Recht und Steuern

A4a Nr. 102

A 4 a Nr. 102
§§ 313 BGB, 316 ff., 322 HGB, 148, 767, 794, 795, 1029, 1059 Abs. 2, 1060 Ab. 2 ZPO Notwendiger Inhalt einer Schiedsabrede. Pflicht des Schiedsgerichts, über den ihm unterbreiteten Streitstoff vollständig und abschließend zu entscheiden. Behandlung „nachträglicher” Einwendungen: Aussetzung des Verfahrens oder Verweisung auf das Vollstreckbarerklärungsverfahren
1. Eine Schiedsabrede berechtigt und verpflichtet das Schiedsgericht, über einen geltend gemachten Anspruch in vollem Umfang oder über einen bestimmten quantitativenTeil oder über den Grund des Anspruchs selbständig und abschließénd zu entscheiden. Es ist rechtlich nicht zulässig, dass sowohl das staatliche Gericht als auch das Schiedsgericht über einen Anspruch entscheiden und sie ihre Aufgabe in der Weise teilen, dass jedes einen qualitativen Teil des Anspruchs erledigt, jedes also einen Teil der Rechtsfragen beantwortet, deren Beantwortung insgesamt erst den Rechtsstreit beendet.
Eine mit diesem Inhalt getroffene Vereinbarung wäre, weil sie nicht auf eine die Entscheidung des staatlichen Gerichts ersetzende Entscheidung des Schiedsgerichts ausgerichtet wäre, keine Schiedsvereinbarung, sondern allenfalls eine Schiedsgutachten- oder Schlichtungsvereinbarung.
2. Das Schiedsgericht verstößt nicht gegen seine Pflicht zur abschließenden Entscheidung, wenn es mögliche nachträgliche d.h. erst nach Schluss des Schiedsverfahrens entstehende Einwendungen gegen den streitgegenständlichen Anspruch unberücksichtigt lässt, die der Antragsgegner mit einer Vollstreckungsgegenklage oder im Vollstreckbarerklärungsverfahren geltend machen kann, z.B. auf Grund einer Nachtragsprüfung der geprüften und testierten Bilanz, auf der der Anspruch beruht.
3. Das Schiedsgericht verstößt nicht gegen das Gebot rechtlichen Gehörs, wenn es den Antragsgegner erst im Schiedsspruch auf diese Möglichkeit hinweist.
4. Es ist auch nicht verpflichtet, das Verfahren auszusetzen, um einer Partei zu ermöglichen, ihre nachträglichen Einwendungen zu begründen, z.B. die Nachtragsprüfung zu veranlassen. Nach seinem Ermessen kann es aber eine unmittelbar bevorstehende Änderung der entscheidungserheblichen Tatsachen abwarten und ggf. in seine Entscheidung einbeziehen.
5. Einwendungen gegen den im Schiedsspruch zuerkannten Anspruch können im Vollstreckbarerklärungsverfahren vorgebracht werden, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte. Es hätte keinen Sinn, wenn in solchen Fällen der Antragsgegner die Vollstreckbarerklärung hinnehmen und wegen seiner Einwendungen einen neuen Rechtsstreit nach § 767 ZPO führen müsste.
BGH Beschl.v. 8.11.2007 - III ZB 95/06; Zeitschrift für Schiedverfahrensrecht 2008, 40 = NJW-RR 2008, 659 = RKS A 4 a Nr. 102
Aus dem Sachverhalt:
(1-2)Die Antragsgegnerin erwarb von dem Antragsteller Geschäftsanteile der B-GmbH. In dem Kaufvertrag vom 2.10.1998 war ein Basiskaufpreis von 6 Mio DM vereinbart. Dieser sollte sich um weitere Beträge erhöhen, wenn der in den Geschäftsjahren 1998 bis 2003 jeweils erzielte, vertraglich definierte „Earn out Profit after Tax” (EOP) denjenigen des Vorjahres um ein bestimmtes Maß überstieg. Die H-GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft testierte deren Abschluss für das Geschäftsjahr 2003 mit einem Bilanzgewinn von rd. 2,7 Mio Euro. Auf dieser Grundlage berechnete der ASt. die von der Ag. geschuldete Kaufpreisanpassung für das Geschäftsjahr 2003. Gestützt auf einen Prüfbericht der M-GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bezweifelte der Ag. die Richtigkeit der von H. testierten Bilanz. Lt. einem gerichtlichen Vergleich vom 18.10.2004 hatte die Ag. weitere 1.250.660 Euro an den ASt. zu zahlen, zugleich blieb dem ASt. die Geltendmachung eines darüber hinausgehenden Kaufpreises vorbehalten; etwaige Streitigkeiten hierüber sollten durch W. als Einzelschiedsrichter in einem Verfahren nach der DIS-Schiedsgerichtsordnung entschieden werden.
