Recht und Steuern

A4a Nr.69

A4a Nr.69
Art. II Abs. 1 u. 2,Art. IV Abs. 1 a und b, V UNÜ; Art. 48 und 49 Vertragsgesetz der VR China; Art.37 S. 1 Ziffer 3 EGBGB; §§ 177 - 179 BGB, 1025, 1040 ZPO.-Vollstreckbar-erklärung ausländischen Schiedsspruchs: Beweislast fürZustandekommen wirksamen Schiedsvertrages, insbesondere Vollmacht dabeimitwirkenden Vertreters, maßgebliches Recht für die Vollmacht;Unwirksamkeitsrüge im Vollstreckbarerklärungsverfahren, keine Bindung desdeutschen Gerichts an die Feststellungen des ausländischen Schiedsgerichts
Wer die Vollstreckbarerklärung einesausländischen Schiedsspruchs beantragt, trägt die Beweislast für das Zustandekommen eines wirksamenSchiedsvertrages, auch für die Wirksamkeit der Vollmacht eines Vertreters, derdabei mitgewirkt hat.
Die Wirksamkeit der Vollmacht richtet sich gewohnheitsrechtlich nach dem Rechtdes Landes, in dem von ihr Gebrauch gemacht werden soll
(hier Art. 48 und 49Vertragsgesetz der VR China).
Das inländische Gericht ist an dieFeststellungen des ausländischen Schiedsgerichts zur Wirksamkeit desSchiedsvertrages und der Vollmacht nicht gebunden. Der Antragsgegner kann dieUnwirksamkeit im Vollstreckbarerklärungsverfahren jedenfalls dann noch geltendmachen, wenn er sie im Schiedsverfahren gerügt und im übrigen nicht an diesemteilgenommen hat.
OLGCelle Beschluß vom 4.9.2003 - 8 Sch 11/02; Internationales Handelsrecht 2004,83 = RKS A 4 a Nr. 69
Die Antragstellerinbegehrt die Vollstreckbarerklärung des am 28.3.2002 ergangenen Schiedsspruchsder China International Economic and Trade Arbitration Commission (CITAC).
Aus den Gründen:
Die Ast. hat zwargem. IV Abs. 1 a des UN-Übereinkommens vom 10.6.1958 über die Anerkennung undVollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) den Schiedsspruch im Originalund die gem. Art. 5 Abs. 2 UNÜ erforderliche Übersetzung, aber nicht die gem.Art. IV Abs. 1 b i.V.m. Art. II Abs. 1 UNÜ erforderliche Urschrift derSchiedsvereinbarung vorgelegt. Die Ast. hat zwar ein angeblich von derAntragsgegnerin erhaltenes Fax vorgelegt. Es mag zwar zulässig sein, auchmoderne Kommunikationsformen wie Telefax als „schriftliche Vereinbarung” i.S.v. Art. II Abs. 1 UNÜ anzusehen.Aber das Fax ist weitgehend unleserlichund die Leseabschrift nicht unterzeichnet.
Die Ast. hat nichtden ihr obliegenden Beweis geführt, daß es am 25.4.2000 zu einem wirksamenVertragsschluß mit der Ag. gekommenwäre, so daß die Schiedsgerichtsklausel in Zi. 19 des Vertrages Wirksamkeitentfalten könnte.
