Recht und Fair Play

A 4a Nr. 117

Art. II Abs. 2, VII Abs. 1 UNÜ; § 1061 Abs. 1 ZPO – Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs des Schiedsgerichtsinstituts der Stockholmer Handelskammer. Wirksamkeitsvoraussetzungen der Schiedsabrede. Meistbegünstigung. Beweislast
(1) Gemäß Art. II Abs. 2 UNÜ kann dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung nur stattgegeben werden, wenn der Schiedsspruch durch eine schriftliche Vereinbarung legitimiert ist.
(2) Gemäß der Meistbegünstigungsklausel Art. VII Abs. 1 UNÜ, § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO kann auf eine auf eine beiderseits unterzeichnete Schiedsabrede oder einen gegenseitigen Schriftverkehr verzichtet werden, wenn das maßgebliche nationale Recht günstiger ist.
(3) Nach schwedischem Recht ist grundsätzlich eine mündlich vereinbarte Schiedsklausel wirksam. Der Antragsteller trägt die Beweislast für das Zustandekommen einer solchen Vereinbarung.
(4) Nach § 6 des schwedischen Vertragsgesetzes gelten Antworten, die beinhalten, dass ein Angebot angenommen wird, die aber nicht mit dem Angebot übereinstimmen, als Ablehnung des alten und Abgabe eines neuen Angebots. Bei einer erheblichen Abweichung von Angebot und Antwort führt das Schweigen des Empfängers des neuen Angebots nicht ohne weiteres zu einem Vertrag mit dem Inhalt des neuen Angebots. Dies gilt auch für eine darin enthaltene Schiedsvereinbarung.
(5) Dass früheren Verträgen zwischen den Parteien die AGB der einen Partei einschließlich Schiedsklausel zugrunde gelegt wurden, ergibt nicht automatisch, dass dies auch für jeden der folgenden Verträge gelten muss.
(6) Hat der Antragsteller den Beweis für das Zustandekommen der Schiedsvereinbarung nicht erbracht, ist dem Antragsgegner nicht zuzumuten, im Erlassstaat ein gerichtliches Aufhebungsverfahren zu betreiben.
(7) Dass der Antragsgegner im Schiedsverfahren hilfsweise zur Hauptsache Stellung genommen hat, präkludiert seinen Einwand fehlender Schiedsvereinbarung nicht.
OLG München Beschl. v. 12.10.2009 – 34 Sch 20/08 Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2009, 340 = RKS A 4 a Nr. 117
Aus dem Sachverhalt:
I. Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs des Schiedsgerichtsinstituts der Stockholmer Handelskammer vom 19.6.2008, der dem Antrag auf Schadensersatz wegen Vertragsverletzung im Wesentlichen stattgegeben hatte. Das Schiedsgericht hatte als erwiesen angesehen, dass die Parteien im Rahmen zweier Telefongespräche zwischen dem Geschäftsführer der Antragstellerin und einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin einen wirksamen Vertrag unter Einbeziehung der Schiedsklausel geschlossen hatten. Die Antragsgegnerin hatte die Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht anerkannt, diese Rüge im Schiedsverfahren ausdrücklich aufrecht erhalten und beantragt, die Vollstreckbarerklärung abzulehnen.
Aus den Gründen:
II. 1. Für den Antrag ist das OLG München zuständig, weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Bayern hat.
2. Der Antrag ist zulässig. Soweit Art. IV UNÜ über § 1064 Abs. 1 und 3 ZPO hinausgehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden, Übersetzungen und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UNÜ das Günstigkeitsprinzip (BGH NJW 2005, 3499 = RKS A 4 a Nr. 78). Das anerkennungsfreundlichere nationale Recht verlangt zwingend auch für ausländische Schiedssprüche jedoch nur die Vorlage des Schiedsspruchs im Original oder in anwaltlich beglaubigter Abschrift.
