Recht und Steuern

A 4a Nr. 113

A 4 a Nr. 114

UN-Ü Art. II, Art. V Abs. 1 lit. A; ZPO § 1061- Notwendiger Nachweis wirksamer Schiedsabrede, keine Präklusion der Einrede mangelnden Nachweises im Vollstreckbarerklärungsverfahren
1. Den Nachweis einer nach Art. II des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II S. 122 – UN-Ü) wirksamen Schiedsabrede hat die die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs betreibende Partei zu erbringen (wie BayObLG vom 12.12.2002, 4Z Sch 16/02 = BayObLGZ 2002, 392).
2. Kann nicht nachgewiesen werden, dass sich eine Partei durch „schriftliche Vereinbarung” im Sinne von Art. II Abs. 2 UN-Ü der schiedsrichterlichen Entscheidung unterworfen hat, ist sie mit ihrer Einrede im inländischen Vollstreckbarerklärungsverfahren auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sie im Erlassstaat des Schiedsspruchs die dort mögliche fristgebundene Aufhebungsklage nicht betrieben hat.
OLG München Beschl.v. 19.1.2009 - 34 Sch 004/08; RKS A 4 a Nr. 114
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines 28.11.2007 in Kiew erlassenen Schiedsspruchs.
Am 4.11.2003 wurde ein Vertrag unterzeichnet, wonach die Antragstellerin, ein ukrainisches Unternehmen der Bekleidungsindustrie, für die Antragsgegnerin, ein in München ansässiges Textilunternehmen, aus zur Verfügung gestellten Materialien (Stoffe, Klebestoffe, Garn, Knöpfe usw.) Kleidungsstücke fertigen sollte.
Der Vertrag enthält unter Ziffer 9. („Schiedsgericht”) folgende Klausel:
„9.1. Alle mit diesem Vertrag oder im Zusammenhang damit verbundenen Rechtsstreitigkeiten unterliegen der Übergabe für Untersuchung und endgültige Entscheidung dem internationalen Geschäftsgericht bei der Industrie- und Handelskammer der Ukraine.
Die beiden Parteien sind einstimmig, dass im Laufe der Verhandlung und Erledigung der Streitigkeiten die Geschäftsordnung des internationalen Geschäftsgerichts bei der Industrie- und Handelskammer der Ukraine angewandt wird.
Das den Vertrag regelnde Recht ist das materielle Recht der Ukraine.
Das Schiedsgericht besteht aus einem Schiedsrichter.
Erfüllungsort ist Kiew.
Die Sprache der Gerichtsverhandlungen ist russisch oder deutsch nach der Vereinbarung der Parteien.”
Nach Ziffer 10.2. sind Änderungen oder Ergänzungen zum Vertrag nur gültig, wenn sie in schriftlicher Form abgefasst und von beiden Parteien unterzeichnet sind. Unter Ziffer 10.7 ist geregelt, dass der Vertrag bis 31.12.2004 gültig sein sollte.
Für die Antragsgegnerin wurde der Vertrag von Herrn Jürgen P. unter Beifügung eines Firmenstempels unterschrieben.
In der Folge wurden – auch nach Ablauf des genannten Zeitraums – die jeweils einzeln erteilten Bestellungen der Antragsgegnerin durch die Antragstellerin ausgeführt.
Wegen einer offenen Rechnung vom 23.3.2007 über 12.006,40 – erhob die Antragstellerin am 12.6.2007 zum Internationalen Schiedsgericht bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine in Kiew Klage und machte diese Betrag zuzüglich 73,23 – Verzugszinsen und Kostenerstattung der Schiedsgerichtsgebühr geltend. Mit der Schiedsklage vorgelegt wurden neben dem Vertrag vom 4.11.2003 u.a. Kopien zusätzlicher „Vertragsergänzungen” vom 28.12.2004, 10.1.2006 und 29.12.2006. In deutscher Übersetzung lautet die Vertragsergänzung Nr. 5 vom 10.1.2006, die seitens der Antragsgegnerin die Unterschrift „Jürgen P.” trägt:
Punkt 10.7 des vorliegenden Vertrages soll auf folgende Weise verfasst werden: „Vertragsdauer ist bis 31. Dezember 2007”. Diese Vertragsergänzung wurde in zweifacher Ausfertigung verfasst und tritt in Kraft vom Tag der Unterfertigung.”