(3) Der ASt. erhob gegen die Ag. Schiedsklage auf Zahlung eines Restkaufpreises in Höhe von 673.032 Euro, der sich aus dem von H. testierten Abschluss für 2003 in Verbindung mit der vorgenannten Anpassungsklausel ergeben sollte. Durch Schiedsspruch vom 18.11.2005 verurteilte der Schiedsrichter die Ag., 467.115 Euro nebst Zinsen an den ASt. zu zahlen, die weitergehende Schiedsklage wurde abgewiesen.
(4) Das OLG hat die von dem ASt. beantragte Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs abgelehnt und den Schiedsspruch aufgehoben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Ast. sein Begehren, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, weiter.
Aus den Gründen:
(5-7) Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Sie ist auch begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das OLG.
(8) Dem Schiedsspruch sei lt. OLG die Vollstreckbarerklärung gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b
(i.V.m. § 1060 Abs. 2 S. 1) ZPO zu versagen, weil er gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstoße. Denn das Schiedsgericht sei nicht dem „fundamentalen” Gebot der endgültigen abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits im Schiedsspruch gerecht geworden. Dort habe es sich auf den Standpunkt gestellt, der von H. testierte Jahresabschluss 2003 und nicht etwa eine davon möglicherweise abweichende objektiv richtige Bilanzierung sei für die Parteien bindend. Eine andere Beurteilung komme nur in Betracht auf Grund eines materiell geänderten Abschlussvermerks. Für den letzteren Fall habe das Schiedsgericht die Ag. auf die Vollstreckungsgegenklage oder die Möglichkeit einer Einwendung im Verfahren der Vollstreckbarerklärung verwiesen. Damit sei es eine abschließende Beurteilung des ihm durch den Schiedsvertrag zur Entscheidung übertragenen Streitstoffs schuldig geblieben.
(9) Der Schiedsspruch sei unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen und daher auch aus diesem Grund gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO aufzuheben. Die Ag. habe vor allem auf Grund der Verfügung des Schiedsrichters vom 27.9.2005 davon ausgehen dürfen, das Schiedsgericht wolle den Bericht des Wirtschaftsprüfers H. abwarten und den Parteien dann Gelegenheit zur Äußerung hierzu zu geben. Das Schiedsgericht habe durch seine Verfahrensweise die Ag. davon abgehalten, den Wirtschaftsprüfer H. nachdrücklich zu einer Nachtragsprüfung mit dem Ziel einer Abänderung des dem Abschluss 2003 erteilten Testats zu veranlassen. Zumindest habe die Ag. nicht damit rechnen müssen, dass das Schiedsgericht wie durch Schiedsspruch vom 18.11.2005 geschehen in der Sache entscheiden werde, ohne die Parteien davon in Kenntnis zu setzen, dass der Abschlussprüfer den angeforderten Bericht nicht vorgelegt habe.
(10) Nach dem der rechtlichen Prüfung zugrundezulegenden Sachverhalt war es nicht zulässig, den Antrag auf Vollstreckbarerklärung unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen; ein die Vollstreckbarerklärung hindernder Aufhebungsgrund (vgl. § 1060 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 1059 Abs. 2 ZPO) liegt nicht vor.
1. (11) Die Rechtsbeschwerde wendet sich zu Recht dagegen, dass das OLG davon ausgegangen ist, das Schiedsgericht habe den ihm unterbreiteten Rechtsstreit nicht abschließend entschieden, sondern dies letztlich dem staatlichen Gericht überlassen und dadurch gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstoßen (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO).
