Recht und Steuern

A4a Nr. 82

A 4 a Nr. 82
§§ 1059 Abs. 2, 1060 ZPO - Vollstreckbarerklärung nicht vollstreckbaren Schiedsspruchs
1. Für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs kann auch dann ein rechtlich anzuerkennendes Interesse bestehen, wenn der Schiedsspruch nicht vollstreckbar ist.
2. Denn die Vollstreckbarerklärung soll nicht nur die Zwangsvollstreckung ermöglichen, sondern den Schiedsspruch auch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen sichern.
3. Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht zu berücksichtigen, wenn die für den Aufhebungsantrag geltenden Fristen fruchtlos abgelaufen sind. Jedoch sind Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, insbesondere Verstöße gegen den ordre public, immer zu berücksichtigen.
BGH Beschl.v. 30.3.2006 - III ZB 78/05; NJW-RR 2006, 995 = RKS A 4 a Nr. 82
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der K-GmbH. Gestützt auf Sicherungsabtretungen der Gemeinschuldnerin macht der Antragsteller gegen die Ag. ein Absonderungsgrecht geltend. In einem DIS-Schiedsverfahren erwirkte er als Schiedskl. folgenden Schiedspruch vom 28.2.2005 gegen die Ag. (= Schiedsbekl.):
  1. Die Schiedsbekl. wird verurteilt, an den Schiedskl. 50.000 Euro abzüglich der Kosten gem. § 171 InsO nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1.2.2003 zu zahlen.
  2. Die Schiedsbekl. wird ferner verurteilt,
  1. dem Schiedskl. Auskunft darüber zu erteilen, welche Beträge die K-GmbH i.In. aus der Geschäftsbeziehung mit der D-GmbH nach Einleitung des Insolvenzverfahrens erhalten hat, sowie die entsprechenden Abrechnungsunterlagen hierüber vorzulegen.
  2. die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern.
  3. an den Schiedskl. die vereinnahmten Gelder unter Berücksichtigung der Zahlung gem. (1) bis zu einem Höchstbetrag von 117.298,50 Euro abzüglich des Kostenbeitrags gem. § 171 InsO nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem Tag, an dem die Schiedsbekl. den Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, empfangen hat, auszuzahlen.
  1. Die Schiedsbekl. trägt die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens. Die Festsetzung der Höhe der Kosten erfolgt durch einen gesonderten Schiedsspruch.
Die Ast. begehrt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Das KG hat den Schiedsspruch bezüglich Nr. 2 lit. a und b des Tenors für vollstreckbar erklärt und den weitergehenden Antrag abgewiesen (KG SchiedsVz. 2005, 310).
Die Rechtsbeschwerde des Ast. führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in vollem Umfang.
Aus den Gründen:
  1. Das OLG hat ausgeführt, soweit die Vollstreckbarerklärung von Nrn. 1, 2 lit. c und 3 der schiedsgerichtlichen Verurteilung begehrt werde, fehle dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis.
Dieser Teil des Schiedsspruchs sei nicht vollstreckbar. Die in Nrn. 1 und 2 lit. c des Tenors genannte gesetzliche Vergütung gem. § 171 InsO sei keineswegs festgelegt, sondern offen; das gelte entsprechend für die Kostenentscheidung in Nr. 3 S. 1 des Tenors. Daß der Schiedsspruch - im vorgenannten Umfang - nicht vollstreckungsfähig sei, müsse im Verfahren der Vollstreckbarerklärung berücksichtigt werden. Dies setze entgegen der Auffassung des BayObLG (NJW-RR 2003, 502 [503]= RKS A 4 a Nr. 60) voraus, daß aus dem Schiedsspruch tatsächlich die Zwangsvollstreckung betrieben werden könne.
Die - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2) zulässige - Rechtsbeschwerde ist begründet. Das OLG hat dem Antrag zu Unrecht teilweise das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen.
Der Schiedsspruch ist allerdings hinsichtlich der Verurteilungen zu Nrn. 1, 2 lit. c und Nr. 3 nicht vollstreckbar.
