Recht und Fair Play

A 4a Nr. 116

Verhältnis von UNÜ und EuÜ, §§ 93, 1061 Abs. 1 S. 2, 1064 Abs. 1 und 3 ZPO. - Vollstreckbarerklärung ausländischen (tschechischen) Schiedsspruchs trotz nachträglicher Ratenzahlungsvereinbarung. Teilzahlungen. Verfahrenskosten
(1) Maßgeblich für die Anerkennung eines in der EU ergangenen Schiedsspruchs ist in erster Linie das Europäische Übereinkommen über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (EuÜ). Es ändert das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (UNÜ) teilweise ab und geht diesem vor (vgl. § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO). Es gilt jedoch, auch im Verhältnis zum innerstaatlichen Recht, das Meistbegünstigungsprinzip, wonach auf das anerkennungsfreundlichere Regelwerk zurückzugreifen ist.
(2) Ein Ratenzahlungsvertrag beseitigt das Rechtsschutzinteresse an der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht und steht ihr nicht entgegen, selbst wenn er die Fälligkeit der titulierten Forderung hinausschiebt.
(3) Für vollstreckbar zu erklären ist der von dem ausländischen Schiedsgericht getroffene Leistungsausspruch in seiner konkreten Form. Im Schiedsspruch verlautbarte ausländische Währungen werden nicht in Euro umgerechnet.
(4) Geleistete Teilzahlungen sind zu berücksichtigen. Mangels entgegenstehender Abrede gilt die gesetzliche Tilgungsreihenfolge von Hauptsache, Zinsen und Kosten. Sie richtet sich nach dem von den Parteien vereinbarten materiellen Recht. Verfahrensrechtlich ist davon auszugehen, dass der Antrag auf Vollstreckbarerklärung wegen der bis zu dessen Zustellung geleisteten Teilzahlungen zurückgenommen und wegen der im Laufe des Vollstreckbarerklärungsverfahrens geleisteten Zahlungen für erledigt erklärt wird.
(5) Eine vom Antragsgegner behauptete Ratenzahlungsvereinbarung oder Leistungsbereitschaft mindert nicht die Veranlassung i.S.d. § 93 ZPO zum Antrag auf Vollstreckbarerklärung; der Gegner trägt die Verfahrenskosten gemäß §§ 91, 91a, 92 Abs. 2 ZPO.
OLG München Beschluss vom 11.5.2009 - 34 Sch 23/08; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2009, 343 = RKS A 4 a Nr. 116
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin beantragt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs des Schiedsgerichts bei der Wirtschaftskammer der Tschechischen Republik und der Agrarkammer der Tschechischen Republik in Prag vom 4.4.2007 auf Zahlung von 124.244 US$. Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung des Antrags, da die Parteien im Rahmen der in der Tschechischen Republik betriebenen Zwangsvollstreckung am 17./19.9.2008 einen Ratenzahlungsvertrag geschlossen hätten, auf Grund dessen er monatlich 10.000 CZK zahle.
Aus den Gründen:
(1) 2.Maßgeblich für die Anerkennung des in Prag ergangenen Schiedsspruchs ist in erster Linie das Europäische Übereinkommen über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl. 1964 II S. 425 – EuÜ), das für die CSR seit 1.1.1993 in Kraft ist (BGBl. 1994 II S. 978). Das EuÜ ändert das UNÜ vom 10.6.1958 (BGBl. 1961 II S. 122) teilweise ab (siehe Art. IX Abs. 2) und geht diesem vor (vgl. § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO). Es gilt jedoch, auch im Verhältnis zum innerstaatlichen Recht, das Meistbegünstigungsprinzip, wonach auf das anerkennungsfreundlichere Regelwerk zurückzugreifen ist (BGH NJW-RR 2004, 1504 = RKS A 4 a Nr. 65; BayObLGZ 2000, 233 = RKS A 4 a Nr. 63; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 29. Aufl. § 1061 Rd-Nr. 7).
3. Der Antrag ist zulässig (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1, § 1064 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 ZPO). Formelle Erfordernisse enthält das EuÜ nicht. Soweit Art. IV UNÜ über § 1064 Abs. 1 und 3 ZPO hinausgehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden, Übersetzungen und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UNÜ ebenfalls das Günstigkeitsprinzip (BGH a. a. O.)… Die ASt. hat diesen Voraussetzungen genügt.