(12) Zu der Frage, wann eine Schiedsvereinbarung (§ 1029 Abs. 1 ZPO) vorliegt, hat der BGH (Urteil vom 23.5.1960 - II ZR 75/58 - NJW 1960, 1462 f <zu § 1025 ZPO a.F.> entschieden, dass das in der Vereinbarung bestimmte „Schiedsgericht” berechtigt sein muss, über einen geltend gemachten Anspruch in vollem Umfang oder jedenfalls einen bestimmten quantitativenTeil oder über den Grund des Anspruchs selbständig und abschließend zu entscheiden. Es ist rechtlich nicht zulässig, dass sowohl das staatliche Gericht als auch das Schiedsgericht über einen Anspruch entscheiden und sie ihre Aufgabe in der Weise teilen, dass jedes einen qualitativen Teil des Anspruchs erledigt, jedes also einen Teil der Rechtsfragen beantwortet, deren Beantwortung insgesamt erst den Rechtsstreit beendet (vgl. BGH a.a.O.; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. 2005 Kap. 3 Rd-Nr. 21; siehe auch Münch in MüKomm. ZPO 2. Aufl. 2001 § 1029 Rd-Nr. 41). Eine mit diesem Inhalt getroffene Vereinbarung wäre, weil sie nicht auf eine die Entscheidung des staatlichen Gerichts ersetzende Entscheidung des Schiedsgerichts ausgerichtet wäre, nicht als Schiedsvereinbarung (§ 1029 Abs. 1 ZPO) aufzufassen; vielleicht wäre an einen Schiedsgutachtenvertrag oder an Schlichtung zu denken (vgl. BGH a.a.O. S. 1463; Münch in MüKomm ZPO, Schwab/Walter a.a.O.).
(13) Hier steht außer Streit, dass die Parteien eine Schiedsvereinbarung geschlossen haben, durch die dem Schiedsgericht die abschließende Entscheidung anstelle des staatlichen Gerichts übertragen werden sollte. Es geht darum, ob das Schiedsgericht diese Kompetenz im Schiedsspruch nicht ausgeschöpft hat, weil es so das OLG in dem angefochtenen Beschluss letztlich dem staatlichen Gericht die Entscheidung überließ. Der von W. am 18.11.2005 als Einzelschiedsrichter erlassene „Schiedsspruch” könnte, wenn dem zu folgen wäre, nicht als Schiedsspruch i.S.d. § 1060 ZPO zu qualifizieren sein, so dass der Antrag auf Vollstreckbar-erklärung bereits unzulässig wäre (vgl. BGHZ 10, 325, 327). Jedenfalls könnte ein die Anerkennung des Schiedsspruchs hindernder Verfahrensfehler (vgl. § 1060 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d Fall 2 ZPO) wohl weniger eine Verletzung des fundamentale Prozessregeln umfassenden prozessualen ordre public (§ 1060 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO) gegeben sein. Diese möglichen rechtlichen Folgerungen können indes offen bleiben. Denn das Schiedsgericht hat entgegen der Auffassung des OLG abschließend, insoweit also fehlerfrei entschieden.
(14) Entscheidungen eines Schiedsgerichts kann das Rechtsbeschwerdegericht nicht anders als bei der Auslegung und rechtlichen Einordnung gerichtlicher Entscheidungen (vgl. Musielak/Ball ZPO 5. Aufl. 2007, § 546 Rd-Nr. 8 u.a. unter Hinweis auf BGH Beschl.v. 29.6.1994 - VIII ZR 28/94 NJW-RR 1994, 1251, 1252), denen die Schiedssprüche als Rechtsprechung im weiteren Sinne (vgl. Senat BGHZ 159, 207, 212 = RKS A 2 Nr. 31) entsprechen frei auslegen und rechtlich einordnen (vgl. BGHZ 24, 15, 20).
(15) In dem Schiedsverfahren war darüber zu befinden, welchen Restkaufpreis, die sog. Kaufpreisanpassung, die Ag. dem ASt. aus dem Kauf der B-Geschäftsanteile schuldete. Die dem ASt. für das Geschäftsjahr 2003 (letztmalig) zustehende Kaufpreisanpassung richtete sich danach, wie sich der „Earn Out Profit after Tax” (EOP) des Jahres 2003 verglichen mit dem des Vorjahres verändert hatte; der EOP seinerseits war im Wesentlichen anhand des testierten Abschlusses für das Geschäftsjahr 2003 zu bestimmen. Der von H. testierte Jahresabschluss 2003 ergab soweit hier von Belang eine auf EOP-Basis ermittelte, rechnerisch unstreitige Kaufpreisanpassung zugunsten des ASt. in Höhe von insgesamt 467.115 Euro (= 421.886 Euro Kaufpreisanpassung auf Grund der Position „Software” + 45 229 Euro Kaufpreisanpassung auf Grund der Position „Schweizer Steuern” = Schiedsurteilsumme).
(16) Die Ag. hatte im Schiedsverfahren gerügt, dass Softwareentwicklungskosten aktiviert worden waren; sie führten nach dem vereinbarten Berechnungsmodus allein schon zu einer Kaufpreisanpassung in Höhe von 421 886 Euro. Dieser Bilanzansatz habe nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprochen.