Die Ag. ist verurteilt worden, 50.000 Euro „abzüglich der Kosten gem. § 171 InsO“ nebst Zinsen (Nr. 1 des Tenors) sowie „die (sich aus der Auskunft gem. Nr. 2 lit. a des Tenors ergebenden) vereinnahmten Gelder unter Berücksichtigung der Zahlung gem. Nr. 1 (des Tenors) bis zu einem Höchstbetrag von 11.298,50 Euro abzüglich eines Kostenbeitrags gem. § 171 InsO“ nebst Zinsen (Nr. 2 lit. c des Tenors) an den Ast. zu zahlen. Dieser Ausspruch ist unbestimmt, weil jedenfalls die - von dem ausgeurteilten Zahlungsbetrag abzuziehenden - Kosten der Verwertung der sicherungshalber abgetretenen Forderung durch den Insolvenzverwalter (§§ 51 Nr. 1 Alt. 2, 50 i.V.m. §§ 166 Abs. 2, 170 Abs. 1 InsO) nicht feststehen. Sie sind grundsätzlich pauschal in Höhe von 5% des Verwertungserlöses anzusetzen (vgl. § 171 Abs. 2 S. 1 InsO). Es wird vermutet, daß in dieser Höhe Verwertungskosten anfielen (vgl. Lwowski in MünchKomm-InsO 2002 § 171 Rd-Nrn. 45f.). Lagen die tatsächlich enstandenen, für die Verwertung erforderlichen Kosten erheblich höher, so sind diese Kosten, ggf. zuzüglich Umsatzsteuer, anzusetzen (§ 171 Abs. 2 S. 2 u.3 InsO). Damit steht die Urteilssumme (Nrn. 1 und 2 lit. c des Tenors) insgesamt in Frage. Denn es ist nicht ersichtlich, in welcher Höhe das Schiedsgericht Verwertungskosten - neben den gem. § 171 Abs. 1 S. 2 InsO zu bemessenden Feststellungskosten - als „Kosten gem. § 171 InsO“ und „Kostenbeitrag(es) gem. § 171 InsO“, die von dem an den Ast. auszukehrenden Betrag abgezogen werden sollen, zu Grunde gelegt hat. Daran scheitert auch die von der Rechtsbeschwerde befürwortete Auslegung von Nrn. 1 und 2 lit. c des Schiedsspruchs in einem bestimmten, die Zwangsvollstreckung ermöglichenden Sinn.
Das Schiedsgericht hat in Nr. 3 S. 1 des Tenors eine Kostengrundentscheidung - verbunden mit der Ankündigung einer Kostenfestsetzung durch gesonderten Schiedsspruch (Nr. 3 S. 2 des Tenors) - getroffen. Der Ausspruch ist ebenfalls nicht vollstreckungsfähig.
  1. Für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs besteht jedoch auch dann ein rechtlich anzuerkennendes Interesse, wenn der Schiedsspruch nicht vollstreckbar ist.
Der BGH hat zum früheren Schiedsverfahrensrecht entschieden, daß es für die Vollstreckbarerklärung nicht darauf ankomme, ob der Spruch einen vollstreckbaren Inhalt habe. Selbst wenn dies nicht der Fall sei, könne er für vollstreckbar erklärt werden. Denn die Vollstreckbarerklärung diene nicht nur dazu, die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen; sie solle den Spruch auch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen sichern (§ 1043 Abs. 1 ZPO a.F.; BGH BB 1960, 302; 30.11.1961 VII ZR 12/61 NJW 1962, 591 = JZ 1962, 287 [Vollstreckbarerklärung auf Feststellung oder Klageabweisung lautender Schiedssprüche]; s.auch BGH 3.12.1986 IV b ZR 80/85 BGHZ 99, 143 [148]= NJW 1987, 651).