3. Die Vollstreckbarerklärung ist abzulehnen und gleichzeitig festzustellen, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist (§ 1061 Abs. 2 ZPO).
a. Maßgeblich für die Anerkennung des in Schweden ergangenen Schiedsspruchs ist in erster Linie das UNÜ. Das Europäische Übereinkommen über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 findet keine Anerkennung, da Schweden den Vertrag nicht ratifiziert hat (Musielak/Voit ZPO 7. Aufl. § 1061 Rd-Nr. 7 bei FN 33). Da die ASt. ihre Niederlassung in Schweden hat, findet insoweit auch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den Internationalen Warenkauf vom 11.4.1980 (BGBl. 1989 II S. 588; CISG) auf den möglichen Vertragsschluss keine Anwendung (Staudinger/Magnus BGB Neubearb. 2005 CISG Art. 1 Rd-Nr. 114).
(1) Dem Antrag, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, kann nur stattgegeben werden, wenn die schiedsrichterliche Entscheidung durch eine „schriftliche Vereinbarung“ i.S.v. Art. II Abs. 2 UNÜ legitimiert ist. Deren Fehlen wird dadurch, dass das Schiedsgericht vom Vorliegen einer solchen Vereinbarung ausgegangen ist, nicht geheilt (BayObLGZ 2002, 392; OLG Celle SchiedsVZ 2004, 165 = RKS A 4 a Nr. 69; Senat vom 19.1.2009 34 Sch 004/08 RKS A 4 a Nr. 114).
Die ASt. hat darzulegen und zu beweisen, dass zwischen den Parteien eine schriftliche Schiedsvereinbarung geschlossen wurde (BayObLGZ 2002, 392; 12.12.2002 RKS A 1 Nr. 122; Senat vom 19.1.2009 – 34 Sch 004/08 RKS A 4 a Nr. 114). Hierbei kommt es auf die Beweislastregel des Art. V Abs. 1 UNÜ nicht an, weil sich die Ag. nicht darauf beruft, dass eine Schiedsvereinbarung aus den in Art. V UNÜ genannten Gründen unwirksam sei. Art. V Abs. 1 UNÜ setzt gerade voraus, dass eine schriftliche Schiedsvereinbarung im Sinne von Art. II Abs. 1 UNÜ geschlossen wurde (OLG Brandenburg 13.6.2002 – 8 Sch 2/01 = BeckRS 2002, 30265774). Die ASt. bestreitet dies bereits. Sie beruft sich damit auf das Fehlen der Voraussetzungen nach Art. II UNÜ.
b. Grundsätzlich kann die Form des Art. II Abs. 2 UNÜ auch dann gewahrt sein, wenn die Schiedsklausel lediglich in den AGB einer Partei enthalten ist. Hierzu ist nicht erforderlich, dass diese Geschäftsbedingungen in den Text der beiderseits unterschriebenen Vertragsurkunde integriert sind. Vielmehr genügt auch eine bloße Bezugnahme im Text der Vertragsurkunde oder in den ausgetauschten Schreiben, wenn diese entweder auf der Rückseite der Vertragsurkunde abgedruckt oder als Anlage beigefügt sind (Staudinger/Hausmann 13. Bearb. 2002 Anhang II zu Art. 27-37 EGBGB Rd-Nr. 276). Entscheidendes Kriterium ist die Wechselseitigkeit. Die einseitige Zusendung einer Auftragsbestätigung und die stillschweigende Annahme des darin enthaltenen neuen Vertragsangebots genügt für die Schriftform nicht (MüKo/Adolphsen ZPO 3. Aufl. § 1061 Anh. 1 Art. II UNÜ Rd-Nr. 15). Die Übersendung der Auftragsbestätigung vom 13.2.2006 erfüllt damit die Anforderungen nicht.
(2)
c. Auf das Erfordernis einer beiderseits unterzeichneten Schiedsabrede oder eines gegenseitigen Schriftwechsels kann jedoch im Rahmen der Meistbegünstigungsklausel (Art. VII Abs. 1 UNÜ, § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO) verzichtet werden, wenn das hier maßgebliche nationale Recht keine Schriftform verlangt (MüKo/Adolphsen § 1061 Anh. 1 Art. II UNÜ Rd-Nr. 17). Nationales Recht ist auch im Bereich des UNÜ anzuwenden, wenn es für die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs günstiger ist (Art. VII Abs. 1 UNÜ; BGH NJW 2005, 3499/3500 m. w .N. = RKS A 4 a Nr. 78). Es umfasst nationale Kollisionsregeln und das danach als Statut der Schiedsvereinbarung berufene nationale Recht (BGH a. a. O.). Vorliegend kommt als günstigeres Recht nur deutsches oder schwedisches Recht – das Recht der Länder, in dem die beiden Parteien ihren Sitz haben – in Frage, da eine Vereinbarung, die das Recht eines dritten Staates für anwendbar erklärt, nicht geschlossen wurde (Art. 28 EGBGB).
