Recht und Steuern

A4a Nr. 107

A 4a Nr. 107
§§ 240 ZPO, §§ 38, 39, 174 ff., 178 InsO Schiedsverfahren, Insolvenzverfahren, Ordre Public
1. Die Fortsetzung des Schiedsverfahrens nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verstößt nicht gegen den Ordre Public, § 240 ZPO (Verfahrensunterbrechung durch Insolvenzeröffnung) ist vom Schiedsgericht nicht zu beachten. Jedenfalls kann das Schiedsverfahren fortgesetzt werden, nachdem der Gegner die zur Tabelle angemeldeten Forderung bestritten hat; allerdings ist statt des Zahlungsantrags ein Antrag auf Feststellung zur Tabelle zu stellen.
2. Alle Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Nur so lässt sich die Gleichstellung der Gläubiger sichern. Das bedeutet für auch für ein vor dem Schiedsgericht geltend gemachtes Feststellungsbegehren, dass vorrangig das Anmeldungs- und Prüfungsverfahren gem. §§ 174 ff. InsO betrieben werden muss; dies ist Prozessvoraussetzung für eine Klage auf Feststellung einer bestrittenen Forderung
(§ 178 InsO). Das Schiedsgericht muss darauf hinwirken.
3. Ein Schiedsspruch, der nicht zur Tabelle angemeldete Forderungen zuerkennt, verstößt gegen den Ordre Public. Dies gilt auch, wenn es an einer Übereinstimmung des Anspruchsgrundes zwischen den zur Tabelle angemeldeten und andererseits den im Schiedsverfahren verhandelten und zuerkannten Ansprüchen fehlt.
4. Ein Zwischenschiedsspruch kann grundsätzlich vollstreckbar erklärt werden. Ist er aber in die Fassung des endgültigen Schiedsspruchs einbezogen und damit als dessen Teil anzusehen, so teilt er dessen Schicksal und ist aufzuheben, wenn der endgültige Schiedsspruch gegen den Ordre Public verstößt.
OLG Köln Beschl.v. 13.11.2007 - 9 Sch 08/06; 9 Sch 09/06; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2008, 152 = RKS A 4 a Nr. 107
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin betreibt ein Anlagebauunternehmen. Der Antragsgegner zu 1) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. C., der Antragsgegner zu 2) wird als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. N. in Anspruch genommen. Die ASt. beauftragte 1997 die Fa. C. mit dem Bau einer Vergärungswasser-Eindampfanlage; im Vertrag wurde ein ICC-Schiedsgericht vereinbart. 1999 übernahm Fa. N. für Fa. C. die weitere Ausführung der vertraglichen Verpflichtungen. Nach Schwierigkeiten bei der Vertragsabwicklung forderte die ASt. den gezahlten Werklohn zurück und verlangte von C und N Schadensersatz. Am 2.11.2001 beantragte sie bei der ICC die Einleitung eines Schiedsverfahrens gegen C und N. Mit Beschl. vom 1.9.2002 wurde das Insolvenzverfahren über C, am 1.6.2004 über N eröffnet. Am 31.5.2005 erließ das Schiedsgericht einen Zwischenschiedsspruch, in dem u.a. C und N gesamtschuldnerisch zur Erstattung eines anteiligen Kostenvorschusses an die ASt. verurteilt wurden, die den Gesamtvorschuss für das Schiedsverfahren gezahlt hatte. Im endgültigen Schiedsspruch vom 7.3.2006 wurden C und N gesamtschuldnerisch hinsichtlich der Hauptforderung verurteilt. Die ASt. beantragt die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Das OLG wies den Antrag als unbegründet zurück und hob den Schiedsspruch auf.
Aus den Gründen:
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung der Schiedssprüche ist zulässig. Die Zuständigkeit des OLG Köln ergibt sich aus §§ 1025 Abs. 1., 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Der vom Schiedsrichter in der ersten Sitzung am 18.1.2002 festgelegte Ort des schiedsgerichtlichen Verfahrens ist Aachen, er liegt im hiesigen Bezirk.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Anerkennung der Schiedssprüche würde zu einem Ergebnis führen, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspräche, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO, so dass sie aufzuheben sind, vgl. § 1060 Abs. 2 S. 1 ZPO.
