Recht und Steuern

A4a Nr. 104

A 4 a Nr. 104
Art. IV, VII Abs. 1 UNÜ, §§ 1061, 1062, 1064 ZPO - Zulässigkeitsvoraus-setzungen für die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen (national-chinesischen) Schiedsspruchs. Präklusion mit Anerkennungsverweigerungsgründen nach Verfristung einer Aufhebungsklage im Herkunftsland; mündliche Verhandlung entbehrlich. Geltung der Schiedsabrede im Handelsvertreter-Vertrag für spätere Zusatzvereinbarung. Schiedsrichter-Nationaliät und Neutralität.
1. Für die Zulässigkeit eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs reicht die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Schiedsspruchs. Nach § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. VII Abs. 1 UNÜ gehen die günstigeren nationalen Vorschriften dem strengeren Konventionsrecht vor, so dass entgegen Art. IV UNÜ die Vorlage der Schiedsvereinbarung im Original oder oder in beglaubigter Form ebensowenig nötig ist wie eine Übersetzung.
2. Auch nach § 1061 ZPO n.F. können Anerkennungsverweigerungsgründe im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn eine zulässige und inhaltlich einschlägige Aufhebungsklage im Herkunftsstaat des Schiedsspruches nicht verfristet ist.
3. Die weitgefasste Schiedsabrede in einem Handelsvertretervertrag erfasst im Zweifel auch ein später vereinbartes „Memorandum” mit weiteren, wechselseitigen Pflichten auf der Basis der Handelsvertreterbeziehungen.
4. Dass die Nationalität aller drei Schiedsrichter mit der Nationalität einer Partei übereinstimmt, verstößt nicht gegen das Neutralitätsgebot und den Ordre Public (Art. V Abs. 2 b UNÜ); hierzu bedürfte es der Darlegung konkreter, den Einwand der Parteilichkeit rechtfertigender Tatsachen.
5. Nach der Präklusion mit Anfechtungsgründen ist eine mündliche Verhandlung entbehrlich.
OLG Karlsruhe Beschl.v. 14.2.2007 - 9 Sch 2/07; Internationales Handelsrecht 2008, 72 = RKS A 4 a Nr. 104
Aus dem Sachverhalt:
Die Gläubigerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs des Schiedsverbandes der Republik China (Taiwan) vom 19.7.2006, in dem die Schuldnein zur Zahlung von 377.300 US$ ... nebst Zinsen verurteilt wurde. Die Gläubigerin trägt im Wesentlichen vor, mit allen vorgetragenen Einwendungen gegen die Vollstreckbarerklärung (u.a. Geltungsumfang der Schiedsklausel, Ernennung und Nationaliät der Schiedsrichter) sei die Schuldnerin präkludiert, weil sie in Taiwan als dem Schiedsort ein Aufhebungsverfahren fristgemäß nicht betrieben habe.
Aus den Gründen:
Der Antrag der Gläubigerin ist zulässig und begründet. Die Gl.. kann nach § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. II und IV UNÜ die Vollstreckbarerklärung verlangen.
1. Die Zulässigkeit des Antrags beurteilt sich nach §§ 1064 Abs. 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Danach reicht - wie geschehen - die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Schiedsspruchs aus. Nach § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. VII Abs. 1 UNÜ gehen die günstigeren nationalen Vorschriften dem strengeren Konventionsrecht vor, so dass entgegen Art. IV UNÜ die Vorlage der Schiedsvereinbarung im Original oder in beglaubigter Form ebensowenig nötig ist wie eine Übersetzung (BGH NJW-RR 2004, 1504, 1505 1.Sp. = RKS A 4 a Nr. 65).
