Recht und Fair Play

A 4a Nr. 122

A 4a Nr. 122 Art. 103 GG, §§ 328 Abs. 1, 1054 Abs. 1 S. 2 ZPO - Vollstreckbarerklärung spanischen Schiedsspruchs trotz unbegründet fehlender Schiedsrichter-Unterschrift. Verfahrenssprache: Widerspruch zwischen Schiedsklausel und Verfahrensordnung des vereinbarten institutionellen Schiedsgerichts. Rechtliches Gehör eines anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten
1. Nach spanischem und vergleichbar nach deutschem Recht (Art. 37 Abs. 3 Ley de Arbitraje; § 1054 Abs. 1 S. 2 ZPO) genügen die Unterschriften der Mehrheit aller Schiedsrichter. Für eine fehlende Unterschrift bedarf es jedoch – unverzichtbar jedenfalls nach deutschem Recht – einer Begründung. Ob gemäß Art. 45 der von den Parteien vereinbarten Schiedsordnung der Handelskammer Madrid die ohne Begründung fehlende Unterschrift eines Schiedsrichters als Zustimmung zu der von den übrigen Schiedsrichtern getroffenen Mehrheitsentscheidung zu werten, und die Begründung deshalb entbehrlich ist, kann dahingestellt bleiben, wenn das mit dem Aufhebungsverfahren befasste spanische Gericht in der fehlenden Unterschrift und Begründung keinen Nichtigkeitsgrund erkannt und die Wirksamkeit des Schiedsspruchs bejaht hat. Diese Entscheidung bindet gem. § 328 Abs. 1 ZPO auch das inländische Gericht.
2. Wenn die Parteien in ihrer Schiedsklausel Englisch als Vertragssprache, aber ein institutionelles Schiedsgericht vereinbart haben, dessen Verfahrensordnung Spanisch als Verfahrenssprache vorschreibt, so haben die Parteien diesen Widerspruch aufgelöst, wenn sie bei Einleitung des Schiedsverfahrens vereinbart haben, alle Dokumente auf Verlangen in Spanisch und Englisch vorzulegen und keine Einwendungen zu erheben, wenn Dokumente auf Englisch vorgelegt oder Handlungen auf Englisch vorgenommen werden. Für die durch einen spanischen Verfahrensbevollmächtigten vertretene deutsche Antragsgegnerin war damit ersichtlich, dass mit Unterwerfung der Streitigkeit unter die Rechtsprechungsgewalt dieses Schiedsgerichts Spanisch als maßgebliche Verfahrenssprache akzeptiert war und Englisch nur eine Hilfsfunktion hatte.
3. Bei der Anwendung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs ist nicht zwischen dem deutschen und dem ausländischen Recht zu vergleichen, sondern auf die von Art. 103 GG geschützten Grundwerte zurückzugehen. Ein anwaltlich vertretener Beteiligter muss nicht auch selbst angehört werden.
OLG München Beschl. v. 22.6.2009 – 34 Sch 26/08; SchiedsVZ 2010, 169 = RKS A 4 a Nr. 122
Aus den Gründen:
1. An einer abschließenden verbindlichen Entscheidung des Schiedsgerichts fehlt es nicht deshalb, weil den Schiedsspruch vom 1.2.2007 nur zwei der drei Schiedsrichter unterschrieben haben und der Grund für die fehlende dritte Unterschrift nicht angegeben ist. Das maßgebliche spanische Recht (Art. 37 Abs. 3 Ley de Arbitraje 60/2003 vom 23.12.2003) enthält allerdings eine dem deutschen Recht (§ 1054 Abs. 1 S. 2 ZPO) vergleichbare Regelung. Im Verfahren mit mehr als einem Schiedsrichter genügen hiernach die Unterschriften der Mehrheit aller Mitglieder. Notwendig ist jedoch die Angabe des Grundes für die fehlende Unterschrift, worauf nach deutschem Recht nicht verzichtet werden kann (h.M.; Reichold in Thomas/Putzo § 1054 Rd-Nr. 10; Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22.Aufl.§ 1054 Rd-Nr. 2 und 7; Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rd-Nr. 1752). Ohne den Zusatz ist der Schiedsspruch noch nicht wirksam. Ob aus Art. 45 der von den Parteien vereinbarten Schiedsordnung der Handelskammer Madrid vom 26.3.2004 gefolgert werden kann, dass der dritte Schiedsrichter nicht zu unterschreiben braucht und die fehlende Unterschrift ohne Angabe von Gründen als Anschluss an die von den beiden übrigen Schiedsrichtern getroffene Mehrheitsentscheidung zu werten ist, die entsprechende Bestimmung also einen etwaigen Zusatz überflüssig macht, bedarf keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Denn das im Aufhebungsverfahren befasste staatliche spanische Gericht hat im Zuge der Nichtigkeitsklage im Umstand der fehlenden dritten Unterschrift keinen Nichtigkeitsgrund erkannt. Der Senat entnimmt hieraus, dass das spanische Gericht damit auch die Vorfrage der Existenz oder Wirksamkeit des Schiedsspruchs bejaht hat. Im Verhältnis der Parteien bindet jene Entscheidung vom 17.6.2008 nach Maßgabe von § 328 Abs. 1 ZPO, d. h. die im ausländischen Urteil festgestellte Rechtsfolge ist auch für das inländische Gericht bindend, soweit es um die Vorfrage geht, ob ein wirksamer Schiedsspruch nach nationalem spanischen Recht überhaupt vorliegt (vgl. OLG Bremen Beschl. v. 30.9.1999 – (2) Sch 4/99 BB 2000 Beil. 12, 18f.; MünchKomm/Gottwald ZPO 3. Aufl. § 328 Rd-Nr. 7; Musielak/Voit ZPO 6. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 20; Harbst SchiedsVZ 2007, 22/30). Ein Grund, dem Urteil des ausländischen Gerichts nach § 328 Abs. 1 ZPO die Anerkennung im Inland zu versagen, liegt insoweit nicht vor. Insbesondere kennt auch das deutsche staatliche Recht die Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen ohne die Unterschriften sämtlicher Richter und auch ohne Kenntlichmachung von Gründen für die fehlende Unterschrift (BGHZ 148, 55/59; BayObLG ZWE 2001, 594; Reichold in Thomas/Putzo § 329 Rd-Nr. 11). Aus der Entscheidung des Landgerichts Madrid folgt zudem, dass die fehlende Unterschrift nicht auf einer fehlenden Abschlussberatung beruht, sondern die Entscheidung des gesamten Schiedsrichterkollegiums bereits am 9.1.2007 getroffen wurde. Insofern ist der Senat auch in der Sache davon überzeugt, dass das den Parteien übermittelte Exemplar tatsächlich den Schiedsspruch wiedergibt und nicht nur einen noch abschließend im Gremium zu beratenden Entwurf enthält.