(17) Das Schiedsgericht ließ den Einwand nicht gelten. Es untersuchte zunächst die einzelnen Softwarepositionen und beurteilte sie als „zum großen Teil aktivierungsfähig”. Gestützt auf die Auslegung des Kaufvertrages und die Wägung der wechselseitigen Interessen hielt es dann das Argument des ASt. für durchgreifend, es sei nach den von den Parteien getroffenen Abreden gehindert, sich bei der Frage der Kaufpreisanpassung über den geprüften und testierten Jahresabschluss in seiner ursprünglichen Form hinwegzusetzen. Eine Ablehnung von Einzelpositionen des Jahresabschlusses sei nicht möglich. Die Ag. habe auf eine Abänderung des Jahresabschlusses im Wege der Nachtragsprüfung hinwirken oder den Abschlussvermerk selbst in dem dafür vorgesehenen Verfahren angreifen müssen. Da dies unstreitig nicht geschehen war, sprach das Schiedsgericht dem Ast. die sich aus dem testierten Jahresabschluss 2003 (einschließlich der dort aktivierten Softwareentwicklungskosten) ergebende Kaufpreisanpassung in dem vorgenannten Umfang zu und wies die weitergehende Schiedsklage ab.
(18) Dieser rechtliche Ansatz des Schiedsgerichts ist, wie das OLG zutreffend angenommen hat, in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs hinzunehmen (Verbot der révision au fond).
2. (19) Die vorbeschriebene abschließende Entscheidung über die eingeklagte Kaufpreisanpassung stellte das Schiedsgericht nicht wie das OLG gemeint hat dadurch in Frage, dass es im Schiedsspruch weiter ausführte, die Ag. könne eine nach dem Abschluss des Schiedsverfahrens erfolgte materielle Änderung des Abschlussvermerks im Vollstreckbar-erklärungsverfahren oder mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen. Bei dieser Erwägung hat das Schiedsgericht ersichtlich nachträglich, d.h. nach dem Schluss des Schiedsverfahrens, entstehende Einwendungen gegen den Anspruch auf Kaufpreisanpassung im Blick; es nennt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Möglichkeit einer „materiellen” Abänderung des dem Jahresabschluss 2003 erteilten Testats im Wege der Nachtragsprüfung oder in einem sonstigen gegen das Testat gerichteten Verfahren. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung beurteilt das letztlich nicht anders, wenn sie von „materiellrechtlichen Einwendungsmöglichkeiten” spricht. Nachträglich entstehende, gegen den ausgeurteilten Anspruch gerichtete Einwendungen wären allerdings, im Grundsatz nicht anders als bei Entscheidungen der staatlichen Gerichte, ggf. mit der Vollstreckungsgegenklage gegen den für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a, § 795 S. 1, § 767 ZPO), wofür i.d.R. wiederum das Schiedsgericht zuständig sein dürfte (Musielak/Voit a.a.O. §1030 Rd-Nr. 7 m.w.N. und zum alten Recht BGHZ 99, 143 und Senatsbeschluss vom 19.12.1995 - III ZR 194/94 - NJW-RR 1996, 508 = RKS A 1 Nr. 83), geltend zu machen. Über solche Einwendungen kann ferner worauf noch zurückzukommen sein wird das staatliche Gericht im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs (§ 1060 ZPO) entscheiden. In dem Hinweis auf diese Rechtsbehelfe ein Offenlassen der schiedsgerichtlichen Entscheidung zugunsten einer abschließenden Entscheidung durch das staatliche Gericht zu sehen, liegt fern.
3. (20) Die Rechtsbeschwerde wendet sich zudem mit Recht gegen die Auffassung des OLG, der Schiedsspruch sei unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen.
(21) Das OLG hat zum Gehörsverstoß ausgeführt, das Schiedsgericht habe auf Grund der Beweisaufnahme über die Frage der Bilanzierung der Software und des Unterbleibens von Rückstellungen für Überstunden den Eindruck erweckt, als komme es für seine Entscheidung auf die materielle Richtigkeit des testierten Jahresabschlusses an. Diese Sichtweise habe die Ag. ferner der Verfügung des Schiedsgerichts vom 27.9.2005 entnehmen können, wonach der Bericht des Wirtschaftsprüfers H. habe abgewartet und sodann den Parteien Gelegenheit zur Äußerung hierzu gegeben werden sollen. Dadurch sei die Ag. davon abgehalten worden, H. nachdrücklich zu einer Nachtragsprüfung mit dem Ziel der Abänderung des testierten Jahresabschlusses 2003 zu veranlassen, das habe sich auf den Inhalt des Schiedsspruchs auswirken können.
