Recht und Steuern

A4a Nr.67

A4a Nr.67
Vollstreckunggegen einen ausländischen Staat in (hoheitlichen Zwecken dienende) Ansprücheaus der Einräumung von Überflug-, Transit- und Einflugrechten. Schiedsabredeals Verzicht auf Vollstreckungsimmunität
Aus einem gegen einen ausländischen Staat ergangenen Schiedsspruch kannnicht in Forderungen vollstreckt werden, die hoheitlichen Zwecken diesesStaates dienen und damit der Vollstreckungsimmunität unterliegen.
Dazu gehören - jedenfalls nach deutschem Recht - Forderungen aus derEinräumung von Überflug-, Transit- und Einflugrechten. DieLuftverkehrsverwaltung ist nach deutschem Recht öffentlich-rechtlichausgestaltet. Die der Luftverkehrsverwaltung im Luftverkehrsgesetz übertragenenAufgaben und Eingriffsbefugnisse sind hoheitlicher Art, die für ihre Tätigkeitzu erhebenden Gebühren sind auf Grund öffentlichrechtlicherErmächtigungsgrundlage (§ 32 Abs. 1 und 13 Luftverkehrsgesetz ) inder Kostenverordnung der Luftfahrverwaltung normiert und stellen ein Entgeltfür die Inanspruchnahme der öffentlichen Verwaltung dar.
Auf die Vollstreckungsimmunität kann ein Staat verzichten, auchkonkludent in einer Schiedsabrede. Ein solcher Verzicht ergibt sich nichtaus der hier zugrunde liegenden Schiedsklausel im Vertrag zwischen derBundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepublikenüber die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom13.9.1989 (BGBl. 1990 II 342).
OLG KölnBeschluß vom 6. 10. 2003 - 16 W 35/02[1]; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2004,100 = RKS A 4 a Nr. 67
Aus dem Sachverhalt:
In dem genannten Investitionsschutzabkommen war fürStreitigkeiten aus den Investitionen das internationale Schiedsgericht bei derHandelskammer in Stockholm vereinbart, nach Art. 9 und 10 wird einSchiedsspruch anerkannt und vollstreckt nach dem UN-Übereinkommen vom 10.6.1958über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ). AufGrund eines vom Kammergericht in Berlin für vollstreckbar erklärtenSchiedsspruchs des Stockholmer Schiedsgerichts pfändete der Gläubiger Ansprüchedes Schuldners, eines Nachfolgestaates der UdSSR, gegen die in Deutschlandansässige Drittschuldnerin auf Entgelte für ihr von ihm gewährte Überflug-,Transit- und Einflugrechte. Das AG Köln hob den Pfändungs- undÜberweisungsbeschluß auf.
Aus den Gründen:
Soweit angebliche Zahlungsansprüche gegen dieDrittschuldnerin aus der Einräumung von Überflug-, Transit- und Einflugrechtengepfändet worden sind, ist die Pfändung unzulässig, weil die gepfändetenGeldforderungen der Vollstreckung nicht unterworfen sind. Sie waren in deminsoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Vollstreckungsmaßnahmehoheitlichen Zwecken der Schuldnerin zu dienen bestimmt und unterlagen deshalbder Vollstreckungsimmunität, die Schuldnerin untersteht also im vorliegendenVerfahren nicht der deutschen Gerichtsbarkeit, und es fehlt deshalb an einerallgemeinen Verfahrensvoraussetzung, die auch für das Vollstreckungsverfahrenzu beachten ist (vgl. BGH Beschl.v. 28.5.2003 - IXa ZB 19/03 - BGH-Report 2003.1041 = NJW-RR 2003, 1218). Nach den wegen Art. 25 GG maßgeblichen allgemeinenRegeln des Völkerrechts ist - wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat- der Gerichtsstaat nicht schlechthin gehindert, auf Grund eines gegen einenfremdem Staat gerichteten Titels Vollstreckungsmaßnahmen in dessen imGerichtsstaat befindliche Vermögensgegenstände zu betreiben. Die Vollstreckungist allerdings ohne Zustimmung des fremden Staats dann unzulässig, wenn derVermögensgegenstand im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahmehoheitlichen Zwecken des fremden Staates diente (BVerfG Beschl.v. 13.12.1977 -2 BvM 1/76 - BVerfGE 46, 342; Beschl.v. 12.4.1983 - 2 BvR 678/81 u.a. - BVerfGE64, 1 [ 40 ] ; BGH aaO.) Die Abgrenzung, ob der hoheitliche oder der nichthoheitliche Bereich staatlicher Tätigkeit betroffen ist, ist mangelsentsprechender Kriterien im Völkerrecht im Normalfall nach der jeweiligennationalen Rechtsordnung vorzunehmen. Abschließend entschieden hat das BVerfGdiese Frage zwar nur für das Erkenntnisverfahren (BVerfGE 16, 27 [ 62 ] ). Fürdas Vollstreckungsverfahren kann indes nichts anderes gelten, wie es in demBeschluß vom 12.4.1983 deutlich zum Ausdruck gebracht hat, wobei es bei seinerEntscheidung auch darauf abgestellt hat, daß ein Bankguthaben einerausländischen staatlichen Ölgesellschaft nach deutschem Recht lediglich Teildes dem Privatrecht unterstehenden staatlichen Finanzvermögens sei (BVerfGE 64,1 [ 42ff. ] ). Die Geltung entsprechender Grundsätze wird weder von denParteien, noch sonst - etwa in einschlägiger Literatur - angezweifelt, so daßder Senat insoweit keinen Anlaß zu einer Vorlage der Sache gem. Art. 100 Abs. 2GG dazu hat, welche völkerrechtlichen Regeln wegen der AbgrenzungsfrageBestandteil des Bundesrechts sind.
