Recht und Steuern

A4a Nr. 79

A4a Nr. 79
Art. IV, VII Abs. 1 UNÜ, § 1064 Abs. 1 Nr. 3 ZPO; § 138 Abs. 3 ZPO - Vollstreckbarerklärung ausländischen Schiedsspruchs. Vorzulegende Urkunden, Günstigkeitsprinzip. Klarstellung unvollständiger, mehrdeutiger Parteibezeichnung. Ordre Public. Anforderungen an ein „substantiiertes Bestreiten“. „Mehrwertsteuer in gesetzlicher Höhe“, Umrechnung ausländischer Währung
1. Es genügt, den ausländischen Schiedsspruch in Urschrift und eine von einer „qualifizierten Übersetzerin“ gefertigte deutsche Übersetzung vorzulegen. Soweit Art. IV UNÜ weitergehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UNÜ das Günstigkeitsprinzip. Das nationale Recht ist in § 1064 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 ZPO anerkennungsfreundlicher und geht demnach vor.
2. Wenn im Schiedsspruch eine Partei unvollständig und mehrdeutig bezeichnet, ihre Person aber unzweifelhaft und eindeutig bestimmbar ist, kann das ordentliche Gericht im Rahmen der Vollstreckbarerklärung den Schiedsspruch insoweit klarstellend fassen.
3. Schon nach deutschem Verfahrensrecht können unter bestimmten Voraussetzungen Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden angesehen werden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Wenn das ausländische Schiedsgericht bei der Qualifizierung eines Parteivorbringens als unbestritten die Anforderungen an ein ausdrückliches, substantiiertes Bestreiten überspannt hat, begründet ein derartiger Fehler keinen Verstoß gegen den ordre public.
4. Ob ein Schiedsspruch eine vollstreckungsfähige Verurteilung enthält, bleibt im Vollstreckbarerklärungsverfahren regelmäßig offen und ist erst im Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu prüfen.
5. Für vollstreckbar zu erklären ist der tatsächliche Leistungsausspruch in seiner konkreten Form, wie ihn das Schiedsgericht getroffen hat. Deshalb findet eine Umrechnung einer in ihm verlautbarten ausländischen Währung in Euro nicht statt.
6. Soweit ein Antrag auf Vollstreckbarerklärung Schiedsrichterhonorar einbezieht, kann ihm nicht stattgegeben werden.
Oberlandesgericht München 28. November 2005 - 34 Sch 019/05; RKS A 4 a Nr. 79
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin, ein in Bayern ansässiger Malereibetrieb in der Rechtsform der GmbH & Co KG beauftragte die Antragstellerin, ein in Großbritannien ansässiges Bauunternehmen, Anfang September 2003 in G./Großbritannien an den Außenmauern bestimmter Gebäude Verputzarbeiten durchzuführen. Im Verlauf der Arbeiten kam es zum Streit über Qualität und Abrechnungsmaßstab. Die Ag. verweigerte die Bezahlung der abgerechneten Leistungen. Am 15.12.2003 trafen die Parteien eine schriftliche Schiedsabrede, am 23.1.2004 erließ der von den Parteien bestellte Einzelschiedsrichter einen Schiedsspruch. Die Ast. beantragt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.
Aus den Gründen:
Für den Antrag ist das OLG München zuständig (§ 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 2 und 5 i.V.m. § 8 GZVJu vom 16.11.2004 GVBl. S. 471). Die Ag. hat ihren Sitz in R./Oberbayern. Maßgeblich für die Anerkennung des in Großbritannien ergangenen Schiedsspruchs ist das
OLG München 28.11.2005 A 4 a Nr. 79 S. 2
UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl. 1961 II S. 122 - UNÜ; vgl. § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Der Antrag ist zulässig (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1 S. 1, § 1064 Abs. 1 S. 1 Abs. 3 ZPO). Der Schiedsspruch wurde in Urschrift vorgelegt. Die Ast. hat auch die von einem Büro in Großbritannien gefertigte deutsche Übersetzung einer „qualifizierten Übersetzerin“ vorgelegt. Soweit Art. IV UNÜ weitergehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UNÜ das Günstigkeitsprinzip (BGH NJW-RR 2004, 1504 = RKS A 4 a Nr. 65). Das nationale Recht ist in § 1064 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 ZPO anerkennungsfreundlicher und geht demnach vor (Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. Anh. § 1061 Art. IV UNÜ Rd-Nr. 1).
