Recht und Steuern

A4a Nr. 101

A 4 a Nr. 101
§§ 1061 Abs. 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4, 1064 Abs. 1 ZPO, Art. III, IV, VII UNÜ Ausländischer Schiedsspruch: Notwendige Vorlagen für das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung - Präklusion mit Anerkennungsverweigerungsgründen - Schiedsabrede in Handelsvertretervertrag: Geltung für spätere Zusatzvereinbarung
1. Für den Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs reicht die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Schiedspruchs aus; die Vorlage der Schiedsvereinbarung im Original oder in beglaubigter Form und eine Übersetzung sind nicht erforderlich.
2. Auch nach dem –neuen– Schiedsverfahrensrecht (§ 1059 Abs. 2 S. 3 ZPO) können Anerkennungsverweigerungsgründe im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn eine zulässige und inhaltlich einschlägige Aufhebungsklage im Herkunftsstaat nicht verfristet ist.
3. Die Schiedsabrede in einem Handelsvertretervertrag erfasst im Zweifel auch eine spätere Vereinbarung, in der die Parteien weitere wechselseitige Verpflichtungen übernommen haben.
OLG Karlsruhe Beschl.v. 14.9.2007 - 9 Sch 2/07; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2008, 47 = RKS A 4 a Nr. 101
Aus dem Sachverhalt:
Die Gläubigerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs des Schiedsverbandes der Republik China (Taiwan) vom 19.7.2006, der die Schuldnerin zur Zahlung verurteilt hat. Die Schuldnerin beantragt die Zurückweisung des Antrags; es fehle eine beglaubigte Urschrift der Schiedsvereinbarung mit Übersetzung; der Rechtsstreit falle nicht unter die Schiedsvereinbarung; der Ersatz-Schiedsrichter hätte nicht durch den Schiedsverband, sondern durch ein staatliches Gericht ernannt werden müssen; die Bestellung dreier nationalchinesischer Schiedsrichter verletze das Neutralitätsgebot und damit den ordre public.
Aus den Gründen:
1. Die Zulässigkeit des Antrags beurteilt sich nach §§ 1064 Abs. 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Danach reicht die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Schiedsspruches aus. Nach § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. VII Abs. 1 UNÜ gehen die günstigeren nationalen Vorschriften dem strengeren Konventionsrecht vor, so dass entgegen Art. IV UNÜ die Vorlage der Schiedsvereinbarung im Original oder in beglaubigter Form ebenso wenig nötig ist wie eine Übersetzung (BGH NJW-RR 2004, 1504, 1505 l.Sp.= RKS A 4 a Nr. 65).
2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist auch begründet (§ 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. III UNÜ). Denn die Schuldnerin ist nach der Rechtsprechung des Senats mit ihrer Berufung auf Anerkennungsverweigerungsgründe präkludiert, weil sie die fristgemäße Geltendmachung nach Maßgabe des nationalchinesischen Aufhebungsverfahrens versäumt hat (Beschlüsse vom 27.3.06 -9 Sch 2/05 und vom 28.6.06 - 9 Sch 1/06 = SchiedsVZ 06, 282 m.Anm. Gruber).
Nach überkommener Rechtsprechung können Anerkennungsverweigerungsgründe im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn eine zulässige und inhaltlich einschlägige Aufhebungsklage im Herkunftsstaat des Schiedsspruches nicht verfristet ist (wohl zuletzt BGH NJW-RR 2001, 1059 f. = RKS A 4 a Nr. 56). Zwar ist unter der Geltung des neuen § 1061 ZPO die Fortgeltung dieser Rechtsprechung bestritten (Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. 2005 § 1061 Rd-Nr. 29; BayObLG 16.3.2000 NJW-RR 2001, 431; Schleswig RIW 2000, 706 = RKS A 4 b Nr. 26), weil Art. V UNÜ keine Regelung eines Rügeverlustes enthalte. Eine restriktive Handhabung von Anerkennungsversagungsgründen verwehrt den deutschen Gerichten aber weder die völkervertragliche Geltung des UNÜ noch seine Geltung als einfaches Recht aufgrund des Verweises in § 1061 ZPO. Das UNÜ verhindert keine anerkennungsfreundlichere Praxis des nationalen Rechts (dazu Art. VII Abs. 1 UNÜ). Die teleologische Reduktion nationalen Rechts steht den Gerichten also nach wie vor frei, so dass alle Gründe auch unter der neuen Regelung fortbestehen, die eine Präklusion unter altem Recht gerechtfertigt haben (so insbesondere Münch in MüKomm ZPO 2. Aufl. 2001 § 1061 Rd-Nr. 7; Thomas/Putzo/Reichold 28. Aufl. 2007 § 1061 Rd-Nr. 6; Musielak/Voigt ZPO 5. Aufl. 2007 § 1061 Rd-Nr. 20; OLG Stuttgart Beschl.v. 14.10.2003 - 1 Sch 16/02 und 6/03; OLG Hamm SchiedsVZ 2006, 107, 108 = RKS A 4 a Nr. 84). Bei deutschen Schiedssprüchen geht die Neuregelung eindeutig von einer Präklusion bei versäumtem Aufhebungsverfahren aus (§ 1059 Abs. 2 S. 3 ZPO), ausländischen Präklusionsregelungen sollte deshalb in gleicher Weise Geltung verschafft werden, um dem Gedanken der Rechtssicherheit durch Schiedssprüche möglichst Rechnung zu tragen.
