Recht und Steuern

A4a Nr. 75

§767 ZPO - Aufrechnung im Vollstreckbarerklärungsverfahren
ImVollstreckbarerklärungsverfahren kann gegen die im Schiedsspruch zuerkannteForderung mit einer rechtskräftigtitulierten Gegenforderung aufgerechnet werden.
Die Wirksamkeitder Aufrechnung richtet sich nach dem Schuldstatut der Forderung, gegen dieaufgerechnet wird.
OLGDüsseldorf Beschl.v. 19.1.2005 I-26 Sch5/03; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2005, 215 = RKS A 4 a Nr. 75
Ausden Gründen:
DerSchiedsspruch des Internationalen Handelsgerichts bei der Industrie- undHandelskammer Rumäniens vom 29.3.2003 erfüllt die Voraussetzungen des § 1061Abs. 1 ZPO.
Nach§ 1061 Abs. 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischerSchiedssprüche nach dem Übereinkommen vom 10.6.1958 (UNÜ - BGBl. 1961 II S.121). Voraussetzung ist zunächst, daß der Schiedsspruch nach dem für ihnmaßgeblichen Recht verbindlich geworden ist (Art. V 1 e UNÜ). Obein Schiedsspruch vorliegt, beurteilt sich nach deutschem Recht (Geimer in Zöller25. Aufl. 2005 § 1061 Rd-Nr. 4). Danach ist ein Schiedsspruch gem. §§ 1054,1055 ZPO die endgültige Entscheidung über den Streitgegenstand im Ganzen odereinen abgrenzbaren Teil durch ein nichtstaatliches Gericht. DieserSchiedsspruch muß nach § 1054 ZPO schriftlich abgefaßt, datiert, durch dieSchiedsrichter unterzeichnet und den Parteien übersandt worden sein.
DiesenAnforderungen wird der streitgegenständliche Schiedsspruch gerecht. Er verhältsich über die Lieferung warmgewalzten Blechs. Die Parteien haben eineSchiedsklausel vereinbart, wonach Unstimmigkeiten bei der Vertragsdurchführungdurch die Schiedskommission bei der IHK Bukarest entschieden werden sollten.Auf der Grundlage streitigen Vorbringens hat das Schiedsgericht entschieden,daß der von den Schiedsklägern geltend gemachte Anspruch begründet ist. Der Schiedsspruch ist vonallen Schiedsrichtern unterzeichnet und den Beteiligten zugestellt worden.Anerkennungsversagungsgründe nach Art.V Abs. 2 UNÜ liegen nicht vor. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß derSchiedsspruch nach rumänischem Recht nicht hätte schiedsrichterlich geregeltwerden dürfen oder daß die Anerkennung des Schiedsspruchs der öffentlichenOrdnung Rumäniens widersprechen würde.
Gegendie im Schiedsurteil vom 29.3.2000 titulierte Forderung hat die Antragsgegnerinwirksam mit einer Gegenforderung aufgerechnet, die ihr nach dem Urteil desObersten Rumänischen Gerichtshofes - Senat für Handelsrecht - Entscheidung Nr.6126/2000 vom 7.12.2000 zugesprochen worden ist. Die Ag. kann sich auf dieEinwendungen gegen den dem Schiedsspruch zu Grunde liegenden materiellenAnspruch berufen, da über die von ihr zur Aufrechnung gestellte Forderungrechtskräftig entschieden worden ist. Einer Erklärung der Vollstreckbarkeit bedarfes auch nach rumänischem Recht nicht. Soweit sich die Forderungen aufrechenbarentgegenstehen, ist die titulierte Forderung der Antragstellerin erloschen.