1. Ein Verstoß gegen den ordre public kann allerdings nicht bereits in der Fortsetzung des Schiedsverfahrens nach Eröffnung der Insolvenzverfahren gesehen werden. Die Eröffnung führte nicht zur Unterbrechung des Schiedsverfahrens. § 240 ZPO war vom Schiedsgericht nicht zu beachten (h.M.: BGH KTS 1966, 246; Uhlenbruck § 85 Rd-Nr. 27 m.N.; Heidbrink/v.d.Groeben ZIP 2006, 256, 259 m. ausf. Nachw in Fußnote 38). Das Schiedsverfahren konnte, jedenfalls nachdem die Antragsgegner die zur Tabelle angemeldeten Forderungen bestritten hatten, grundsätzlich fortgesetzt werden. Dem Umstand, dass (jedenfalls zunächst) ein „nur” vorläufiges Bestreiten erfolgte, kommt keine Bedeutung zu (BGH Urt.v. 5.7.2007 IX ZR 221/05 ZIP 2007, 1760 ff.).
Der Verstoß, der zur Aufhebung der Entscheidungen führt, ist darin zu sehen, dass das Schiedsgericht, das bei seiner Entscheidung deutsches Recht anwendete, maßgebliche Bestimmungen der Insolvenzordnung nicht beachtet hat, die für die Abwicklung eines Insolvenzverfahrens von wesentlicher Bedeutung sind und Einfluss auf den Inhalt bzw. Umfang der zu treffenden Entscheidung hatten. Die erforderliche Einordnung der im Schiedsverfahren geltend gemachten Ansprüche in das von der deutschen Insolvenzordnung vorgegebene System ist unterblieben.
Die Antragstellerin ist hinsichtlich der „zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensansprüche gegen den Schuldner” Insolvenzgläubigerin i.S.d. § 38 InsO, während sie wegen der später fällig werdenden Zinsforderungen nur nachrangige Insolvenzgläubigerin i.S.d. § 39 InsO ist. Auch hinsichtlich der Kostenforderungen ergeben sich aus der Insolvenzordnung zu berücksichtigende Besonderheiten. Die ASt. hätte dem Rechnung tragen und ihre Anträge der Rechtslage anpassen müssen. Sie hätte statt des Zahlungsantrags einen Antrag auf Feststellung zur Tabelle stellen müssen (vgl. z.B. Ehricke ZIP 2006. 1847 ff. 1850 m.Nachw.). Dies ist nicht geschehen.
2. Der Schiedsrichter hat ohne Rücksicht auf die sich aus den genannten Bestimmungen i.V.m. § 39 InsO ergebenden Beschränkungen seine Entscheidung getroffen.
Die Frage, ob die Schiedssprüche im Rahmen des vorliegenden Verfahrens möglicherweise teilweise, nämlich in dem Umfang, in dem Ansprüche der ASt. als Insolvenzgläubigerin i.S.d. § 38 InsO zustehen, und mit der Maßgabe einer Feststellung zur Tabelle (statt Zahlung) für vollstreckbar erklärt werden könnten, bedarf keiner Klärung. Es kann auch dahinstehen, ob eine Vollstreckbarerklärung des zur Zahlung verurteilenden Schiedsspruchs (hinsichtlich der zur Tabelle angemeldeten Forderungen) ohne eine Einschränkung zulässig wäre, weil die AGg. nach einer erfolgten Vollstreckbarerklärung den Zahlungstitel gem. § 179 Abs. 2 InsO möglicherweise als eine titulierte Zahlungspflicht ansehen müssten, die dann (von ihnen) zur Tabelle festzustellen wäre. Alle diese Fragen stellen sich schon deshalb nicht, weil nicht einmal festgestellt werden kann, dass der Schiedsrichter zumindest hinsichtlich einiger Ansprüche nur über zur Tabelle angemeldete Forderungen entschieden hat.
Indem er es unterlassen hat, darauf hinzwirken, dass die Feststellung zur Tabelle beantragt wurde, hat er auch die Voraussetzungen, unter denen er nach der Eröffnung der Insolvenzverfahren noch entscheiden durfte, letztlich verkannt.
Alle Insolvenzgläubiger können gem. § 87 InsO ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insovenzverfahren verfolgen. Nur so lässt sich die Gleichstellung der Gläubiger sichern (BGH Urt.v. 23.10.2003 IX ZR 165/02, WM 2003, 2429ff. juris Rz. 24). Das bedeutet für ein vor Gericht geltend gemachtes Feststellungsbegehren, dass vorrangig das Anmeldungs- und Prüfungsverfahren nach den § 174 ff. InsO betrieben werden muss. Die Durchführung dieses Verfahrens ist Prozessvoraussetzung für eine Klage, mit der die Feststellung einer bestrittenen Forderung verfolgt wird (BGH aaO. Rz. 20).