Im Streitfall handelte es sich um einen nationalchinesischen Schiedsspruch, der dem chinesischen Prozessvertreter der Schuldnerin am 11.8.2006 zugestellt wurde, spätestens aber der Schuldnerin in Deutschland vor dem 5.4.07. Nach Art. 40 Abs. 2 des Arbitration Law of the Republic of China von 1998 ist eine Aufhebungsklage gegen nationalchinesische Schiedssprüche binnen 30 Tagen nach Kenntnis des Schiedsspruchs zu erheben. Diese Frist hat die Schuldnerin eindeutig versäumt.
Die Schuldnerin konnte alle ihre wesentlichen Einwendungen im Rahmen einer Aufhebungsklage mit Präklusionsfrist vorbringen, sowohl die fehlende Erfassung des Streitfalls durch die Schiedsklausel (Art. 38 No. 1, 40 No. 1 Arbitration Law) als auch die Gesetzwidrigkeit der Zusammensetzung des Schiedsgerichts (Art. 40 No. 4 Arbitration Law), also insbesondere das vermeitlich falsche Benennungsverfahren durch den Schiedsverband statt durch staatliche Gerichte. Die behauptete fehlende Neutralität wegen einheitlicher Nationalität der Schiedsrichter hätte ebenfalls schon während des Verfahrens gerügt und vor staatliche Gerichte gebracht werden müssen (Art. 15 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 3, 40 No. 5 Arbitration Law).
3. Im übrigen scheinen die Einwendungen der Schuldnerin aber auch sachlich unbegründet.
Die Schiedsklausel erfasst den Schiedsfall (Art. V 1 c UNÜ). Die weite Auslegung der Schiedsklausel des Art. 15.1 Exclusive Agent Agreement durch das Schiedsgericht ist insgesamt überzeugend. Denn der Wortlaut der Klausel ist sehr breit („...any dispute arising from or in connection with the interpretation or execution of this Agreement...”). Es ist zwar richtig, dass die streitgegenständliche Verpflichtung des „Memorandum” nicht ursprünglicher Vertragsgegenstand des Handelsvertretervertrages war. Es ist aber trotzdem mit guten Gründen davon auszugehen, dass das „Memorandum” mit seinen weiteren, wechselseitigen Pflichten auf der Basis der Handelsvetreterbeziehungen zustande kam und nicht als isolierte, völlig neue Vertragsbeziehung zu betrachten ist. Das „Memorandum” nimmt deshalb bei den Zahlungspflichten auch auf das „Exclusive Agent Agreement” ausdrücklich Bezug (Ziff. 4: „In accordance with the exclusive agent agreement ...”).
Fehler bei der Bildung des Schiedsgerichts vermögen eine Anerkennungsverweigerung ebenfalls nicht zu rechtfertigen (Art. V Abs. 1 d UNÜ). Denn wenn man unterstellt, dass nicht der Schiedsverband, sondern staatliche Gerichte für die ersatzweise Benennung des Schiedsrichters zuständig gewesen wären (Art. 11 - 12 Arbitration Law), so bliebe doch substantiiert darzutun, inwieweit die Ernennung durch das staatliche Gericht möglicherweise zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätte (dazu statt vieler Musielak/Voit ZPO 5. Aufl. 2007 § 1061 Rd-Nr. 17), insbesondere dass dann z.B. kein weiterer Schiedsrichter gleicher Nationalität bestellt worden wäre, was die Schuldnerin als besonders beschwerlich darlegt. Im übrigen hat die vom Schiedsgericht vorgenommene Auslegung der Schiedsklausel dahin, dass das einzige institutionelle Schiedsgericht in Taipei berufen sein solle, vieles für sich („... to submit such dispute to arbitration in Taipei...”). Wäre es nur darum gegangen, einen Schiedsspruch unter nationalchinesischem Schiedsverfahrensrecht zu vereinbaren, u.U. damit irgendeinen Schiedsort in Nationalchina, hätte man Taipei nicht erwähnen müssen. Auch enthalten Klauseln über ein ad-hoc-Schiedsgericht regelmäßig einen Hinweis auf den Benennungsmechanismus, der hier fehlt, so dass der Gedanke einer Zuständigkeitsbegründung für die einzige örtliche institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit nahe liegt.
In der bloßen Tatsache, dass die Nationalität aller drei Schiedsrichter mit der Nationalität einer Partei übereinstimmt, liegt noch kein Neutralitätsverstoß, der den Ordre-public-Einwand (Art. V Abs. 2 b UNÜ) begründen könnte. Hierzu bedürfte es der Darlegung konkreter, den Eindruck der Parteilichkeit rechtfertigender Tatsachen.