(22) Dem ist schon deshalb nicht zu folgen, weil jedenfalls ein Beruhen des Schiedsspruchs auf dem angeblichen Gehörsverstoß ausgeschlossen werden kann. Auf Grund der Ankündigung des Schiedsrichters vom 27.9.2005, den Schiedsspruch „zunächst” nicht an die DIS senden zu wollen, konnte die Ag. nur erwarten, das Schiedsgericht werde ein innerhalb angemessener Frist vorgelegtes geändertes Testat des Abschlussprüfers berücksichtigen. Diesen Zeitraum ließ sie indes ungenutzt verstreichen. Sie betrieb unstreitig erst mehr als drei Monate später, nämlich erst im Januar 2006, das Verfahren auf Bestellung eines anderen Abschlussprüfers (§ 318 Abs. 3 HGB), um mit dessen Hilfe ein geändertes Testat zu erreichen.
(23) Der Ag. ist weiter nicht darin zu folgen, dass sie auf entsprechenden Hinweis des Schiedsgerichts innerhalb angemessener Zeit im Schiedsverfahren vorgetragen hätte, H. sei nicht wirksam beauftragt worden, den Jahresabschluss 2003 zu prüfen; bereits aus diesem Grunde könne die Kaufpreisbestimmung nicht auf den von H. testierten Jahresabschluss 2003 gestützt werden. Die Ag. ging was mit diesem Vorbringen nicht zu vereinbaren ist bis zum Beginn des Verfahrens gemäß § 318 Abs. 3 HGB im Januar 2006 unstreitig davon aus, H. sei wirksam zum Abschlussprüfer bestellt worden; deshalb ersuchte sie gerade um die gerichtliche Bestellung eines anderen Abschlussprüfers.
4. (24) Dem Schiedsgericht unterlief auch sonst kein erheblicher Verfahrensfehler. Insbesondere war es nicht gehalten, entsprechend § 148 oder § 356 ZPO, den das OLG herangezogen hat, das Verfahren auszusetzen oder eine Frist zu bestimmen, um der Ag. Gelegenheit zu geben, einen von dem Wirtschaftsprüfer H. im Wege der Nachtragsprüfung (§ 316 Abs. 3 HGB) ergänzten Abschlussvermerk zum Jahresabschluss 2003 beizuschaffen. Das Schiedsgericht ist nämlich ebenso wenig wie das staatliche Gericht verpflichtet, einer Partei zu ermöglichen, den Sachverhalt zu ihren Gunsten zu verändern, um dies für ein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu nutzen. Darauf erstreckt sich auch nicht die gerichtliche Hinweispflicht.
(25) Allerdings mag dem Schiedsgericht entsprechend § 148 ZPO (vgl. BGH Beschl.v. 7.5.1992 - V ZR 192/91 - NJW-RR 1992, 1149) ein Ermessen eingeräumt gewesen sein, eine unmittelbar bevorstehende Änderung der entscheidungserheblichen tatsächlichen Grundlagen abzuwarten und ggf. in seine Entscheidung einzubeziehen. Insoweit liegt aber ebenfalls ein Verfahrensfehler nicht vor; das Schiedsgericht hat sein Ermessen ausgeübt.