2. Die Anwendung der spanischen Sprache im Schiedsverfahren widerspricht nicht der Parteivereinbarung (Art. V Abs. 1 d UNÜ). In ihrer Schiedsklausel vom 19.2.2001 vereinbarten die Parteien allerdings Englisch als Verfahrenssprache. Jedoch unterwarfen sie sich der Jurisdiktion eines institutionellen Schiedsgerichts und damit auch dessen Verfahrensordnung, welche in Art. 6 die spanische Sprache vorschreibt und in Verbindung mit der maßgeblichen Übergangsbestimmung (Disposicion Transitoria Ast. 4 S. 34) auf die im Dezember 2005 erhobene Schiedsklage anzuwenden ist. Diesen Widerspruch aufgelöst haben die Parteien jedoch einvernehmlich dadurch, dass sie bei Einleitung des Schiedsverfahrens Abweichendes vereinbarten, nämlich unter ausdrücklichem Hinweis auf Art. 6 der Schiedsordnung, alle Dokumente auf Verlangen in Spanisch und Englisch vorzulegen und keine Einwände zu erheben, wenn Dokumente auf Englisch vorgelegt oder Handlungen auf Englisch vorgenommen werden. Die Beklagtenseite hat dies in ihrer Klageerwiderung und in ihren Schriftsätzen (zit. nach Datum, Seite) gebilligt und wiederholt bestätigt. Für die durch einen spanischen Verfahrensbevollmächtigten vertretene deutsche Antragsgegnerin war hierbei ersichtlich, dass mit Unterwerfung des Streits unter die Rechtsprechungsgewalt dieses Schiedsgerichts Spanisch als maßgebliche Verfahrenssprache akzeptiert wurde (Art. 1 Abs. 2 S. 1 SchiedsO) und Englisch nur eine Hilfsfunktion im Verkehr der Parteien untereinander hatte. Schließlich kann sich die AGg. auf die Verwendung einer nicht vereinbarten Verfahrenssprache auch deshalb nicht berufen, weil das LG Madrid sich mit den Erschwernissen der AGg. durch eine ihr fremde Verfahrenssprache ausdrücklich befasst und eine darauf begründete Nichtigkeit des Schiedsspruchs verneint hat. Auch insoweit ist jenem Urteil des spanischen Gerichts die Anerkennungswirkung nach § 328 ZPO nicht zu versagen.
3. Bei der Frage der Anwendung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs kann nicht ein Vergleich zwischen dem deutschen und dem ausländischen Recht vorgenommen werden. Es ist vielmehr auf die Grundwerte zurückzugehen, die Art. 103 Abs. 1 GG schützen will. Das ist einmal der Umstand, dass es das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit grundsätzlich verbietet, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit hatte, sich zu äußern. Zum andern verlangt es die Unantastbarkeit der Menschenwürde, dass ein Verfahrensbeteiligter auf die Verfahrensgestaltung aktiv Einfluss nehmen kann (z. B. BGH NJW 1978, 1114, 1115; 2007, 772, 774; WM 2009, 573, 574). Die Antragsgegnerin hatte in jeder Phase des Verfahrens Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen; sie war auch im Schlusstermin durch einen der Gerichtssprache mächtigen Bevollmächtigten vertreten. Die Befugnis zu jederzeitigen unmittelbaren Parteiausführungen ist von Art. 103 Abs. 1 GG nicht umfasst (BVerwG NJW 1984, 625, 626; BVerfGE 31, 364, 370). Im Falle anwaltlicher Vertretung verlangt der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht, dass auch der Beteiligte selbst angehört werden muss (Maunz/Dürig GG Art. 103 Rd-Nr. 109; BayVerfGH 23, 177; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff Verfassung des Freistaates Bayern Art. 91 Rd-Nr. 17), mag dies das einfachgesetzliche Recht wie etwa in § 137 Abs. 4 ZPO auch verlangen.