(3) 1. Auch bei Anwendung des (insoweit der ASt. günstigsten) schwedischen Rechts liegt eine wirksame Schiedsabrede nicht vor.
aa. Nach schwedischem Recht wäre grundsätzlich eine mündlich vereinbarte Schiedsklausel wirksam. Diese setzt den Nachweis voraus, dass die Parteien die Beilegung ihrer Meinungsverschiedenheiten durch ein Schiedsgericht im Rahmen eines Vertrages gemeinsam verabredet hätten.
Das Schiedsgericht leitet die Schiedsvereinbarung und damit seine Zuständigkeit aus einer am 13.2.2006 getroffenen mündlichen Vereinbarung her. Die Ag. bestreitet dies.
Bei der Prüfung, ob eine Schiedsvereinbarung vorliegt, ist der Senat nicht an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Schiedsgerichts gebunden (Senat vom 19.1.2009 - 34 Sch 004/09 RKS A 4 a Nr. 114 m. w. N.). Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist nicht erwiesen, dass eine Schiedsklausel mündlich vereinbart wurde. Insbesondere ist nicht nachgewiesen, dass am 13.2.2006 zwischen dem Geschäftsführer der ASt. und dem Zeugen A. von der Ag. zwei Telefongespräche stattgefunden haben, bei denen ein Vertrag unter Einbeziehung der AGB einschließlich der Schiedsabrede abgeschlossen worden ist (wird ausgeführt).
bb. Ein Vertrag zwischen den Parteien unter Einbeziehung der eine Schiedsklausel enthaltenden AGB der ASt. ist auch nicht durch Übersendung der Auftragsbestätigung zu Stande gekommen.
aaa. Eine Annahme des Angebots hat durch Übersendung der Auftragsbestätigung vom 13.2.2006 nicht stattgefunden, da die Auftragsbestätigung in wesentlichen Teilen von dem Angebot abweicht. So enthält das Angebot u. a. die AGB der Antragsgegnerin. Dass diese Bedingungen möglicherweise für den gegenständlichen Vertrag nicht in vollem Umfange geeignet waren, ist dabei unbeachtlich. Es steht der Partei eines Vertrages frei, ihren Vertragsangeboten auch solche Bedingungen zu Grunde zu legen, die ihr möglicherweise keinen Vorteil bringen. Weiterhin sind auch keine Preise genannt worden. Die Auftragsbestätigung wäre daher nur als neues Angebot zu verstehen, zu dem eine Annahme nicht erfolgt ist.
(4)
bbb. Eine Annahme des die Auftragsbestätigung enthaltenden Angebots hat auch nicht mangels Widerspruchs stattgefunden.
Nach § 6 des schwedischen Vertragsgesetzes gelten Antworten, die beinhalten, dass ein Angebot angenommen wird, die aber nicht mit dem Angebot übereinstimmen, als Ablehnung des alten und Abgabe eines neuen Angebots (§ 6 Abs. 1 schwedisches Vertragsgesetz). Der Empfänger dieses Angebots ist, wenn der Antwortgebende der Auffassung ist, dass dieses mit dem Angebot übereinstimmt und der Empfänger dies so verstehen muss (§ 6 Abs. 2), verpflichtet, ohne ungebührliches Zögern davon Mitteilung zu machen, dass er das neue Angebot nicht annehmen wolle. Da eine Einigung über den Vertrag durch die Telefonate am 13.2.2006 nicht nachgewiesen ist und die Auftragsbestätigung von der Bestellung der Ag. erheblich abweicht, hätte auch ein Schweigen allein nicht zum Vertragsschluss mit den von der ASt. festgelegten Konditionen geführt. Denn ein Angebotgeber, der keinen Bescheid vom Empfänger erhält, kann nur dann davon ausgehen, dass sein Angebot angenommen worden ist, wenn sich die Parteien vorab zumindest über die wesentlichen Punkte geeinigt gehabt hätten. Diese Rechtslage ergibt sich zum einen aus dem Schiedsspruch selbst und zum anderen aus den bei den Akten befindlichen Unterlagen, die über die maßgeblichen Bestimmungen des schwedischen Rechts und seine Auslegung genügenden Aufschluss geben.