Die gepfändeten Ansprüche sind nicht Teil des sog.staatlichen Finanzvermögens. In der traditionellen Verwaltungsrechtslehre wirddifferenziert zwischen dem Verwaltungsvermögen als dem Vermögen, dasunmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient, und dem Finanzvermögen alsdem öffentlichen Vermögen von Rechtsträgern, das nicht unmittelbar bestimmtenVerwaltungsaufgaben dient, sondern nur mittelbar, nicht durch die Nutzungselbst, sondern durch die Erträgnisse, die es abwirft und die zur Finanzierungder Verwaltung beitragen (vgl. die Legaldefinitionen in Art. 21 Abs. 1 und Art.22 Abs. 1 des Einigungsvertrags; BT-Drucksache 11/7760 S. 365; BGH MDR 1998,1275; Wolf/Bachof Verwaltungsrecht I 9. Aufl. 1974 S. 483f;Salzwedel in Erichsen Allgemeines Verwaltungsrecht 10. Aufl. 1995 § 42 Rd-Nr.13). Typische nur mittelbar öffentlichen Zwecken dienende Vermögenswerte sind etwadie Erträgnisse aus nicht öffentlichen Zwecken gewidmeten Grundstücken oder ausKapitalforderungen, die weder für die laufende Haushaltswirtschaft noch zumaßgeblicher Einflußnahme auf Unternehmensführungen genutzt werden, während zumVerwaltungsvermögen nicht lediglich die unmittelbar von den Organwalternselbst genutzten Vermögenswerte gehören, sondern auch diejenigen an Sachen inGemeingebrauch, etwa Verkehrsanlagen aller Art und - vgl. § 1 Abs. 1 LuftVG -der Luftraum (Wolf/Bachof aaO. S. 484 und 486 f.).
Anders als in den vom BVerfG entschiedenen Fall, in dem esdarum ging, ob auf Erträgnisse zugegriffen werden kann, die aus demprivatwirtschaftlichen Verkauf von Öl herrühren und die nur mittelbaröffentlichen Zwecken dienen, indem sie - ähnlich wie z.B. Erträge aus derVerpachtung eines landwirtschaftlichen Grundstücks oder sonstigerprivatwirtschaftlicher Betätigung (vgl. die Beispiele bei Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht, 4. Aufl. Rd-Nr. 592) - zur Finanzierungdes Staatshaushalts beitragen sollen, entspringen die gepfändeten Ansprücheunmittelbar hoheitlicher Tätigkeit. Die Luftverkehrsverwaltung ist jedenfallsnach deutschem Recht öffentlichrechtlich ausgestaltet. Die derLuftverkehrsverwaltung im Luftverkehrsgesetz übertragenen Eingriffsbefugnissesind hoheitlicher Art und entsprechend geregelt. Die für ihre Tätigkeit zuerhebenden Entgelte sind auf Grund einer öffentlichrechtlichenErmächtigungsgrundlage (§ 32 Abs. 1, Abs. 13 LuftVG) öffentlichrechtlichin der Kostenverordnung der Luftfahrtverwaltung (LuftKostV) normiert undstellen ein Entgelt für die Inanspruchnahme der öffentlichen Verwaltung dar (sofür die Flugsicherheitsgebühr BVerfG Beschl.v. 11.8.1998 - 1 BvR 1270/94 - NVwZ1999, 176 = DVBl. 1990, 1220), stehen also mit der Ausübung hoheitlicherTätigkeit in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Hinzuweisen ist im übrigen nochdarauf, daß auch nach internationalen bzw. zwischenstaatlichen Abkommen nichtsanderes feststellbar isr. Nach Art. 15 Abs. 2 des Abkommens über die internationaleZivilluftfahrt (Chicagoer Abkommen) vom 7.12.1944 - BGBl. 1956 II 411 - könnenfür die Benutzung von Flughäfen und Luftfahrteinrichtungen „Gebühren” erhobenwerden. Entsprechendes gilt nach Art. 1 Abschnitt 4 der Vereinbarung über denDurchflug im internationalen Fluglinienverkehr (Transit-Abkommen) vom7.12.1944 - BGBl. 1956 II 442 -. Auch nach Art. 5 des Abkommens vom 14.7.1993zwischen der BR Deutschland und der Regierung der S.F. - BGBl. II 1997,681 -kann jede Vertragspartei nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 2 des ChicagoerAbkommens „Gebühren und andere Abgaben” erheben.
