Recht und Steuern

A4a Nr. 74

A4a Nr.74
§§ 1, 6, 10 Abs. 1 S. 1 + 2 GWB, §§ 39 Abs. 2, 134, 343 BGB, §§ 767Abs. 2, 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO - Kartellverbot, Strukturkrisenkartell, Begriff„ordre public”. Verhältnismäßigkeit einer Vertragsstrafe. Einwendungen imVollstreckbarerklärungsverfahren
1) Durch die zuständige Behörde gem. §§ 6, 10GWB vom Kartellverbot freigestellte Vereinbarungen von Vereinigungen konkurrierender Unternehmen derErzeugung, Herstellung, Be- oder Verarbeitung zwecks Anpassung der Kapazitätenan die geringere Nachfrage (sog. Strukturkrisenkartelle) verstoßen nicht gegenein gesetzliches Verbot. Ein auf solche Vereinbarungen gestützter Schiedsspruchverstößt nicht gegen den ordre public.
2) Dies gilt auch (a) für Vertragsstrafen wegenNichterfüllung im Rahmen solcher Kartelle getroffener Vereinbarungen, außerdemfür Mitgliedsbeiträge, wenn sieZeiträume (b) vor der Freistellung und (c) bis zum Ablauf der vereinbartenhöchstens zweijährigen Kündigungsfrist betreffen.
3) Einwendungen gegen den durch denSchiedsspruch festgestellten Anspruch können imVollstreckbarerklärungsverfahren geltend gemacht werden, auch wenn sie vor Schluß der mündlichenSchiedsverhandlung entstanden sind;dies gilt jedoch nur, wenn sie im Schiedsverfahren erhoben, aber nichtbehandelt wurden.
OLG Dresden Beschluß vom 20.4.2005 - 11 Sch 01/05; Zeitschrift fürSchiedsverfahrensrecht 2005, 210 = RKS A 4 a Nr. 74.
Aus dem Sachverhalt:
Der Schiedsbeklagte - ein sog. Strukturkrisenkartell für Transportbetonim Raum Dresden - begehrt dieVollstreckbarerklärung des DIS-Schiedsspruchs.vom 6.12.2004. Das Kartell wurdeam 19.4.2000 gegründet mit dem Ziel, die Anpassungsprobleme der Branche an dieveränderten Marktbedingungen zu lösen.
Die Schiedsklägerin produziert und liefert Frischbeton. Mit Antrag vom8.5.2000 trat sie der Bekl. bei. Mit Bescheid vom 1.11.2001 hat das SächsischeStaatsministerium für Wirtschaft und Arbeit (SMWA) das Kartell und denKapazitätsabbau genehmigt, die beabsichtigte Festlegung eines Mindestpreisesjedoch abgelehnt. Mit Schreiben vom 8.8.2001 erklärte die Schiedskl. ihrenAustritt aus dem Kartell. Nach Streitigkeiten über die Wirksamkeit diesesAustritts strengte die Schiedskl. das Schiedsverfahren an. Durch den Schiedsspruch vom 6.12.2004 wurdefestgestellt, daß die Schiedskl. durch die Erklärung vom 8.8.2001 mit Wirkungvom 8.8.2003 aus dem schiedsbekl. Kartell ausgetreten ist.
Auf die Widerklage des Schiedsbekl. wurde die Schiedskl. verurteilt,ihre in der Kiesgrube ca. 500 m nordwestlich des Ortes O. stehendeTransportbetonmischanlage vollständig zu demontieren, auf die für diese Anlageerteilte öffentlich-rechtliche Genehmigung gegenüber der Behörde zu verzichten,gegenüber der Behörde anzuzeigen, daß sie die Anlage endgültig abgebaut hat,und dem Schiedsbekl. Kopien dieser Schreiben unverzüglich zu überlassen. DieSchiedskl. wurde außerdem verurteilt, an den Schiedsbekl. 50.760 Euro Umlagen,17.374 Euro Mitgliedsbeiträge bis zur Wirksamkeit des Austritts am 8.8.2003 und15.338 Euro Vertragsstrafe zu zahlen.