2. Der seiner Qualität nach abschließende und endgültige Schiedsspruch ist zwischen der Ast. als Schiedsklägerin und der Ag. als Schiedsbeklagter ergangen. Zwar bezeichnet die Schiedsentscheidung die Beklagtenpartei durchgängig als „W.W.“, was dazu führte, daß die Ast. zunächst ihren Antrag auf Vollstreckbarerklärung gegen die natürliche Person „W.W.“, den Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Ag., richtete. Gegenstand des Schiedsspruchs ist jedoch ein unternehmensbezogenes Geschäft (siehe Palandt/Heinrichs BGB 64. Aufl. § 164 Rd-Nr. 2). Der Schiedsspruch selbst bezeichnet unter Rn. 1 „W.W.“ als Bauunternehmen (firm of contractors). Der zugrunde liegende Bauvertrag weist als „client“ die Antragsgegnerin aus. Ebenso verhält es sich mit der gesondert abgeschlossenen Schiedsvereinbarung vom 15.12.2003, deren „parties“ die Antragstellerin und die Antragsgegnerin sind. Dies bestätigend hat der verantwortliche Schiedsrichter auf Veranlassung der Ast. am 8.4.2005 noch erklärt, daß in seiner Entscheidung alle Hinweise auf „W.W.“ tatsächliche Hinweise auf das Unternehmen (die GmbH & Co KG) und nicht auf eine Einzelperson mit dem Namen „W.W.“ seien. Die Ag. hat dies im Anerkennungsverfahren nicht in Abrede gestellt. Im Gegenteil lautete die in dem früheren beim Bayerischen Obersten Landesgericht anhängig gewesenen Verfahren gegen den Geschäftsführer ihrer Komplementärin gegebene Einlassung dahin, daß Vertragspartner des Werkvertrages wie der Schiedsvereinbarung stets nur die Ag. gewesen sei; der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH habe die Vereinbarung nicht im eigenen Namen, sondern für das Untenehmen abgeschlossen. Aus den von der Ag. eingereichten Unterlagen ergibt sich weiter, daß sie selbst einen unstreitigen Teil der Forderung beglichen hat. Aus alledem schließt der Senat, daß das Schiedsverfahren tatsächlich unter den Parteien des Anerkennungsverfahrens geführt wurde und auch der Schiedsspruch die Ag. zur Leistung verpflichtet hat, während es sich bei deren Bezeichnung im schriftlichen Schiedsspruch selbst nur um eine unvollständige und mehrdeutige Bezeichnung handelt. Der englische Schiedsspruch ist jedoch hinsichtlich der Person der Ag. unzweifelhaft und eindeutig bestimmbar, er kann vom Senat im Rahmen der Vollstreckbarerklärung klarstellend gefaßt werden (Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. § 1058 Rd-Nr. 10; § 1060 Rd-Nr. 14; § 1063 Rd.-Nr. 8; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 28 Rd-Nr. 7).
3. Gründe, die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen (Art. V Abs. 1 und Abs. 2 UNÜ, § 1061 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Versagungsgründe nach Art. 5 Abs. 1 UNÜ sind nicht vorgebracht, geschweige denn nachgewiesen.