Dies ist bei Verfolgung der zur Tabelle angemeldeten Forderungen im Rahmen eines Schiedsverfahrens nicht anders zu beurteilen (vgl. Ehricke aaO.; Flöther Auswirkungen des inländischen Insolvenzverfahrens auf Schiedsverfahren und Schiedsabrede, S. 110; Schlosser Das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl., Rd-Nr. 881). Würde man dies anders sehen, so könnte ein Schiedsspruch über eine nicht angemeldete Forderung ergehen, der dann unter Umgehung des § 87 InsO nach Vollstreckbarerklärung vom Insolvenzverwalter zu berücksichtigen wäre. Oder es könnte eine Entscheidung über Forderungen ergehen, die über die angemeldeten hinausgehen. Die Missachtung von § 87 InsO ist als Verstoß gegen den Ordre Public anzusehen (MünchKomm.InsO/Schumacher Vorbem. vor §§ 85-87 Rd-Nr. 53), der zwingend zur Aufhebung des Schiedsspruchs führt. Eine solche Situation liegt hier vor.
3. Eine Vollstreckbarerklärung kommt unabhängig von allen weiteren Problemen nicht in Betracht, wenn der Schiedsspruch der Antragstellerin (Haupt-)Forderungen zuerkennt, die nicht zur Tabelle angemeldet sind. Davon ist bei folgenden Beträgen auszugehen es folgt eine detaillierte Gegenüberstellung.
In der gegebenen Situation fehlt es nach den vorstehenden Ausführungen ersichtlich an einer Übereinstimmung zwischen den zur Tabelle angemeldeten und den im Schiedsverfahren verhandelten bzw. zuerkannten Ansprüchen (vgl. zur Erforderlichkeit der Übereinstimmung ausführlich BGH Urt.v. 23.10.2003 IX ZR 165/02 NJW-RR 2004, 1050 ff., juris Rz. 21). Es wird nicht verkannt, dass die Positionen, aus denen sich ein Schadensersatzanspruch zusammensetzt, nicht als selbständige Ansprüche anzusehen sind. Dennoch ist es nicht möglich, die Begründung der einzelnen Positionen, also die ihnen zugrundeliegende Tatsachengrundlage, für belanglos anzusehen und nur auf das Gesamtergebnis abzustellen. Die Voraussetzungen für Ansprüche auf Ersatz aufgewendeter Kosten können durchaus unterschiedlich sein. Sie unterliegen einer dem Inhalt der Ansprüche entsprechenden Prüfung etwa darauf, ob es sich um sog. Sowieso-Kosten handelt. Die erforderliche differenzierende Betrachtung würde außer Acht bleiben, wenn man nur auf die Summe von Beträgen abstellen würde.
4. Auch der Zwischenschiedsspruch ist aufzuheben. Eine Vollstreckbarerklärung einer solchen Entscheidung kann grundsätzlich in Betracht kommen (vgl. zum Problem BGH Beschl.v. 18.7.2007 III ZB 35/06 WM 2007, 1050f. = RKS A 4 a Nr. 96). In der hier gegebenen Situation teilt die Zwischenentscheidung des Schicksal des endgültigen Schiedsspruchs. Sie hat ihren Charakter geändert. Nachdem sie in die Fassung des endgültigen Schiedsspruchs einbezogen wurde, ist sie als Teil des endgültigen Schiedsspruchs anzusehen und schon auf Grund dieser Verknüpfung aus den dargelegten Grümden aufzuheben. Hinzu kommt, dass es auch hinsichtlich der Kostenzahlungspflicht an einer Einordnung der Forderung in das System des Insolvenzrechts fehlt.
Nach allem kann dahinstehen, ob die gegen die Insolvenzschuldnerinnen ergangenen Schiedssprüche im Wege der Auslegung als gegen die Antragsgegnerinnen wirkend anerkannt werden könnten, ob man etwa den Fehler, der in der Verkennung der Rolle eines deutschen Insolvenzverwalters liegt, als eine nur fehlerhafte Parteibezeichnung ansehen könnte, zumal die Insolvenzverwalter wenn auch „als gesetzliche Vertreter” der Schuldnerinnen während des Schiedsverfahrens stets rechtliches Gehör erhielten. Dass nach deutschem Recht ein Parteiwechsel eingetreten war oder einzutreten hatte (vgl. MünchKommInsO/Schumacher aaO. Rd-Nr. 54). wurde verkannt. Die sich insoweit stellenden Fragen bedürfen aber keiner Entscheidung, weil die Schiedssprüche aus den dargelegten Gründen ohnehin aufzuheben sind. Entsprechendes gilt für weitere Probleme, über die hier auch nicht zu entscheiden ist, insbesondere für die Frage, in welchem Umfang die Entscheidung des Schiedsgerichts zu überprüfen ist, soweit eine zwischen N und der Antragstellerin bestehende Schiedsvereinbarung bejaht wurde. Nur bei einer Verneinung von Aufhebungsgründen wäre über alle geltend gemachten Einwände zu entscheiden (vgl. Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 25 Rd-Nr. 16; unklar Zöller/Geimer ZPO 24. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 9).