Zur Begründung führt das Schiedsgericht an, daß der Austritt derSchiedskl. aus dem schiedsbekl. Kartell gem. § 39 Abs. 2 BGB erst zum 8.8.2003wirksam sei. Die Verurteilung zum Abbau ergebe sich aus dem gesonderten Abbau-und Stilllegungsvertrag vom 15.11.2000,
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durch den sich die Schiedskl. wirksam gegenüber dem Schiedsbekl.verpflichtet habe, gegen Zahlung eines Abbauzuschusses von 200.000 DM dieAnlage stillzulegen, abzubauen und auf die Betriebsgegenhmigung zu verzichten.Da die Schiedskl. dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nachgekommen sei,seien die Vertragsstrafen zu zahlen, ferner die Umlagen und Beiträge biszum Austritt am 8.8.2003. Am 17.1.2005beantragte der Schiedsbekl. die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs.
Die Schiedskl. beantragt dessen Aufhebung. Der Schiedsspruch stehe in Widerspruch zur öffentlichen Ordnung,das Kartell verstoße gegen das GWB.Die fehlende Möglichkeit des sofortigenAustritts verletze § 21 Abs. 3 GWB. Die Verurteilung zum Abbau und zurVertragsstrafe sei unverhältnismäßig, weil die Schiedskl. bereits eine anderegleichwertige Anlage abgebaut habe.
Aus den Gründen:
1) Der Antrag aufVollstreckbarerklärung ist zulässig und begründet. Gemäß § 1060 Abs. 2 S. 1 ZPOist der Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs unter Aufhebungdes Schiedsspruchs abzulehnen, wenn einer der in § 1059 Abs. 2 bezeichnetenAufhebungsgründe vorliegt. Nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO kann ein Schiedsspruchinsbesondere dann aufgehoben werden, wenn das Gericht feststellt, daß dieAnerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, dasder öffentlichen Ordnung („ordre public”) widerspricht. Dieser Begriff i.S.d. §1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO umfaßt in Parallele zu Art. 6 EGBGB und § 328 Abs. 1 Nr.4 ZPO alle Vorschriften des zwingenden Rechts, welche der Gesetzgeber in einer die Grundlagen des staatlichen oderwirtschaftlichen Lebens berührenden Frage, auf Grund bestimmterstaatspolitischer oder wirtschaftlicher Anschauungen, nicht nur aus bloßenZweckmäßigkeitserwägungen, gegeben hat (RGZ 169, 245; Zöller 24. Aufl., Rd-Nr. 55zu § 1059 ZPO). Eine Unvereinbarkeit des Schiedsspruchs mit der öffentlichenOrdnung besteht demnach dann, wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs in ihrem Ergebnis, im konkreten Fall, dietragenden Grundlagen des deutschen staatlichen, wirtschaftlichen oder sozialenLebens angreift (BGH 24.2.1999 IX ZB 2/98 ZIP - Zeitschrift fürWirtschaftsrecht - 1999, 483; Thomas/Putzo 26. Aufl. Rd-Nr. 16 zu § 328ZPO). Das Ergebnis des Schiedsspruchs muß zu den Grundlagen der deutschenRechtsordnung und der in ihr liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in sostarkem Widerspruch stehen, daß wir es in Deutschland schlechthin für untragbarhalten (BGH 18.9.2001 IX ZB 51/00[i]NJW 2002, 960).
Die Vorschriften des GWB, insbesondere das Wettbewerbsverbot § 1 GWBund das Verbot sonstigen wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens § 21 GWB, sindBestandteil der öffentlichen Ordnung nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO. Das GWB istals wirtschaftslenkendes Gesetz ein Ausdruck der staatlichen Entscheidung fürdie Wettbewerbsfreiheit. Die Einhaltung der Regeln des GWB ist vonfundamentaler staatlicher und gesellschaftlicher Bedeutung (vgl. auch Zöller aaO.Rd-Nr. 59 zu § 1059 ZPO). Ein Schiedsspruch, der die Vorschriften des GWBverletzt oder übergeht, ist daher aufzuheben bzw. kann nicht vollstreckbarerklärt werden.