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist auch begründet (§ 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m.Art. III UNÜ). Denn die Schuldnerin ist nach der Rechtsprechung des Senats mit ihrer Berufung auf Anerkennungsverweigerungsgründe präkludiert, weil sie die fristgemäße Geltendmachung nach Maßgabe des nationalchinesischen Aufhebungsverfahrens versäumt hat (Beschlüsse vom 27.3.2006 - 9 Sch2/05 und vom 28.6.2006 - 9 Sch 1/06 = SchiedsVZ 06, 282 m. Anm. Gruber).
2. Nach überkommener Rechtsprechung können Anerkennungsverweigerungsgründe im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn eine zulässige und inhaltlich einschlägige Aufhebungsklage im Herkunftsstaat des Schiedsspruchs nicht verfristet ist (wohl zuletzt BGH NJW-RR 2001, 1059f.= BB 2001, 1059 = RKS A 4 a Nr. 56). Zwar ist unter Geltung des neuen § 1061 ZPO die Fortgeltung dieser Rechtsprechung bestritten (Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. 2005 § 1061 Rd-Nr. 29; BayObLG 16.3.2000 NJW-RR 2001, 431; Schleswig RIW 2000, 706 = RKS A 4 b Nr. 26), weil Art. V UNÜ keine Regelung eines Rügeverlustes enthalte. Eine restriktive Handhabung von Anerkennungsverweigerungsgründen verwehrt den deutschen Gerichten aber weder die völkervertragliche Geltung des UNÜ noch seine Geltung als einfaches Recht aufgrund des Verweises in § 1061 ZPO. Das UNÜ verhindert keine anerkennungsfreundlichere Praxis nationalen Rechts (dazu Art. VII Abs. 1 UNÜ). Die teleologische Reduktion nationalen Rechts steht den Gerichten also nach wie vor frei, so dass alle Gründe auch unter der neuen Regelung fortgelten, die eine Präklusion unter altem Recht gerechtfertigt haben (so insbesondere MünchKomm/Münch ZPO 2. Aufl. 2001 § 1061 Rd-Nr. 7; Thomas/Putzo/Reicholdt 28. Aufl. 2007, § 1061 Rd-Nr. 6; Musielak/Voit ZPO 5. Aufl. 2007 § 1061 Rd-Nr. 20; OLG Stuttgart Beschl.v. 14.10.2003 - 1 Sch 16/02 und 6/03; OLG Hamm SchiedsVZ 2006, 107, 108 = RKS A 4 a Nr. 84). Bei deutschen Schiedssprüchen geht die Neuregelung eindeutig von einer Präklusion bei versäumtem Aufhebungsverfahren aus (§ 1059 Abs. 2 S. 3 ZPO), ausländischen Präklusionsregelungen sollte deshalb in gleicher Weise Rechnung getragen werden, um dem Gedanken der Rechtssicherheit durch Schiedssprüche möglichst Rechnung zu tragen.
Im Streitfall handle es sich unstreitig um einen nationalchinesischen Schiedsspruch, der dem chinesischen Prozessvertreter der Schuldnerin am 11.8.2006 zugestellt wurde, spätestens aber der Schuldnerin in Deutschland vor dem 5.4.2007. Nach Art. 40 des Arbitration Law of the Republic of China von 1998 ist eine Aufhebungsklage gegen nationalchinesische Schiedssprüche binnen 30 Tagen nach Kenntnis des Schiedsspruchs zu erheben. Diese Frist hat die Schu. eindeutig versäumt. Sie konnte alle ihre wesentlichen Einwendungen im Rahmen einer Aufhebungsklage mit Präklusionsfrist vorbringen, sowohl die fehlende Erfassung des Streitfalls durch die Schiedsklausel (Art. 38 No. 1, 40 No. 1 Arbitration Law) als auch die Gesetzwidrigkeit der Zusammensetzung des Schiedsgerichts (Art. 40 No. 4 Arb.Law), also insbesondere das vermeintlich falsche Benennungsverfahren durch den Schiedsverband statt durch staatliche Gerichte. Die behauptete fehlende Neutralität wegen einheitlicher Nationalität der Schiedsrichter hätte ebenfalls schon während des Verfahrens gerügt und vor staatliche Gerichte gebracht werden müssen (Art. 15 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 3., 40 No. 5 Arb.Law).