ZurFrage, ob die Aufrechnung mit einer Gegenforderung im Anerkennungsverfahrenmöglich ist, werden im Wesentlichen zwei Ansichten vertreten. Das BayObLG siehtnach dem Inkrafttreten des neuen Schiedsverfahrensrechts keinen Raum für eineAufrechnung mit einer bestrittenen Forderung gegen den im Schiedsspruchtitulierten Anspruch im Antragsverfahren auf Vollstreckbarerklärung einesSchiedsspruchs. Dies bedeute eine nicht hinnehmbare Verkürzung des Rechtswegs.Die Oberlandesgerichte entschieden im Verfahren nach §§ 1062
OLG Düsseldorf 19.1.2005 RKS A 4 a Nr. 75 S. 2
ff ZPO durch Beschluß, gegen den kein zu einerweiteren Tatsacheninstanz führendes Rechtsmittel, sondern nur noch die untereingeschränkten Voraussetzungen statthafte revisionsrechtlich ausgestalteteRechtsbeschwerde zum BGB gegeben sei. Die Entscheidung sei einer weiterentatrichterlichen Entscheidung nicht zugänglich und würde gegenüber der Klageaus § 767 ZPO den Verlust einerTatsacheninstanz nach sich ziehen. Außerdem sei Ziel und Zweck der Reform desSchiedsverfahrensrechts die grundlegende Vereinfachung und Straffung dergerichtlichen Verfahren sowohl im Interesse der zügigen Beendigung desSchiedsverfahrens als auch zur Entlastung der staatlichen Gerichte. Diesergesetzgeberische Ansatz werde unterlaufen, wenn materiell-rechtlicheEinwendungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren zu einer Verkürzung desRechtsschutzes für den Schiedsbeklagten und zu einer systemwidrigen Ausweitungdes neuen Beschlußverfahrens führen würden. Daher blieben bestrittenemateriell-rechtliche Einwendungen gegen den Anspruch selbst derVollstreckungsabwehrklage vorbehalten (BayObLG NJW-RR 2001, 1363, 1364 = RKS A4 a Nr. 54).
DasOLG Hamm vertritt die gegenteilige Auffassung: Bei Schiedssprüchen werde derVollstreckungstitel nunmehr durch das OLG geschaffen. Das Urteil, das den Titelvollstreckbar erkläre, bilde den Vollstreckungstitel. DieVollstreckungsabwehrklage sei daher in diesen Fällen ebenfalls an das OLG zurichten mit der Folge, daß den Parteien keine Tatsacheninstanz verloren gehe.Eine Verkürzung des Rechtsschutzes könne allenfalls noch in der im Verfahrennach §§ 1062 ff ZPO nur fakultativen mündlichen Verhandlung gesehen werden. Dasdem Gericht im Rahmen des § 1063 Abs. 1 ZPO zustehende Ermessen sei jedoch in den Fällen, in denen der Antragsgegnermaterielle Einwendungen eingebracht habe, dahingehend auszuüben, eine mündlicheVerhandlung anzuberaumen. Schließlich zeige die Entstehungsgeschichte, daß derGesetzgeber sich im Hinblick auf die Interessen der Parteien an einerbeschleunigten Abwicklung des Verfahrens bewußt für eine Kürzung des Instanzenzugesausgesprochen habe (OLG Hamm NJW-RR 2001, 1362, 1363 = RKS A 4 a Nr. 53).
DerBGH hat in seiner Entscheidung vom 2.11.2000 (ZZP Zeitschrift für Zivilprozeß2001, 351ff. = RKS A 4 a Nr. 49) zu dem vergleichbaren Einwand aus § 826 BGBerkennen lassen, daß er nicht alle materiell-rechtlichen Einwände im Interesseder Beschleunigung des Vollstreckbarkeitserklärungs-Verfahrens ausschließen möchte. Aus prozeßökonomischerSicht sei es weder sinnvoll, den Gegner zu einer weiteren Klage zu zwingen nochdie Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs anzuordnen, aus dem derAntragsteller materiell-rechtlich nicht vollstrecken könne (Anm. von Voit ZZP2001, 355, 359).