Am 28.8.2007 wurde der Antragsgegnerin die Klage übermittelt. Die Gerichtsverhandlung wurde auf den 28.11.2007 bestimmt. Am 6.11.2007 bestätigte der Beklagtenvertreter den Erhalt der Vorladung zur Gerichtsverhandlung und erklärte, dass der Vertrag Nr. 58 vom 4.11.2003 und die Anhänge zu dem Vertrag keine Rechtsgültigkeit hätten, da sie von Herrn Jürgen P. unterzeichnet worden seien, der zwar Mitarbeiter der Antragsgegnerin gewesen sei, dennoch keine entsprechende Vollmacht zur Vertretung des Beklagten gehabt habe. Mit Fax vom 15.11.2007 bestritt der Antragsgegnervertreter, dass Herr Jürgen P. die Vertragsänderungen unterschrieben hätte, die auf den Dokumenten enthaltenen Unterschriften seien Fälschungen. Weiter machte die Antragsgegnerin Mängel der Ware geltend.
An der Verhandlung vor dem Schiedsgericht nahm die Antragsgegnerin nicht teil.
Das Schiedsgericht gab mit Entscheidung vom 28.11.2007 der Klage statt. Es begründete seinen Spruch zunächst damit, dass die Behauptung zur Fälschung der Verlängerungsvereinbarungen nicht berücksichtigt werden könnten. Sie sei von keiner speziellen Begutachtung belegt. Das Vorhandensein einer Vereinbarung zur Verlängerung der Vertragsgültigkeit wäre durch faktische Handlungen der Parteien belegt, nämlich die Fortsetzung der Vertragserfüllung bis März 2007. Ein Interesse an der Vertragsverlängerung ergebe sich daraus, dass im ersten Zusammenarbeitsjahr das geplante Vertragsvolumen nicht erfüllt worden sei. Mängel habe die Antragsgegnerin nicht geltend machen können, da sie das dafür im Vertrag vorgesehene Reklamationsverfahren nicht eingehalten habe.
Unter Vorlage des in deutscher Sprache abgefassten Schiedsspruchs vom 27.11.2007 im Original beantragt die Antragstellerin, diesen für vollstreckbar zu erklären. Die Antragsgegnerin beantragt auszusprechen, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.
Aus den Gründen:
Der Antrag ist gemäß den §§ 1061 ff. ZPO i.V.m. Art. I ff. des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II SS. 122; im folgenden: UN-Ü) zulässig, jedoch in der Sache unbegründet, so dass die Anerkennung des Schiedsspruchs im Inland zu versagen und zugleich festzustellen ist, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anerkannt wird (§ 1061 Abs. 2 ZPO).
1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und Abs. 5 i.V.m. § 8 Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz - GZVJu - vom 16.11.2004 GVBl S. 471); die Antragsgegnerin hat ihren Sitz in Bayern.
2. Dem Antrag, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, kann nicht stattgegeben werden, weil die schiedsrichterliche Entscheidung vom 28.11.2007 nicht durch eine Vereinbarung im Sinn von Art. 2 Abs. 2 UN-Ü legitimiert ist (Art. III Satz 1, Art. V Abs. 1 lit. a UN-Ü). Dieser Mangel ist auch weder durch rügelose Einlassung vor dem Schiedsgericht noch dadurch, dass das Schiedsgericht vom Vorliegen einer solchen Vereinbarung ausgegangen ist, geheilt worden.
a) Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung ist der Nachweis einer Schiedsvereinbarung im Sinn von Art. II UN-Ü. Die Partei, die die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs im Inland betreibt, ist darlegungs- und beweispflichtig für das Zustandekommen einer wirksamen Schiedsabrede (vgl.