Dieser Schiedsspruch verstößt aber nicht gegen das Kartellverbot des §1 GWB. Die Schiedsbekl. ist ein Strukturkrisenkartell i.S.d. § 6 GWB, das gem.§ 10 Abs. 1 S. 1 GWB vom Kartellverbot des § 1 GWB freigestellt worden ist. DerSchiedsspruch steht inwoweit nicht in Widerspruch zur öffentlichen Ordnung i.S.d.§ 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO.
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Gem. § 1 GWB sind Vereinbarungen zwischen miteinander in Wettbewerbstehenden Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinanderabgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oderVerfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten. Die Rechtsfolgeeines Verstoßes gegen § 1 GWB ergibt sich aus der allgemeinen Regel des § 134BGB, da § 1 GWB selbst keine zivilrechtliche Rechtsfolge enthält. Aus demWortlaut des § 134 BGB folgt die Nichtigkeit entgegenstehender Vereinbarungen.Dies gilt allerdings nur, soweit die §§ 2 ff GWB nichts anderes ergeben (Immenga/Mestmäcker3. Aufl. Rd-Nr. 320 zu § 1 GWB).
Dies ist hier der Fall. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 GWB könnenVereinbarungen und Beschlüsse der in den §§ 5 bis 8 GWB bezeichneten Art durchVerfügung der Kartellbehörde vom Verbot des § 1 GWB freigestellt werden. Nach §6 GWB können im Falle eines auf nachhaltiger Änderung der Nachfrage beruhendenAbsatzrückgangs Vereinbarungen und Beschlüsse von Unternehmen der Erzeugung,Herstellung, Bearbeitung oder Verarbeitung vom Verbot des § 1 GWB freigestelltwerden, wenn die Vereinbarung oder der Beschluß notwendig ist, um eineplanmäßige Anpassung der Kapazitäten an den Bedarf herbeizuführen, und dieRegelung unter Berücksichtigung der Wettbewerbsbedingungen in den betroffenenWirtschaftszweigen erfolgt (sog. Strukturkrisenkartell).
Die hiernach vom Kartellverbot freigestellten Vereinigungen undBeschlüsse werden gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 mit der Bestandskraft der Verfügungwirksam. Die kartellrechtliche Freistellungsverfügung nach § 10 Abs. 1 S. 1 GWBentfaltet grundsätzlich keine Rückwirkung. Bis zum Eintritt der Nichtigkeitoder Wirksamkeit der Freistellungsverfügung ist eine Kartellvereinbarungschwebend unwirksam (Immenga/Mestmäcker a.a.O. Rd-Nr. 323 zu §1 GWB).
Für durchgeführte, ursprünglich legalisierbare und später legalisierteKartelle kommt jedoch eine Rückwirkung der zivilrechtlichenLegalisierungswirkung der Freistellung abweichend von dieser Regel auf denZeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. auf den Zeitpunkt in Betracht, in dem dieTatbestandsvoraussetzungen der §§ 2 ff. GWB erstmals vorlagen (Immenga/Mestmäckera.a.O. Rd-Nr. 325 zu § 1 GWB). Anderenfalls käme es beimöglicherweise jahrelang praktizierten Kartellvereinbarungen zuAbwicklungsproblemen. Dieser Rechtsgedanke ist auch bei der Abwicklung vonfehlerhaften, aber in Vollzug gesetzten Gesellschafts- oder Arbeitsverträgenanerkannt (Palandt63. Aufl. Rd-Nr. 17 ff. zu § 705 BGB zur fehlerhaften Gesellschaft).