Unterschrieben istder Vertrag nicht von einem gesetzlichen Vertreter der Ag., sondern für diesevon einem Herrn A., dessen Bevollmächtigung die Ag. bestreitet. Die Frage der Vollmachtserteilung richtetsich hier nach dem Recht der Volksrepublik China. Das für die Vollmachtmaßgebende Statut ist gesetzlich nicht geregelt (vgl. Art. 37 S. 1 Zi. 3EGBGB). Angeknüpft wird gewohnheitsrechtlich an das Recht des Wirkungslandes,also an das Recht des Landes, in dem das Geschäft vorgenommen werden soll (vgl.Palandt/Heldrich BGB 62. Aufl., Anh. zu Art. 32 EGBGB Rd-Nr. 1). Sollte hiertatsächlich eine Vollmacht erteilt worden sein, so wäre auf chinesisches Rechtabzustellen, da Herr A von der Vollmacht in der Volksrepublik China gegenüberder Ast. Gebrauch machen sollte. Gemäß Art. 48 des Vertragsgesetzes der VRChina ist, wenn eine Person ohne Vertretungsmacht oder in Überschreitung ihrerVertretungsmacht einen Vertrag im Namen des betroffenen Geschäftsherrnschließt, und der Vertrag nicht anschließend vom Geschäftsherrn bestätigt wird,der Vertrag im Verhältnis zum Geschäftsherrn nicht wirksam, und dervollmachtlose Vertreter haftet (vgl. Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungenim Schreiben der Rechtsanwältin R. vom 19.12.2001 zu Art. 48 und 49 desVertragsgesetzes der VR China). Der Vertragspartner kann ferner verlangen, daßder Geschäftsherr den Vertrag innerhalb eines Monats bestätigt. Wenn sich derGeschäftsherr nicht äußert, gilt die nachträgliche Bestätigung als verweigert(Art. 48 Abs. 2 Vertragsgesetz). Art. 49 aaO. bestimmt schließlich, daß dieVertretungshandlung wirksam ist, wenn eine Person ohne oder in Überschreitung ihrer Vertretungsmachteinen Vertrag im Namen des betreffenden Geschäftsherrn schließt, derVertragspartner aber Grund zu der Annahme hat, daß der VertreterVertretungsmacht hat. Inhaltlich ergeben sich hiernach keine wesentlichenUnterschiede zu §§ 177 - 179 BGB sowie den Grundsätzen der Anscheins- undDuldungsvollmacht.
Die Ast. hatvorliegend nicht bewiesen, daß A. zum Abschluß des Vertrages vom 29.4.2000einschließlich der Schiedsgerichtsabrede bevollmächtigt gewesen wäre (wirdausgeführt). Der schlichte Umstand, daß A., der kein gesetzlicher Vertreter derAg. ist, mit deren Billigung im asiatischen Raum als „executive director”aufgetreten ist, bedeutet noch nicht, daß dieser bevollmächtigt war, gerade denkonkreten Liefervertrag mit der Ast. unter Einbeziehung der Schiedsgerichtsklauselzu schließen. Diese weitgehend unspezifische Funktionsbeschreibung solltelediglich das Auftreten von A. bei Verhandlungen und der Vermittlung vonGeschäften für die Ag. erleichtern. Ebensowenig genügt die von der Ast.behauptete Legitimierung des Herrn A. durch Vorlage einer Visitenkarte oderweiterer Korrespondenz, aus der seine Funktion für die Ag. hervorgegangen wäre.Es ist auch nicht ersichtlich, daß A. bereits in der Vergangenheit alsVertreter bei Vertragsschlüssen für die Ag. aufgetreten ist und die Ast. daraushätte schließen dürfen, daß er von der Ag. auch mit dem rechtswirksamenAbschluß von Verträgen beauftragt war.
Es trifft auch nichtdie Ag. die Beweislast dafür, daß A. nach chinesischem Recht nichtbevollmächtigt war, die Schiedsvereinbarung abzuschließen. Zwar trifft dieBeweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Art. V Abs. 1 UNÜ, nachdenen die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchsversagt werden kann, nach dem Wortlaut der Vorschrift die Partei, gegen die dieVollstreckung geltend gemacht wird, hier also die Ag. Voraussetzung für das Vorliegen eines derartigenVersagungsgrundes ist jedoch zunächst, daß die Parteien überhaupt eineSchiedsvereinbarung gem. Art. II UNÜ geschlossen haben. Nur wenn diesegrundlegende Voraussetzung des Vorliegens einer Schiedsvereinbarung erfüllt ist, kann es auf möglicheVersagungsgründe für die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchsankommen.
Entsprechend bestimmtArt. V Abs. 1 a UNÜ, daß es einen Versagungsgrund für die Anerkennungdarstellt, wenn die Parteien, die eine Vereinbarung i.S.d. Art. II geschlossenhaben, nach dem Recht, das für sie persönlich maßgebend ist, in irgendeinerHinsicht hierzu nicht fähig waren, oder daß die Vereinbarung nach dem Recht,dem die Parteien sie unterstellt haben, oder, falls die Parteien hierübernichts bestimmt haben, nach dem Recht des Landes, in dem der Schiedspruchergangen ist, ungültig ist. Fehlt es indessen bereits am Vorliegen einerSchiedsabrede, die die Ast., die aus einem Schiedsspruch Rechte herleiten will,als ihr günstige Tatsache darlegen und beweisen muß, so kommt es auf die weitere Frage, ob einer derVersagungsgründe des Art. V Abs. 1 UNÜ vorliegt, nicht an. Dem steht auch nichtentgegen, daß bereits ein Schiedsspruch ergangen ist. Schiedssprüche werdennämlich nur anerkannt, wenn ihnen ein wirksamer Schiedsvertrag zu Grunde liegtund sich die Schiedsrichter in den durch den Vertrag gezogenen Grenzen gehaltenhaben (BGH 9.3.1978 III ZR 78/76 BGHZ 71, 131, 135 = RKS A 1 Nr. 24). Niemanddarf von einem Schiedsgericht verurteilt werden, dessen Spruch er sich nichtfreiwillig unterworfen hat (BGH aaO., zur fehlenden Anerkennung einesderartigen Schiedspruchs wegen Verstoßes gegen den ordre public).