Darüber hinaus antwortete die Ag. bereits am 21.2.2006. Insoweit geht der Senat nicht von einer ungebührlich langen Zeit aus. Insbesondere hat die Ag. keine acht Arbeitstage verstreichen lassen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung kann die per Post versandte Auftragsbestätigung frühestens am 25.2.2006 bei der ASt. eingegangen sein. Angesichts der Größe und des Umfangs des Auftrages kann aber eine Zeit von fünf Arbeitstagen nicht als ungebührliches Zögern bewertet werden, insbesondere wenn man davon ausgeht, dass zwischen der Angebotsabgabe und der Auftragsbestätigung mehrere Wochen lagen.
2. Ob nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. VII Abs. 1 UNÜ) ein Rückgriff auf das deutsche Recht erlaubt ist - nämlich auf §§ 1025 Abs. 4, 1061 bis 1065 ZPO, welche bei Durchbrechung der Rückverweisung des nationalen Rechts auf das UNÜ die Anwendung von im Vergleich zu Art. II Abs. 2 UNÜ zurückhaltenderen nationalen Formvorschriften wie die des § 1031 ZPO ermöglichen (offen gelassen in BGH NJW 2005, 3499 = RKS A 4 a Nr. 78) - braucht hier ebenfalls nicht entschieden zu werden.
§ 1031 Abs. 2 ZPO setzt nämlich mindestens voraus, dass eine Partei der anderen ein Schriftstück mit einer entsprechenden Vereinbarung übermittelt, wobei nicht erforderlich ist, dass sich die Parteien auf eine Schiedsklausel verständigt haben, und die andere Partei nicht rechtzeitig widerspricht. Ein Widerspruch ist jedoch nicht erforderlich, wenn das Bestätigungsschreiben so weit vom Verhandlungsergebnis abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen musste (Palandt/Ellenberger BGB 68. Aufl. § 147 Rd-Nr. 8). Da eine mündliche Einigung nicht erzielt worden ist (vgl. oben), würde ein fehlender Widerspruch nicht zu einer Einigung führen.
(5) 3. Eine Schiedsvereinbarung ist auch nicht auf andere Weise, etwa frühere Rahmenverträge, zu Stande gekommen. Allein dadurch, dass in der Vergangenheit den Verträgen zwischen den Parteien die AGB der ASt. zugrundegelegt wurden, ergibt sich noch kein Automatismus, dass dies für jeden der folgenden Verträge ebenfalls gelten muss, insbesondere, weil das Angebot der Ag. ausdrücklich auf ihre AGB Bezug nahm und auch die von der ASt. vorgelegten und vom Schiedsgericht zu Grunde gelegten Bedingungen sich ausdrücklich immer nur auf den gegenständlichen Vertrag bezogen.
(6) Die Einwendungen der Ag. sind auch nicht präkludiert. Hat sich eine Partei nicht der schiedsgerichtlichen Entscheidung durch „schriftliche Vereinbarung“ i.S.v. Art. II Abs. 2 UNÜ unterworfen oder kann dies nicht nachgewiesen werden, ist es ihr auch nicht zuzumuten, im Erlassstaat ein gerichtliches Aufhebungsverfahren zu betreiben (Senat vom 19.1.2009 – 34 Sch 004/08 RKS A 4 a Nr. 114; ebenso Zöller/Geimer ZPO 27. Aufl. § 1061 Rd-Nr. 22). Von einer Verwirkung des Rechts, die Einwendungen geltend zumachen, kann keine Rede sein.
(7) Eine Heilung des Formmangels hat auch nicht im Rahmen des schiedsrichterlichen Verfahrens stattgefunden. Weder hat sich die Ag. ausdrücklich zu Protokoll des Schiedsgerichts unterworfen, noch hat sie sich rügelos zur Sache eingelassen (BayObLGZ 2002, 392, 396). Dass die Ag. hilfsweise zur Hauptsache Stellung genommen hat, schadet nicht (Zöller/Geimer § 1061 Rd-Nr. 22).