BayObLGZ 2002, 392/394, vgl. RKS A 1 Nr.122; OLG Celle SchiedsVZ 2004, 165/167 = RKS A 4 Nr. 69; Musielak/Voit ZPO 6. Aufl. § 1061 Rn. 14 m.w.N.; Zöller/Geimer ZPO 27. Aufl. § 1061 Rn. 22). Der Senat folgt nicht der in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. Kröll SchiedsVZ 2004, 113/120), dass auch insoweit die Beweislast der Antragsgegner trägt. Hiergegen spricht schon der Wortlaut von Art. V Abs. 1 lit. a UN-Ü, der den Abschluss der Vereinbarung voraussetzt (vgl. OLG Celle aaO; außerdem Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. Anh. nach § 1061 Rn. 74 bei FN. 339). Es hat in diesem Punkt bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass derjenige, der aus dem Schiedsspruch Rechte herleiten will, das Vorliegen der Schiedsabrede als ihm günstige Tatsache darlegen und beweisen muss. Auf die weitere Frage, ob einer der Versagungsgründe des Art. 5 Abs. 1 UN-Ü vorliegt, kommt es dann nicht an (OLG Celle SchiedsVZ 2004, 165/168 = RKS A 4 a Nr. 69).
b) Eine Schiedsabrede, die die gegenständliche Forderung umfasst, hat die Antragstellerin nicht nachgewiesen. Bei der Prüfung dieser Frage ist das deutsche Gericht nicht an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Schiedsgerichts gebunden (vgl. OLG Celle aaO; Zöller/Geimer aaO).
(1) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Schiedsklausel ursprünglich wirksam vereinbart war. Eine solche ist enthalten im Vertrag vom 4.11.2003, den Herr P. für die Antragsgegnerin unterzeichnet hat. Diese behauptet, Herr P. sei hierzu nicht befugt gewesen. Das Schiedsgericht geht insoweit jedoch davon aus, dass die Antragsgegnerin den Vertrag gemäß Art. 241 des Zivilgesetzbuchs der Ukraine (entsprechend
§ 177 Abs. 1, § 184 BGB) konkludent genehmigt hat.
Der Vertrag sollte gemäß Ziff. 10.7 aber nur bis zum 31.12.2004 gültig sein. Die Befristung folgt im Vertrag derjenigen Klausel, mit der Rechtsstreitigkeiten, die mit dem Vertrag im Zusammenhang stehen, dem Schiedsgericht zugewiesen werden, betrifft also auch die Schiedsabrede. Die gegenständlichen Forderungen stammen aus dem Jahre 2007, also aus einer Zeit, in der dieser Vertrag bereits ausgelaufen war.
Auch wenn Schiedsvereinbarungen weit auszulegen sind, fällt das Geschäft daher - falls der Hauptvertrag nicht verlängert wurde - nicht mehr unter die Schiedsklausel. Soweit die Antragstellerin auf ein Urteil des österreichischen OGH vom 5.5.1998 (RIW 1999, 789) verweist, ist der dortige Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar: Dort ging es um Werklohnforderungen für Zusatzaufträge im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Auftrag. Vorliegend aber handelt es sich um weitere, nach einem datumsmäßig festgelegten Endtermin erfolgte, zwar gleichartige, aber prinzipiell selbständige Aufträge. Dass zum ursprünglichen Schlusstermin das ins Auge gefasste Volumen noch nicht erreicht war, kann angesichts der eindeutigen Bestimmung in Ziff.10.7 des Vertrags keine Rolle spielen.
Aber selbst wenn man mit der Antragstellerin davon ausgeht, dass das Schiedsgericht die Befugnis hat, über seine eigene Zuständigkeit bindend zu entscheiden, so ergibt sich aus dem Schiedsspruch vom 28.11.2007 doch nicht die Gültigkeit der ursprünglichen Schiedsvereinbarung für weitere in der Zukunft liegende Aufträge: Das Schiedsgericht hat seine Zuständigkeit nämlich gerade auf die „Vertragsergänzungen” gestützt.
Schließlich enthält das UN-Übereinkommen keine dem § 1040 ZPO vergleichbare Regelung (vgl. OLG Celle aaO, RKS A 4 a Nr. 69) und hat das Schiedsgericht auch keinen Zwischenentscheid erlassen.