(26) Dem Schiedsspruch ist zu entnehmen, dass der ASt. im Schiedsverfahren geltend gemacht hatte, es komme für die Kaufpreisanpassung allein auf den festgestellten und mit dem uneingeschränkten Testat versehenen Jahresabschluss an. Die Ag. musste also von Anfang an auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt eingerichtet sein. Sie sprach im Schiedsverfahren wohl in Reaktion hierauf von „neuesten Erkenntnissen” und „jetzt ermittelten Veränderungen”, kündigte an, den Wirtschaftsprüfer H. um Nachbesserung zu bitten, und teilte mit, der richtige Jahresabschluss werde derzeit vorbereitet. Der Wirtschaftsprüfer H. hatte in der Schiedsverhandlung vom 18.7.2005 angekündigt, den am 17.3.2004 testierten Jahresabschluss 2003 in einer Nachtragsprüfung die bei der B-GmbH, also im Unternehmen der Ag. hätte stattfinden müssen unterziehen zu wollen. Nach Schluss der Schiedsverhandlung am 18.7.2005 stellte das Schiedsgericht in Erwartung eines Berichts des Wirtschaftsprüfers H. und dazu ggf. erfolgenden Parteivortrags die für den 27.9.2005 bereits angekündigte Übersendung des Schiedsurteils an die DIS „zunächst” zurück (Schreiben des Schiedsrichters Prof. Dr. W. an die Parteien vom 27.9.2003). Ein solcher Bericht wurde von H. aber in der Folgezeit (und bis heute) nicht vorgelegt. Unter diesen Umständen kann ein Ermessensfehler nicht darin gesehen werden, dass das Schiedsgericht nach Abwägung der gegenläufigen Interessen der Parteien sowie unter Berücksichtigung, dass nach seiner Auffassung die Softwareentwicklungskosten als zum Großteil aktivierungsfähig zu beurteilen waren; dass die Ag. mehr als ein Jahr (Anfang September 2004 - Abschluss des Prüfberichts von M. - bis September 2005) Zeit hatte, auf eine Änderung des Abschlussvermerks hinzuwirken; schließlich, dass es der Ag.unbenommen blieb, eine eventuelle spätere Änderung des Abschlussvermerks schon im Vollstreckbarerklärungsverfahren, jedenfalls aber mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen das ansonsten entscheidungsreife Verfahren mit dem Erlass des Schiedsspruchs am 18.11.2005 beendete.
(27) Der die Vollstreckbarerklärung versagende Beschluss des OLG stellt sich nach den bisherigen Feststellungen nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO).
(28) Die Rechtsbeschwerdeerwiderung stellt in diesem Zusammenhang zur Überprüfung die Auffassung des OLG, die Wirksamkeit des zwischen den Parteien am 18.10.2004 geschlossenen Vergleichs und damit der darin enthaltenen Schiedsvereinbarung scheitere nicht an § 779 BGB. Mit ihrem Verweis auf schriftsätzliche Äußerungen zeigt die Rechtsbeschwerdeerwiderung jedoch lediglich die Möglichkeit einer anderen Beweiswürdigung, mithin nicht einen Rechtsfehler, auf.
(29) Das Verfahren ist noch nicht entscheidungsreif, so dass die Sache an das OLG zurückverwiesen werden muss (§ 577 Abs. 4 S. 1, Abs. 5 S. 1 ZPO).
30Unter dem Gesichtspunkt einer nachträglich entstandenen Einwendung wird in dem erneuten Verfahren zu prüfen sein, ob, wie die Ag. geltend macht, das von dem Wirtschaftsprüfer H. für den Jahresabschluss 2003 erteilte Testat „gegenstandslos” geworden ist, weil inzwischen ein anderer im Gegensatz zu H. wirksam bestellter Abschlussprüfer den geänderten Jahresabschluss 2003 geprüft und testiert hat. Darin könnte eine vom rechtlichen Standpunkt des Schiedsgerichts her erhebliche „materielle” Änderung des Testats zu sehen sein, die dem Anpassungsanspruch die Grundlage entzogen haben könnte (vgl. § 313 BGB).
5. (31) Der Senat (Urt.v. 12.7.1990 - III ZR 174/98 - NJW 1990, 3210, 3211 = RKS A 4 a Nr. 30) s.auch BGH 16.2.1961 BGHZ 34, 274, 277) hat unter der Geltung des § 1042 ZPO a.F. entschieden, dass Einwendungen gegen den im Schiedsspruch zuerkannten Anspruch innerhalb des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vorgebracht werden können, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte. Es hätte nämlich keinen Sinn, wenn in solchen Fällen der Antragsgegner die Vollstreckbar-erklärung hinnehmen und wegen seiner Einwendungen einen neuen Rechtsstreit nach § 767 ZPO anstrengen müsste. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Auch nach der Neugestaltung des Schiedsverfahrensrechts durch das Schiedsverfahrens-NeuregelungsG vom 22.12.1997 (BGBl. I 3224) ist es im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, im Vollstreckbarerklärungsverfahren Einwendungen zuzulassen, die an sich zum Anwendungsbereich der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO gehören (Musielak/Voit a.a.O. § 1060 Rd-Nr. 12; Münch in MüKomm ZPO a.a.O. Rd-Nr. 14; Schwab/Walter a.a.O. Kap. 27 Rd-Nr. 12, jeweils m.w.N. auch zur Gegenmeinung). Eine solche Einwendung kommt hier in Betracht.