Schließlich hat die Schuldnerin nachvollziehbar glaubhaftgemacht, daß die gepfändeten Ansprüche entsprechend ihrer hoheitlichenZweckbestimmung - Luftfahrtverwaltung -verwendet wurden (wird ausgeführt).
Ein ausdrücklicher oder konkludenter Verzicht derSchuldnerin auf ihre Vollstreckungsimmunität kann nicht festgestellt werden.Zwar kann in einer Schiedsabrede ein Immunitätsverzicht liegen. Diesererstreckt sich indes nicht ohne weiteres auf das Verfahren zurVollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs oder das der anschließendenZwangsvollstreckung (vgl. KG in der in dieser Sache ergangenen rechtskräftigenVollstreckbarkeitsentscheidung - Beschl.v.16.2.2001 KG Report 2002, 146 = NJOZ2001, 727; Geimer aaO. Rd-Nr. 631; Nagel/Gottwald InternationalesZivilprozeßrecht 5. Aufl. § 2 Rd-Nr. 24; Niggemann BB-Beilage 2001 Nr. 7 S. 11;Dahlhoff BB 1997, 321). Daraus, daß nicht nur die Schuldnerin in demInvestitionsschutzabkommen sich einem Schiedsverfahren unterworfen hat, sondernauch nach dem Willen der beteiligten Staaten ein zu Gunsten eines Investorsergangener Schiedsspruch nach Maßgabe des UN-Übereinkommens anerkannt undvollstreckt werden kann, läßt sich ein Verzicht der Schuldnerin auf ihreImmunität bei der Vollstreckung in hoheitliche Vermögensgegenstände nichtherleiten. Das Übereinkommen enthält keinen solchen Verzicht, sondern in Art.III lediglich allgemeine Regeln dahingehend, daß bei Vorliegen bestimmterVoraussetzungen Schiedssprüche nach den inländischen Verfahrensregelnvollstreckt und die Vollstreckung nicht wesentlich strengeren Verfahrensregelnund höheren Kosten unterworfen werden dürfen als inländische Schiedssprüche.Die Bezugnahme auf die im wesentlichen gleichen Verfahrensvorschriften bedingt im Gegenteil zugleich, daß auch die Bestandteil des Bundesrechtsgewordenen allgemeinen Regeln des Völkerrechts weiter gelten, also auch dieStaatenimmunität bei der Vollstreckung in hoheitliche Ansprüche. Im Übrigen istliegt den meisten Investitionsschutzabkommen das Übereinkommen vom 18.3.1965zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID Convention , BGBl. 1969 II369) zu Grunde, Art. 55 aaO. enthält einen ausdrücklichen Vorbehalt zurVollstreckungsimmunität (Semler SchiedsVZ 2003, 97 [ 102 ] ). Auch wenn diesesAbkommen vorliegend nicht anwendbar ist, weil zwar Deutschland, aber nicht dieSchuldnerin Vertragsstaat ist, ist es bei der Bestimmung der Tragweite derUnterwerfung unter die Schiedsabrede mit heranzuziehen.
Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100Abs. 2 GG ist auch wegen dieser Frage nicht veranlaßt (wird ausgeführt).
Tatsachen, die die Berufung der Schuldnerin auf ihren durch Art. 25 GGgewährleisteten Schutz vor einer Vollstreckung in hoheitlicheVermögensgegenstände ausnahmsweise als treuwidrig oder rechtsmißbräuchlicherscheinen lassen, sind nicht erkennbar.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2Nr. 2, Abs 3 ZPO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da in Rechtsprechungund Literatur bisher nur die Frage behandelt worden ist, unter welchenVoraussetzungen Grundstücke oder Forderungen eines ausländischen Staates aufAuszahlung eines Bankguthabens - nicht aber Gebührenforderungen - hoheitlichenZwecken dienen.
[1] nicht rechtskräftig - BGHIXa ZA 13/03