(2) Damit kommt es für den Senat darauf an, ob die Vertragsergänzungen tatsächlich durch einen Vertreter der Antragsgegnerin unterzeichnet wurden. Dies ist bestritten; von der beweispflichtigen Antragstellerin ist dazu kein Beweis angeboten.
aa) Für die Entscheidung unerheblich ist zunächst, ob nach dem hier wohl anzuwendenden ukrainischen Recht (vgl. Art. 28 EGBGB) eine Genehmigung der - nach Vortrag der Antragsgegnerin - gefälschten Unterschrift möglich ist. Denn Handlungen der Antragsgegnerin, die als Genehmigung der gefälschten Unterschrift angesehen werden könnten, sind nicht vorgetragen.
bb) Der Senat ist hinsichtlich der Frage des Zustandekommens einer Schiedsvereinbarung nicht an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Schiedsgerichts gebunden (siehe oben). Das Schiedsgericht ist hinsichtlich der „Vertragsergänzungen” aber auch nicht von einer Genehmigung ausgegangen, sondern hat das weitere Verhalten der Antragsgegnerin als Indiz für die Unrichtigkeit ihres Vortrags angesehen; es hat dabei aber eine andere Beweislastverteilung vorgenommen.
(3) Die Einwendungen der Antragsgegnerin sind nicht präkludiert. Soweit in Teilen der Rechtsprechung (Kammergericht KG-Report 2008, 839, vgl.RKS A 4 a Nr. 92; OLG Karlsruhe OLG-Report 2008, 146, vgl. RKS A 4 a Nr. 101 und 104) auch nach neuem Schiedsverfahrensrecht von einer Präklusion ausgegangen wird, falls Anerkennungsversagungsgründe geltend gemacht werden, die wie hier gemäß Art. 34 Ziff. 3 des ukrainischen Gesetzes über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit Im Herkunftsland des Schiedsspruchs Gegenstand einer fristgebundenen Aufhebungsklage hätten sein können, liegen dem Sachverhalte zugrunde, die nicht vergleichbar sind. Vorliegend geht es um die Frage, ob überhaupt eine Schiedsvereinbarung getroffen wurde, so dass es auf die Versagungsgründe des Art. V UN-Ü nicht ankommt (vgl. OLG Celle SchiedsVZ 2004, 165/168 = RKS A 4 a Nr. 69). Hat sich eine Partei nicht der schiedsrichterlichen Entscheidung durch „schriftliche Vereinbarung” im Sinn von Art. II Abs. 2 UN-Ü unterworfen bzw. kann dies nicht nachgewiesen werden, ist ihr auch nicht zuzumuten, im Erlassstaat ein Gerichtsverfahren zu betreiben (ebenso Zöller/Geimer § 1061 Rn. 22).
(4) Eine Heilung des Formmangels hat nach dem unstreitigen Sachverhalt auch nicht im Rahmen des schiedsrichterlichen Verfahrens stattgefunden. Weder hat sich die Antragsgegnerin ausdrücklich zu Protokoll des Schiedsgerichts unterworfen noch hat sie sich rügelos zur Sache eingelassen (vgl. zu diesen Voraussetzungen BayObLGZ 2002, 392/396, vgl. RKS A 1 Nr. 122). Dass die Antragsgegnerin nur hilfsweise zur Hauptsache Stellung genommen hat, schadet nicht (vgl. Zöller/Geimer § 1061 Rn. 22).
4. Zu keinem anderen Ergebnis führt es, wenn man nach dem in Art. VII Abs. 1 UN-Ü enthaltenen Grundsatz der Meistbegünstigung auf das zwischen Deutschland und der Ukraine geltende (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 29. Aufl. § 1061 Rn. 10) Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl 1064 II S. 425) abstellt. Die Antragsgegnerin hat die Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts wegen Nichtbestehens der Schiedsvereinbarung rechtzeitig im Sinne von Art. V Abs. 1 dieses Abkommens vorgebracht, so dass sie damit auch nicht nach Art. V Abs. 2 im Rahmen des deutschen Vollstreckbarerklärungsverfahrens ausgeschlossen ist. Eine nach diesem Abkommen bestehende Befugnis des Schiedsgerichts, über seine eigene Zuständigkeit und über das Bestehen oder die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung (vorab) zu entscheiden (Art. V Abs. 3), wurde nicht in Anspruch genommen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 48 Abs. 1 GKG, §§ 4 und 6 ZPO.
Einer ausdrücklichen Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht (vgl. § 1065 ZPO).