Recht und Steuern

A4a Nr. 78

A4a Nr. 78
Art. II Abs. 1 und 2, VII Abs. 1 UNÜ, § 1031 ZPO, Art. 11 Abs. 1 EGBGB - Meistbegünstigungsgrundsatz: Geltung auch für die nationalen Kollisionsregeln und das danach als Statut der Schiedsvereinbarung berufene nationale Recht
Die durch den Meistbegünstigungsgrundsatz gebotene Anwendung schiedsfreundlichen nationalen Rechts gilt nicht nur für die Bestimmungen zur Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen. Sie umfaßt auch die (nationalen) Kollisionsregeln und das danach als Statut der Schiedsvereinbarung berufene nationale Recht. Unterliegt die Schiedsvereinbarung nach dem - durch den lex-fori-Grundsatz bestimmten - internationalen Privatrecht des Exequaturstaates einem nationalen Recht, das liberalere Formvorschriften hat als Art. II Abs. 1 und 2 UNÜ, so ist dieses anerkennungsfreundlichere nationale Recht gem. Art. VII Abs. 1 UNÜ maßgeblich.
BGH Beschluß vom 21.9.2005 - III ZB 18/05; Hamburger Seerechts-Report 2005, 200 =
RKS A 4 a Nr. 78
Aus dem Sachverhalt:
Ein Unternehmer erwirkte vor einem niederländischen Schiedsgericht gegen seinen Auftraggeber einen Schiedsspruch vom 17.12.2003 über 34.387 Euro restliche Vergütung für die Ausführung von Baggerarbeiten. Grundlage der Schiedsvereinbarung waren Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmers. Das OLG Oldenburg versagte die Vollstreckbarerklärung nach dem UNÜ, weil das Schiedsgericht nicht durch eine „schriftliche Vereinbarung“ i.S.d. Art. V Abs. 1 (a), Art. II Abs. 2 UNÜ legitimiert gewesen sei. Die Parteien hätten die zu erbringenden Leistungen mündlich vereinbart. Zwar habe sich auf den Rechnungen des Unternehmers ein Hinweis auf Allgemeine Geschäftsbedingungen befunden, die eine Schiedsklausel enthalten hätten. Das aber habe - mangels gesonderten Hinweises auf die Schiedsklausel - der von Art. II Abs. 2 UNÜ geforderten Schriftform nicht genügt. Dem Übereinkommen könne nationales, hier also deutsches Recht vorgehen, soweit es der Vollstreckbarerklärung günstiger sei. Es gebe aber keinen Schiedsvertrag, der den Anforderungen des § 1031 Abs. 1 bis 3 ZPO entspreche. Auf Rechtsbeschwerde hob der BGH die Entscheidung des OLG auf und verwies die Sache dorthin zurück.
Aus den Gründen:
Die Formerfordernisse, die Art. II UNÜ an eine Schiedsvereinbarung stellt, sind nicht erfüllt. Abs. 1 der Vorschrift fordert eine schriftliche Vereinbarung. Darunter ist gem. Abs. 2 eine Schiedsklausel in einem Vertrag oder eine Schiedsabrede zu verstehen, sofern der Vertrag oder die Schiedsabrede von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen oder in Telegrammen enthalten ist, die sie gewechselt haben. Hier haben die Parteien indes nur mündliche Abreden über die Beauftragung des Unternehmers mit den Baggerarbeiten getroffen. Der Verweis auf die in AGB niedergelegte Schiedsklausel befand sich allein auf Rechnungen, die der Unternehmer dem Auftraggeber übersandte, mithin nicht in gewechselten Schriftstücken.
