Recht und Fair Play

A 4a Nr. 119

Art. II Abs. 2 UNÜ, Art. I Abs. 2 a EuÜ - Schiedsabrede in wechselseitiger Korrespondenz, notwendige Kongruenz des beiderseitigen Parteiwillens. Meistbegünstigung
I. Das Zustandekommen einer Schiedsabrede durch gegenseitigen Schriftwechsel setzt den Nachweis zumindest einer formalen Kongruenz des beiderseitigen Parteiwillens voraus. Die einseitige Zusendung einer die Schiedsklausel enthaltenden Verkaufsbestätigung genügt nicht. Mindestens im Wege der Auslegung muss dem Verhalten des Empfängers entnommen werden können, dass dieser die auf den Abschluss der Schiedsvereinbarung gerichtete Klausel auch tatsächlich in seinen rechtsgeschäftlichen Willensprozess aufgenommen hat. Daran fehlt es, wenn die nach Vertragsschluss und Auslieferung der Ware geführte Korrespondenz – auch dem Partner ersichtlich – nur die Mängelgewährleistung betrifft und nicht bezweckt, bis dahin nicht abgeschlossene Vereinbarungen über die Verweisung von Streitigkeiten an ein Schiedsgericht zu treffen.
II. Nach Art. VII Abs. 1 UNÜ gilt im Anwendungsbereich des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (EuÜ) die Meistbegünstigung: Die Form der Schiedsvereinbarung richtet sich gemäß Art. I Abs. 2a EuÜ. Er lockert das Schriftformerfordernis auf für den Fall, dass beide Parteien Vertragsstaaten angehören, deren Rechtsordnungen für Schiedsvereinbarungen keine Schriftform fordern.
Nach deutschem Recht gilt das Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben unter Kaufleuten als Zustimmung, wenn der Empfänger dessen Inhalt nicht unverzüglich widerspricht.
Im französischen Recht ist dies für ein Bestätigungsschreiben mit Schiedsklausel nicht eindeutig geklärt.
Jedenfalls muss aber nachgewiesen werden, dass das Bestätigungsschreiben dem Empfänger gerade im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss zugegangen ist.
OLG München Beschl. v. 23.11.2009 - 34 Sch 13/09; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2010, 50 = RKS A 4 a Nr. 119
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines zu ihren Gunsten in Frankreich ergangenen Schiedsspruchs vom 14.2. 2008, der vom Tribunal de Grande Instance am 14.8.2008 für vollstreckbar erklärt wurde. Die Antragsgegnerin behauptet u. a., eine Schiedsvereinbarung liege nicht vor. Die ASt. beruft sich auf eine Verkaufsbestätigung vom 8.6.2007, die vorderseitig folgende Bestimmung enthielt:
"Les conditions générales de vente sont celles édictées par COFREUROP. Tout litige pour la présente affaire relèvera de la compétence du Tribunal de Commerce de l’expéditeur. VERKAUF NUR COFREUROP VENTE COFREUROP-Sales COFREUROP Chambre Arbitrale de Strasbourg."
Aus den Gründen:
I. Die inländische Vollstreckbarerklärung auf der Grundlage des UNÜ scheitert daran, dass es an einer schriftlichen Schiedsvereinbarung in wechselseitigem Schriftverkehr gem. Art. II Abs. 2 UNÜ fehlt (vgl. Art. V Abs. 1 a UNÜ). Insoweit liegt nach der Rechtsprechung des Senats die Darlegungs- und Beweislast bei demjenigen, der die Vollstreckbarerklärung begehrt (Beschl. v. 1.12.2008 – 34 Sch 004/08 OLG-Report 2009, 263; BayObLGZ 2002, 392/394 = RKS A 1 Nr. 122); vgl. auch Musielak/Voit ZPO 6. Aufl. § 1061 Rd-Nr. 14; § 1059 Rd-Nr. 10). Gründe, den Einwand der Unzuständigkeit im inländischen Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW-RR 2008, 1083 = RKS A 4 a Nr. 105), sind nicht erkennbar. Insbesondere hat sich die Antragsgegnerin bereits im Verfahren vor dem Schiedsgericht ausdrücklich darauf berufen, dass eine Schiedsklausel nicht vereinbart worden sei, womit sich der Schiedsrichter in seinem abschließenden Schiedsspruch auch auseinandergesetzt hat. Die ASt. hatte unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben keinen Anlass zur Annahme, die AGg. werde sich in Deutschland einer Vollstreckbarerklärung unter Berufung auf die fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht widersetzen.