An dieser Auffassung ist festzuhalten; die Umgestaltung der ZPO durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz hat der vorgenannten Erwägung nicht die Grundlage entzogen (h.M.: BayObLG 27.7.1999 - 4 Z Sch 31/99; NJW-RR 2003, 502 [503]= RKS A 4 a Nr. 60; Stein/Jonas/Schlosser 22.Aufl. [2002], § 1060 Rd-Nr. 2; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. [2005], Kap. 27 Rd-Nr. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 64. Aufl. [2006] § 1060 Rd-Nr. 5; Thomas/Putzo/Reichold ZPO 27. Aufl. [2005]§ 1060 Rd-Nr. 1; Saenger in Handkomm-ZPO 2006 § 1060 Rd-Nr. 2; Lachmann Hdb.f.d.Schiedsgerichtspraxis 2. Aufl. [2002]Rd-Nr. 1275; a.A. OLG Frankfurt/Main Beschl.v. 3.1.2002 - 16 Sch 02/01 [DIS-Datenbank], unter irrtümlicher Berufung auf BGH NJW 1962, 591 = JZ 1962, 287; Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. [2005] § 1060 Rd-Nrn. 2, 5; im Grundsatz auch Münch in MünchKomm-ZPO 2. Aufl. [2001]§ 1060 Rd-Nr. 4 und Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. § 1060 Rd-Nr. 2, die allerdings eine Feststellung analog § 1060 ZPO erwägen, daß ein Aufhebungsgrund nicht vorliegt). Auch nach neuem Recht ist der Schiedsspruch - abgesehen von der Ausschlußwirkung, die durch die rechtskräftige Ablehnung eines Aufhebungsantrags bezüglich des geltend gemachten Aufhebungsgrundes eintritt (vgl. § 1060 Abs. 2 S. 2 ZPO) - nur durch die Vollstreckbarerklärung umfassend gegen Aufhebungsgründe gefeit. Zwar ist der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs nach Ablauf bestimmter Fristen - was im Einzelfall allerdings durchaus zweifelhaft sein kann (vgl. § 1059 Abs. 3 S. 2 u. 3 ZPO) - nicht mehr zulässig (vgl. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO). Der Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs kann aber nur dann - stets - nicht mehr gestellt werden, wenn der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt worden ist (vgl. § 1059 Abs. 3 S. 4 ZPO).
  1. Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr.1 ZPO sind im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht zu berücksichtigen, wenn die für den Aufhebungsantrag geltenden Fristen abgelaufen sind, ohne daß ein Aufhebungsantrag gestellt worden ist (vgl. § 1060 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 1059 Abs. 3 ZPO). Das gilt jedoch nicht für die - von Amts wegen zu prüfenden - Aufhebungsgründe gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, also insbesondere nicht für den ordre-public-Verstoß (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO). Sie sind im Vollstreckbarerklärungsverfahren immer zu berücksichtigen (vgl. Senat BGHZ 145, 376 [379f.]= NJW 2001, 373 = RKS A 4 a Nr. 49), sind also erst mit der (rechtskräftigen) Vollstreckbarerklärung erledigt.
Dementsprechend kann im Streitfall ungeachtet der fehlenden Vollstreckbarkeit ein rechtlich anzuerkennendes Interesse des Ast. an der Vollstreckbarerklärung auch von Nrn. 1, 2 lit c und Nr. 3 des Schiedsspruchs nicht geleugnet werden. Dort hat der Schiedsspruch eine Entscheidung über den Grund des Anspruchs und - wenn auch nicht vollständig - zur Höhe (Nrn. 1 und lit. c des Tenors) sowie eine Kostengrundentscheidung (Nr. 3 des Tenors) getroffen. Die Vollstreckbarerklärung bewirkt die „Bestandskraft“ (vgl. §§ 1055, 1059 Abs. 3 S. 4 ZPO; s.auch Stein/Jonas/Schlosser, § 1055 Rd-Nrn. 4ff) der mit dieser (Zwischen-) Entscheidung (teilweise) erreichten Streitklärung. Das erleichtert die außergerichtliche Streiterledigung. Von ihr hat die ggf. noch notwendige abschließende Streitentscheidung auszugehen (vgl. Stein/Jonas/Schlosser § 1060 Rd-Nr. 7).