(2) Dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse wegen des vom AGg. behaupteten Ratenzahlungsvertrags. Seine Existenz unterstellt beseitigt er das Rechtsschutzbedürfnis der ASt. auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht. Zum einen kann nur die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vor der Geltendmachung von Aufhebungsgründen schützen (BGH WM 2006, 1121 = RKS A 4 a Nr.82) und zum anderen hat die ASt., selbst wenn man das Bestehen einer Ratenzahlungsvereinbarung unterstellt, regelmäßig einen Anspruch auf einen vollstreckungsfähigen Titel als wirksames Druckmittel gegen den AGg. Sie kann im Allgemeinen – auch bei signalisierter Erfüllungsbereitschaft – nicht darauf verwiesen werden abzuwarten, ob der AGg. bereit ist, freiwillig zu zahlen (OLG München 8.3.2007 34 Sch 028/06 = SchiedsVZ 2007, 164 = RKS A 4 b Nr. 41; OLG Frankfurt 18.5.2006 - 26 Sch 26/05). Dies ist angesichts der Höhe der Forderung einerseits und der Höhe der Teilleistungen andererseits augenscheinlich.
Der Antrag erweist sich auch nicht deshalb als unzulässig, weil zwischen den Parteien ein Stillhalteabkommen bestünde (BGH NJW-RR 1989, 1048/1049). Die ASt. hat substantiiert bestritten, dass ein derartiges Abkommen zu Stande gekommen ist. Die vom AGg. zur Untermauerung seines Vorbringens vorgelegten Schriftstücke sind nicht geeignet, eine notwendigerweise beidseitige vertragliche Abrede zu begründen.
4. Der endgültige und mit Rechtskraftklausel versehene Schiedsspruch ist gem. § 1061 Abs. 1 ZPO für vollstreckbar zu erklären, weil Versagungsgründe weder dargetan noch ersichtlich sind. Insbesondere hindert die vom AGg. behauptete Ratenzahlungsvereinbarung selbst dann die Vollstreckbarerklärung nicht, wenn sie ein Hinausschieben der Fälligkeit enthalten sollte, da die Fälligkeit der durch den Schiedsspruch zuerkannten Ansprüche nicht Voraussetzung der Vollstreckbarerklärung ist (Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rd-Nr. 2459).Auch eine damit möglicherweise erklärte Erfüllungsbereitschaft stünde einer Vollstreckbarerklärung nicht entgegen (OLG Frankfurt 18.5.2006 – 26 Sch 26/05).
(3) 5. Für vollstreckbar zu erklären ist der tatsächliche Leistungsausspruch in seiner konkreten Form, wie ihn das ausländische Schiedsgericht getroffen hat. Deshalb findet die Umrechnung von im Schiedsspruch verlautbarten ausländischen Währungen in Euro nicht statt (OLG München 28.11.2005 – 34 Sch 019/05 = RKS A 4 a Nr. 79 m. w. N.).
(4) 6. Im Rahmen der Vollstreckbarerklärungen zu berücksichtigen sind allerdings die unstreitig erfolgten Teilzahlungen. Eine Verrechnungsabrede wurde nicht getroffen. Es gilt daher die gesetzliche Tilgungsreihenfolge für das Verhältnis von Hauptsache, Zinsen und Kosten, die sich hier nach dem von den Parteien vereinbarten materiellen Recht der Tschechischen Republik richtet (Art. 27 EGBGB). Verfahrensrechtlich geht der Senat hinsichtlich der bis März erbrachten Teilbeträge davon aus, dass der Antrag wegen der bis zu dessen Zustellung am 14.11.2008 geleisteten Raten zurückgenommen und wegen der im Laufe dieses Verfahrens erfolgten Zahlungen für erledigt erklärt wurde.
(5) 7. Der Antragsgegner hat gemäß §§ 91, 91a, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die gesamten Kosten dieses Verfahrens zu tragen. Der Rechtsgedanke des § 93 ZPO führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Anwendung des § 93 ZPO im Rahmen eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens setzt voraus, dass der AGg. darlegt und ggf. beweist, durch sein Verhalten keine Veranlassung für die Stellung eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung gegeben zu haben (OLG Frankfurt vom 18.5.2006 – 26 Sch 18/05). Allein die einseitige Erklärung, monatlich einen Betrag zu zahlen, der gerade einmal etwa 50 % der Zinsen abdeckt, gibt der ASt. keine Gewissheit, es mit einem leistungswilligen Schuldner zu tun zu haben.
8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 1064 Abs. 2 ZPO, die Streitwertbemessung aus § 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 4 ZPO.