Die einseitige Verkaufsbestätigung vom 8.6.2007 erfüllt die Formerfordernisse des Art. II Abs. 2 UNÜ nicht. Für eine wirksame Schiedsabrede ist nämlich zumindest erforderlich, dass sie in Schriftstücken enthalten ist, die die Parteien gewechselt haben; die einseitige Zusendung eines Vertragstextes genügt nicht (BayObLGZ 2002, 392/395 = RKS A 1 Nr. 122; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 44 Rd-Nr. 7; auch BGH NJW 2005, 3499/3500 = RKS A 4 a Nr. 78). Der als Schiedsklausel erachtete schriftliche Zusatz („Chambre Arbitrale de Strasbourg“) findet sich einzig auf der Verkaufsbestätigung vom 8.6.2007 des für die ASt. tätigen Maklers. Die AGg. hat dieses Dokument zwar am 15.6.2007 im Zusammenhang mit der Rüge für eine Fax-Sendung verwendet („K 4“). Jedoch setzt Art. II Abs. 2 UNÜ zumindest eine formale Kongruenz des beiderseitigen Parteiwillens voraus. Notfalls im Wege der Auslegung muss dem Verhalten des Vertragspartners entnommen werden können, dass dieser die auf den Anschluss der Schiedsvereinbarung gerichtete Klausel auch tatsächlich in seinen rechtsgeschäftlichen Willensprozess aufgenommen hat (Hausmann in Reithmann/Martiny Internationales Vertragsrecht 5. Aufl. Rd-Nr. 2344; Wackenhuth ZZP 99 (1986), 445/460f.). Daran fehlt es, weil die nach dem eigentlichen Vertragsschluss geführte Korrespondenz, auch für die ASt. ersichtlich, die Mängelgewährleistung anging und nicht bezweckte, bis dahin nicht abgeschlossene Vereinbarungen über die Verweisung von Streitigkeiten an ein Schiedsgericht zu treffen. Demgemäß kann schließlich auch ein Hin- und Hersenden des diese Verkaufsbestätigung enthaltenden Dokuments am 15.6.2007 per Fax den Abschluss einer Vereinbarung i.S.v. Art. II UNÜ nicht begründen.
II. Anerkannt ist, dass nach Art. VII Abs. 1 UNÜ im (hier gegebenen) Anwendungsbereich des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl. 1964 II S. 426) die Meistbegünstigung gilt (z.B. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 30. Aufl. § 1061 Rd-Nr. 7; MüKO/Adolphsen 3.Aufl. § 1061 Anh. 1 Art. VII UNÜ Rd-Nr. 9). Die Form der Schiedsvereinbarung hat sich in diesem Fall nach Art. I Abs. 2 a EuÜ zu richten, welcher das Schriftformerfordernis auflockert (MüKo/Adolphsen § 1061 Anh. 2 EuÜ Rd-Nr. 13). Das setzt voraus, dass beide Parteien Vertragsstaaten angehören, deren Rechtsordnungen für Schiedsvereinbarungen keine Schriftform erfordern. Nach deutschem Recht (vgl. 1031 Abs. 2 ZPO) gilt das Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben unter Kaufleuten als Zustimmung, wenn der Empfänger jenem Inhalt nicht unverzüglich bzw. „rechtzeitig“ widerspricht (vgl. MüKo/Münch § 1031 Rd-Nr. 36). Im französischen Recht ist nach den dem Senat zugänglichen Quellen nicht eindeutig geklärt, ob das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben mit Schiedsklausel eine Bindung herbeiführt (vgl. Sandrock in Witz/Bopp Französisches Vertragsrecht für deutsche Exporteure 1989 S. 54/61; Groos RIW 1987, 343/344).
Insoweit mag allgemein eine zunehmend großzügige Tendenz zu beobachten sein (vgl. auch Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit 2. Aufl. Rd-Nr. 380). Doch kommt es letztlich darauf nicht an, weil die ASt. nicht nachgewiesen hat, dass die Verkaufsbestätigung vom 8.6.2007, mag das Schriftstück auch durchaus als kaufmännisches Bestätigungsschreiben für einen schon zuvor formlos abgeschlossenen Vertrag zu qualifizieren sein (vgl. OLG Hamburg OLG-Report 2004, 66/67), der AGg. gerade im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss zugegangen ist. Diese hat den Zugang – von Anfang an – in Abrede gestellt. Das Fax „K 4“ vom 15.6. (Verkaufsbestätigung vom 8.6. mit handschriftlichen Erklärungen) dokumentiert eine erst nach Auslieferung geführte Korrespondenz wegen Mängeln der Ware. Es ist zwar offensichtlich, dass die AGg. das als „K 4“ vorgelegte Formular am 15.6. der ASt. zugefaxt hat, es ihr deshalb auch zu diesem Zeitpunkt bekannt war. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, sondern nach der auf dem unteren Rand des Schriftstücks aufgebrachten Fax-Leiste sogar naheliegend, dass die Verkaufsbestätigung „der Einfachheit halber“ in diesem Zeitpunkt zum Austausch von darauf zusätzlich handschriftlich angebrachten Erklärungen („Wir melden den Vorfall bei unserer Versicherung….“, „siehe Bericht“) verwendet wurde. Für diesen Fall ist die mit dem Schriftstück transportierte Erklärung seiner Funktion nach aber nicht mehr auf den Abschluss einer Schiedsvereinbarung angelegt. Denn das Schriftstück diente lediglich dazu, anderweitige Erklärungen im Zusammenhang mit einem (mündlich) bereits zustande gekommenen Vertrag auszutauschen, nicht aber dieses Vertragsverhältnis und insbesondere die autonome Schiedsklausel erst inhaltlich zu fixieren.
Auch wenn das französische Recht das Zustandekommen von Vertragsbedingungen durch die Entgegennahme einer Rechnung kennt (Schlosser Rd-Nr. 380), würde dies hier zu keinem anderen Ergebnis führen, weil die zugegangene Rechnung nur eine Gerichtsstand-, keine Schiedsklausel enthält.