Möglicherweise gestattet Art. VII Abs. 1 UNÜ die Anwendung des § 1031 ZPO. Allerdings sind die dort niedergelegten Formalien einer Schiedsvereinbarung ebenfalls nicht eingehalten. Weder ist sie in einem von den Parteien unterzeichneten Dokument (§ 1031 Abs. 1 erste Altenative ZPO) noch in - nicht notwendigerweise unterschriebenen - gewechselten Dokumenten oder anderen Formen der Nachrichtenübermittlung (§ 1031 Abs. 1 zweite Alternative ZPO) enthalten. Lediglich die einseitig von dem Untenehmer dem Auftraggeber übermittelten Rechnungen enthielten einen Verweis auf die AGB, die u.a. ein Schiedsverfahren vorsahen. Die Rechnungen können auch nicht als kaufmännische Bestätigungsschreiben
BGH 21.9.2005 RKS A 4 a Nr. 78 S. 2
aufgefaßt werden, die gem. § 1031 Abs. 2 erste Alternative ZPO i.V.m. Abs. 3 wirksam auf die AGB-mäßige Schiedsklausel Bezug genommen hätten. Die Rechnungen waren ebensowenig wie möglicherweise in den Rechnungen enthaltene Auftragsbestätigungen dazu bestimmt, den Vertragsschluß und den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen verbindlich festzulegen. Mit ihnen sollten erkennbar lediglich die von dem Untenehmer erbrachten Werkleistungen gegenüber dem Auftraggeber abgerechnet werden.
Der Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. VII Abs. 1 UNÜ kann aber auf einem anderen Wege zur Anerkennung der Schiedsvereinbarung und damit des Schiedsspruchs führen. Das Übereinkommen läßt die Anwendung nationalen Rechts zu, soweit es der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs günstiger ist (Art. VII Abs. 1 UNÜ). Das deutsche Gericht ist deshalb befugt, auch ohne daß sich die Parteien darauf berufen, auf das anerkennungs- freundlichere innerstaatliche Recht in toto zurückzugreifen. Denn es hat das Recht - völkerrechtliche Verträge ebenso wie (originär-)nationales Recht - von Amts wegen zu beachten. Nach dem vorbeschriebenen Meistbegünstigungs-Grundsatz ist mithin - sofern schiedsfreundlicher - das deutsche Recht, d.h. die Vorschriften der ZPO zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche anwendbar. Dort wird aber, abgesehen von wenigen eigenständigen Regelungen, das UNÜ in Bezug genommen (dessen formforderndem Artikel II Abs. 1 und 2, wie dargelegt, hier nicht genügt wurde). Weitgehend wird zwar der Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. VII Abs. 1 UNÜ) dahin verstanden, daß er - unter Durchbrechung der Rückverweisung des nationalen Rechts auf das UNÜ - die Anwendung von im Vergleich zu Art. II Abs. 2 UNÜ zurückhaltenderen nationalen Formvorschriften wie die des § 1031 ZPO erlaubt. Für ein solches anerkennungsfreundlicheres Verständnis des Meistbegünstigungsgrundsatzes spricht viel. Dies kann jedoch dahinstehen. Die Formerfordernisse des danach ggf. berufenenen § 1031 ZPO sind hier nicht erfüllt.
Die durch den Meistbegünstigungsgrundsatz gebotene Anwendung schiedsfreundlicheren nationalen Rechts gilt allerdings nicht nur für die Bestimmungen zur Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen. Sie umfaßt ferner die (nationalen) Kollisionsregeln und das danach als Statut der Schiedsvereinbarung berufene nationale Recht. Unterliegt die Schiedsvereinbarung nach dem - durch den lex-fori-Grundsatz bestimmten - internationalen Privatrecht des Exequaturstaates einem nationalen Recht, das liberalere Formvorschriften hat als diejenigen des Art. 2 Abs. 1 und 2 UNÜ, ist dieses anerkennungsfreundlichere nationale Recht gem. Art. VII Abs. 1 UNÜ maßgeblich. So kann der Streitfall liegen, was im Verfahren der Rechtsbeschwerde indes nicht abschließend entschieden werden kann.
Kollisionsrecht ist hier das (deutsche) EGBGB als lex fori. Danach kommt es für das Recht, dem die Schiedsvereinbarung unterliegt - und dessen Form regiert (vgl. Art. 11 Abs. 1 erste Alternative EGBGB) - auf die Parteivereinbarung an. Der Unternehmer hat vorgetragen, die Parteien hätten, was gem. Art. 28 Abs. 2 EGBGB zu vermuten ist, den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag über Baggerleistungen und die Schiedsvereinbarung niederländischem Recht unterstellt. Nach der somit maßgeblichen niederländischen Rechtsprechung ist für die Einbeziehung der die Schiedsklausel enthaltenden AGB ausreichend, wenn bei langjährigen Geschäftsbeziehungen - wie geschehen - ein entsprechender Hinweis auf den Rechnungen oder auf dem Briefpapier erfolgt.