Hierbei spielt esauch keine Rolle, daß das chinesische Schiedsgericht in seinem Schiedspruch dieFrage der ordnungsgemäßen Vertretung der Ag. durch Herrn A. erörtert und bejahthat. Das Schiedsgericht hat keine Kompetenz, mit Bindungswirkung für das überdie Anerkennung des Schiedsspruchs entscheidende staatliche Gerichtfestzustellen, ob überhaupt eine Schiedsvereinbarung vorlag. Vielmehr hat dasim Rahmen der Vollstreckbarkeitserklärung angerufene innerstaatliche Gerichtselbst festzustellen, inwieweit die Voraussetzungen der Art. II und V UNÜerfüllt sind. Das deutsche staatliche Gericht ist bei der Prüfung derVoraussetzungen des UNÜ weder an die rechtliche Beurteilung noch an dietatsächlichen Feststellungen des Schiedsgerichts gebunden (BGH 12.5.1958 VII ZR436/56 BGHZ 27, 249, 254; BGH 27.2.1964 VII ZR 134/62 MDR 1964, 590). Dies mußinsbesondere für die Ausgangsfrage jeder Anerkennung undVollstreckbarkeitserklärung einesausländischen Schiedsspruchs gelten, ob nämlich dem Schiedsverfahren und demSchiedsspruch überhaupt eine Schiedsabrede zu Grunde lag. Anderenfalls könntejedes Schiedsgericht in eigener Machtvollkommenheit und mit Bindungswirkung fürdie staatlichen Gerichte feststellen, daß es überhaupt zu seiner Tätigkeit alsSchiedsgericht befugt war.
Das UNÜ enthält auchgerade keine dem § 1040 ZPO vergleichbare Regelung. Hiernach kann dasSchiedsgericht über die eigene Zuständigkeit und im Zusammenhang hiermit überdas Bestehen und die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden (§ 1040Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts istspätestens mit der Klagbeantwortung vorzubringen (Abs. 2 S. 1). Hält das Schiedsgericht sich fürzuständig, so entscheidet es über die Zuständigkeitsrüge durch Zwischenbescheid(Abs. 3 S. 1). Jede Partei kann dann innerhalb eines Monats nach schriftlicherMitteilung des Entscheids eine gerichtliche Entscheidung beantragen (Abs. 3 S.2). Die Versäumung dieses Antrags schließt dann den Einwand der Ungültigkeitder Schiedsvereinbarung für das Schiedsverfahren und für das Aufhebungs- unddas Vollstreckbarerklärungsverfahren aus (BGH 27.3.2003 III ZB 83/02 MDR 2003,890 = RKS A 1 Nr. 121).
Eine solcheMöglichkeit der gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit des Schiedsgerichtsenthält das UNÜ nicht. § 1040 ZPO findet hier keine Anwendung, da der Ort desSchiedsverfahrens nicht in Deutschland liegt (§ 1025 Abs. 1 ZPO).
Die Ag. ist auchnicht wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens gehindert, sich auf dieUnwirksamkeit der Schiedsabrede zu berufen. Sie hat sich auf das Verfahren vorder CITAC nicht rügelos eingelassen, sondern ausdrücklich geltend gemacht, derVertrag vom 29.4.2000 sei von einem nicht bevollmächtigten Vertretergeschlossen worden. Sie hat auch nichtan der Schiedsgerichtsverhandlung am 17.12.2001 teilgenommen. Sie hat auchweder das vollmachtlose Handeln des Herrn A. genehmigt noch durch ihr Verhaltenden Anschein erweckt, daß sie den von Herrn A. geschlossenen Vertrag genehmigenwolle (wird ausgeführt).