Entscheidung vorliegt. Daher kann der hier vorliegende Fall eines Grundurteils nicht anders behandelt werden als ein Schiedsspruch unter Verbehalt der Entscheidung über eine Aufrechnung des Schiedsbeklagten (so in der Sache BGHZ 10, 325). Denn beide Konstellationen stimmen in dem entscheidenden Punkt überein, dass es auf Grund der Fortführung des Schiedsverfahrens noch zur Abweisung der Schiedsklage kommen kann. Zu Unrecht beruft sich die Ast. auch auf RGZ 169, 52, 53. Dort hatte das Reichsgericht nicht nur die Vollstreckbarerklärung, sondern auch den Gegenantrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs abgelehnt, mit dem nur über das Vorliegen eines für den Erfolg der Schiedsklage erforderlichen Umstandes entschieden worden war. Das RG ging davon aus, dass das Schiedsgericht selbst für sein weiteres Verfahren daran nicht gebunden sei, so dass der Zwischenschiedsspruch umso weniger Gegenstand eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens sein könne. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, das RG habe eine Vollstreckbarerklärung oder Aufhebung immer dann für möglich gehalten, wenn die Zwischenentscheidung für das Schiedsgericht bindend sei. Über diese Frage hat das RG nicht entscheiden müssen und es hat sich dazu auch nicht geäußert. Bezüglich der Entscheidung über die Schiedswiderklage ist der Aufhebungsantrag ebenfalls unzulässig. Zwar ist durch die Abweisung der Widerklage endgültig entschieden worden, jedoch handelt es sich bei der Widerklage bezüglich des Streitgegenstandes im Schiedsverfahren nicht um einen abtrennbaren Teil. Dieser Begriff entspricht der Abtrennbarkeit, der für das Teilurteil (§ 301 ZPO) gilt. Sie fehlt, wenn die Entscheidung über den Teil des Streitgegenstandes nicht von der Entscheidung über den restlichen Streitgegenstand im anhängig bleibenden Verfahren unabhängig ist. Eine solche Abhängigkeit besteht beispielsweise dann, wenn die Entscheidung über den Reststreit zumindest eine Vorfrage des erledigten Teils umfasst (BGH NJW-RR 2003, 303; Zöller/Vollkommer § 301 Rd-Nr. 7). Das gilt insbesondere auch für das Verhältnis von Klage und Widerklage (z.B. BGH NJW-RR 2005, 22; Zöller/Vollkommer Rd-Nr. 9a). Im Streitfall fehlt es an der Abtrennbarkeit der Schiedswiderklage, weil es für die Begründetheit von Schiedsklage und Schiedswiderklage auf identische Vorfragen und damit auch auf den Bestand des aufgerechneten Darlehnsanspruchs in Höhe von ... und die Zulässigkeit der Aufrechnung ankommt. Die Ast. leitet ihre Berechtigung, den Abschluss des –Closing– zum damaligen Zeitpunkt verweigern zu können, daraus her, dass der Verdacht der Manipulation in Bezug auf zur Aufrechnung gestellte Darlehn bestanden habe. Wenn dies zutrifft, hätte nach Ansicht der Ast. die Ag. nicht das Unternehmen der Y. an einen Dritten veräußern dürfen, so dass deren Schadensersatzanspruch unbegründet und die Schadensersatzforderung der Ast. möglicherweise begründet gewesen wäre. Wäre gegen die Abweisung der Schiedswiderklage ein gesondertes Aufhebungsverfahren zulässig, müsste das staatliche Gericht eventuell in zwei getrennten Aufhebungsverfahren über denselben Aufhebungsgrund entscheiden, was bereits wegen der Gefahr widersprechender Entscheidungen nicht hinnehmbar ist. Der Aufhebungsantrag ist gegenüber dem die Widerklage abweisenden Teil des Schiedsspruchs auch nicht deshalb statthaft, weil die Ast. nach § 1059 Abs. 3 ZPO die Aufhebung innerhalb einer Frist von drei Monaten seit dem Tag des Empfangs der Schiedsspruches einzureichen hat. Denn die Frist beginnt nicht vor dem Empfang des Schlussschiedsspruches, wenn der Teilschiedsspruch nicht selbständig mit einem Aufhebungsantrag angefochten werden kann.