Der Vollstreckbarerklärung steht auch Art.5 Abs. 2 b UNÜ (ordre public) nicht entgegen. Danach ist die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen, wenn das Gericht feststellt, daß sie der öffentlichen Ordnung dieses Landes widersprechen würde (vgl. auch § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO). Gegen den ordre public verstößt ein
OLG München 28.11.2005 A 4 a Nr. 79 S. 3
Schiedsspruch dann, wenn er eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens regelt oder wenn er mit deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (BGHZ 39, 173/176; 48, 327; Schwab/Walter Kap. 30 Rd-Nr. 21). Auch die grundlegenden Prinzipien des Verfassungsrechts sind Bestandteil des deutschen ordre public. Dazu gehört als besondere Ausprägung eines fairen Verfahrens der Anspruch auf rechtliches Gehör (Schwab/Walter Kap. 30 Rd-Nr. 25; Musielak/Voit § 1061 Rd-Nr. 24 und 26), dessen Gewährung nach den Grundsätzen des deutschen Rechts zu prüfen ist (vgl. auch BGHZ 96, 40/48 f. = RKS A 3 Nr. 14). Maßgeblich ist, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des ausländischen Gesetzes vom Standpunkt des deutschen ordre public zu mißbilligen ist (BGHZ 48, 327/333).
Ein solcher Verstoß des Schiedsgerichts liegt nicht vor. Die Ag. hat nicht bewiesen, daß die fragliche e-mail vom 14.1.2004 dem Schiedsrichter nicht vor seinem Schiedsspruch zur Kenntnis gelangt ist. Dies erscheint auch unwahrscheinlich, weil offenbar als Anlage dazu das „statement“ übermittelt wurde, das im Schiedsspruch (Rn. 5) ausdrücklich Erwähnung findet.
Auch daß sich das Schiedsgericht nicht ausdrücklich mit dem Vorbringen in der e-mail vom 14.1.2004 auseinandergesetzt, sondern das von der Schiedsklägerin mit 1.000 m2 bezeichnete Aufmaß als unbestritten bestätigt hat, begründet keinen Verstoß gegen den ordre public. Zu diesen Maßangaben der Schiedsklägerin hat die Antragsgegnerin dort nur erklärt, daß in dem Vertrag keine Gesamtquadratmeterzahl erwähnt war und die Fläche des ersten Bauabschnitts ca. 150 m2 umfaßt habe. Im übrigen hat sich die Ag. noch dahin eingelassen, keine Möglichkeit zu besitzen, den Umfang der gesamten Arbeiten mangels Aufmaßes zutreffend einzuschätzen. Einen solchen Vortrag nicht als ein Bestreiten zu bewerten verstößt nicht gegen unverzichtbare Grundsätze des rechtlichen Gehörs. Denn schon nach deutschem Verfahrensrecht können unter bestimmten Voraussetzungen Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden angesehen werden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Ob das Schiedsgericht die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 138 Rd-Nr. 16) überspannt hat, kann auf sich beruhen. Denn ein derartiger Fehler berührt die Anerkennungsfähigkeit nicht.
4. Soweit der Schiedsspruch neben dem Hauptsachebetrag auch „Mehrwertsteuer in Übereinstimmung mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen“ zuerkennt, kann die Frage der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit auf sich beruhen. Denn die Frage, ob ein Schiedsspruch eine vollstreckungsfähige Verurteilung enthält, bleibt im Vollstreckbarerklärungsverfahren regelmäßig offen und ist erst im Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu prüfen (BayObLG BB 1999, 1948, NJW-RR 2003, 502 = RKS A 4 a Nr. 60 m.w.N.; ebenso OLG München Beschluß vom 7.9.2005, 34 Sch 021/05). [1]
5. Für vollstreckbar zu erklären ist der tatsächliche Leistungsausspruch in seiner konkreten Form, wie ihn das Schiedsgericht getroffen hat. Deshalb findet eine Umrechnung einer in ihm verlautbarten ausländischen Währung in Euro nicht statt (siehe auch Senat, Beschl.v. 4.7.2005, 34 Wx 009/05).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 269 Abs. 3 Sätze 2 und 3 ZPO. Die Ast. hatte zunächst einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung gestellt, der u.a. das festgesetzte Honorar des Schiedsrichters erfaßte; dies hätte unter keinem rechtlichen
OLG München 28.11.2005 A 4 a Nr. 79 S. 4
Gesichtspunkt für vollstreckbar erklärt werden können (BGH NJW 1985, 1903/1904 = RKS A 3 Nr. 12).
[1] a.M. KG Berlin Beschl.v. 27.5.2005 RKS A 4 b Nr. 36