Im Übrigen erscheinen die Einwendungen der Schuldnerin aber auch sachlich unbegründet.
3. Die Schiedsklausel erfasst nach Auffassung des Senats den Schiedsfall (Art. V 1 c UNÜ). Die weite Auslegung der Schiedsklausel des Exclusive Agent Agreement durch das Schiedsgericht ist insgesamt übezeugend. Denn der Wortlaut der Klausel ist sehr breit („any dispute arising from or in connection with to the Interpretation or execution of this Agreement...”). Es ist zwar richtig, dass die streitgegenständliche Verpflichtung des „Memorandum” mit seinen weiteren, wechselseitigen Pflichten auf der Basis der Handelsvertreterbeziehungen zustande kam und nicht als isolierte, völlig neue Vertragsbeziehung zu betrachten ist. Das „Memorandum” nimmt deshalb bei den Zahlungspflichten auch auf das „Exclusive Agent Agreement” ausdrücklich Bezug (Zi. 4: „In accordance with the exclusive agent agreement...”).
4. Fehler bei der Bildung des Schiedsgerichts vermögen eine Anerkennungsverweigerung ebenfalls nicht zu rechtfertigen (Art. V Abs. 1 d UNÜ). Denn auch wenn man unterstellt, dass nicht der Schiedsverband, sondern staatliche Gerichte für die ersatzweise Benennung des Schiedsrichters zuständig gewesen wären (Art. 11-12 Arb.Law) so bliebe doch substantiiert darzutun, inwieweit die Ernennung durch das staatliche Gericht möglicherweise zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätte (dazu statt vieler Musielak/Voit ZPO 5. Aufl. 2007, § 1061 Rd-Nr. 17), insbesondere dass dann z.B. kein weiterer Schiedsrichter gleicher Nationalität bestellt worden wäre, was die Schu. als besonders beschwerlich darlegt. Im übrigen hat die vom Schiedsgericht vorgenommene Auslegung der Schiedsklausel dahin, dass das einzige institutionelle Schiedsgericht in Taipei berufen sein solle, vieles für sich („... to submit such dispute to arbitration in Taipei ...”. Wäre es nur darum gegangen, einen Schiedsspruch unter nationalchinesischem Schiedsverfahrensrecht zu vereinbaren, u.U. damit irgendeinen Schiedsort in Nationalchina, hätte man Taipei nicht erwähnen müssen. Auch enthalten Klauseln über ein Ad-hoc-Schiedsgericht regelmäßig einen Hinweis auf den Benennungsmechanismus, der hier fehlt, so dass der Gedanke einer Zuständigkeitsbegründung für die einzige örtliche institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit nahe liegt.
In der bloßen Tatsache, dass die Nationalität aller drei Schiedsrichter mit der Nationalität einer Partei übereinstimmt, liegt noch kein Neutralitätsverstoß, der den ordre-public- Einwand (Art. V Abs. 2 b UNÜ) begründen könnte. Hierzu bedürfte es der Darlegung konkreter, den Eindruck der Parteilichkeit rechtfertigender Tatsachen
5. Nachdem die Schuldnerin mit ihrer Anfechtungsgründen präkludiert war, bedurfte es keine mündlichen Verhandlung (dazu BGH 142, 204, 207 = RKS A 4 a Nr. 43). Der Einwand der Präklusion war von der Gl. ausführlich vorgetragen und begründet wurden, ohne dass die Schu. trotz ihrer Ankündigung in angemessener Frist erwidert hätte, so dass die Schu. über diesen rechtlichen Gesichtspunkt ausreichend und eindrücklich informiert worden war (§ 139 Abs. 2 ZPO).