Abgesehendavon, daß die Argumentation des BayObLG hinsichtlich der Verkürzung desRechtsschutzes nach Inkrafttreten der Zivilprozeßreform nicht mehr überzeugt,bedarf die Rechtsfrage keiner abschließenden Klärung, da hier ein Fallvorliegt, bei dem die Einwendungen selbst nach der Rechtsprechung des BayObLGzu berücksichtigen sind.
DerHinweis auf das Fehlen einer zweiten Tatsacheninstanz, ließe manmateriell-rechtliche Einwendungen auch im Verfahren der Vollstreckbarerklärungzu, entbehrt nach Inkrafttreten der ZPO-Reform an Überzeugungskraft. Zwar hatsich die ursprünglich im Gesetzgebungsverfahren vorgesehene strikte Bindung derBerufungsinstanz an die tatsächlichen Feststellungen der ersten Instanz nichtdurchgesetzt, übrig geblieben ist allerdings eine deutliche Verschärfung derPräklusionsvorschriften, so daß sich bei strikter Anwendung dieBerufungsinstanz in deutlich stärkerem Maße der revisionsrechtlichen Kontrollenähert als vor der Reform.
OLG Düsseldorf 19.1.2005 RKS A 4 a Nr. 75 S. 3
Letztlichist aber auch die Entscheidung des BayObLG nicht so zu verstehen, daß derAufrechnungseinwand gegenüber Schiedssprüchen insgesamt ausgeschlossen werdensoll. In dem vom Gericht beurteilten Sachverhalt war die zur Aufrechnunggestellte Forderung streitig. In diesem Zusammenhang gäbe es insbesondere beiAuslandsbezug eine Vielzahl von Problemen zu klären, z.B. die Frage derinternationalen Zuständigkeit des erkennenden Gerichts zur Entscheidung übereine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung des Beklagten (hierzu BGH12.5.1993 NJW 1993, 2753, 2755). Weder das öffentliche Interesse an einem effizientenEinsatz knapper Ressourcen noch Parteiinteressen an einem voll ausgeschöpftenInstanzenzug stehen allerdings der Berücksichtigung desAufrechnungseinwandes entgegen, wenndie Gegenforderung unstreitig oder rechtskräftig festgestellt ist. In diesenFällen fehlt es an einer „Entscheidung” des Vollstreckungsgerichts über die zurAufrechnung gestellte Forderung (Wagner JZ 2000, 1171, 1173).
Unterdiesem Gesichtspunkt ist der Aufrechnungseinwand zu berücksichtigen. Imvorliegenden Fall stellt sich nicht die Frage, ob die zur Aufrechnung gestellteForderung besteht. Hierzu verhält sich die rechtskräftige Entscheidung desObersten Gerichtshofes Rumäniens vom 7.12.2000. Der hiergegen von derAntragstellerin eingelegte außerordentliche Rechtsbehelf der Annullierungändert daran nichts.
DieAufrechnung mit der im Schiedsurteil vom 29.3.2000 rechtskräftig tituliertenForderung war nach rumänischem Privatrecht ohne weitere Voraussetzungenmöglich. Lt. BGH (25.11.1993 NJW 1994, 1413 ff.) richtet sich die Wirksamkeitder Aufrechnung nach dem Schuldstatut der Forderung, gegen die aufgerechnetwird. Das vom Senat zum rumänischen Privatrecht eingeholte Gutachten desSachverständigen Dr. S. kommt nach eingehender Würdigung der Gesetzeslage undRechtsprechung zu dem schlüssigen Ergebnis, daß die Aufrechnung mit einerrechtskräftig festgestellten Forderung ohne weiteres möglich ist. Es bedarf gerade nicht der Erklärung derVollstreckbarkeit.
DieForderung ist wirksam an die Antragsgegnerin abgetreten worden; lt. Sachverständigen-Gutachtenunterscheidet sich die rumänische Regelung nicht von § 398 BGB (wirdausgeführt).