Auch der Schiedsbekl. ist ein vom Kartellverbot des § 1 GWBfreigestelltes Strukturkrisenkartell. Die Bildung und Durchführung des Kartellsstellt daher keinen Verstoß gegen § 1 GWB und damit auch keinen Verstoß gegendie öffentliche Ordnung i.S.d. § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO dar. Das SMWA stellte -als zuständige Landeskartellbehörde gem. § 48 Abs. 1S. 2 GWB - das schiedsbekl.Strukturkrisenkartell nach §§ 10 Abs. 1, 6 GWB vom Kartellverbot frei. DieseFreistellungsverfügung i.S.d. § 10 Abs. 1 GWB ist bis zum jetzigen Zeitpunktwirksam und legalisiert das schiedsbekl. Kartell. Als Verwaltungsakt i.S.d. §35 VwVfG entfaltet die Freistellungsverfügung eine Regelungswirkung, die bis zueiner förmlichen Aufhebung nach § 12 GWB fortdauert.
Die Verurteilung der Schiedskl. zum Abbau der Mischanlage verstößtnicht gegen § 1 GWB. Dies folgt aus der erläuterten Freistellung derSchiedsbekl. vom Kartellverbot. Anspruchsgrundlage ist die Vereinbarung mit demSchiedsbekl. vom 15.11.2000. Sie bezweckt eine Verringerung derProduktionskapazitäten im Transportbetongewerbe. Durch dieFreistellungsverfügung vom 1.11.2001 wurde diese Vereinbarung wirksam. DieVerfügung
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bezog sich ausdrücklich auf Vereinbarungen über den Abbau vonProduktionskapazitäten. Sie erfaßt undlegalisiert daher auch die Vereinbarung vom 15.11.2000.
2a) Die Verurteilung derSchiedskl. zur Zahlung der Vertragsstrafe verstößt ebenfalls nicht gegen § 1GWB. Anspruchsgrundlage ist die genannte Vereinbarung vom 15.11.2000. Siebetrifft den Verzugszeitraum vom 1.7.-8.7.2003. Zu diesem Zeitpunkt lag dieFreistellungsverfügung des SMWA vom 1.11.2001 bereits vor. DieAbbauverpflichtung und Vertragsstrafenvereinbarung sind also aus kartellrechtlicherSicht wirksam und nicht in Konflikt mit § 1 GWB.
2b) Auch die Verurteilung zurZahlung rückständiger Mitgliedsbeiträge und Umlagen verstößt nicht gegen § 1 GWB. Die Freistellungsverfügung vom1.11.2001 steht auch hier einem Verstoß gegen § 1 GWB entgegen. Unerheblichist, daß sie teilweise Zeiträume vor der Freistellungsverfügung betreffen. Zwarwirkt die Freistellung nach § 10 Abs. 2 GWB erst vom Zeitpunkt ihrerBestandskraft an. Es ist aber ausnahmsweise von einer Rückwirkung auszugehen.Die Schiedsbekl. ist ein in Vollzug gesetztes legalisierbares und später auchlegalisiertes Strukturkrisenkartell. Rechtsgeschäftliche Handlungen undWillenserklärungen im Zusammenhang mit der Bildung und Durchführung desKartells, die vor dieser Freistellungsverfügung vorgenommen wurden, sind daherals wirksam zu beurteilen. Die Grundsätze über eine fehlerhafte Gesellschaftgelten insoweit entsprechend. Anderenfalls käme man zu nicht unerheblichen undschwerwiegenden Problemen bei der Rückabwicklung von rechtsgeschäftlichenHandlungen und Willenserklärungen, die die Schiedsbekl. vor ihrer Freistellungvorgenommen hat.
2c) Der Schiedsspruch stehtauch nicht im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung i.S.d. § 1059 Abs. 2 Nr. 2bZPO wegen eines Verstoßes gegen § 21 Abs. 3 Nr. 1 GWB, wonach Unternehmen undVereinigungen von Unternehmen andere Unternehmen nicht zwingen dürfen, einerVereinbarung oder einem Beschluß i.S.d. §§ 2 bis 8, 28.Abs. 1 oder 29 GWBbeizutreten. Nach Auffassung der Schiedskl. verletzt der Schiedsspruch dieseRegelung, weil er feststellt, daß die Schiedskl. durch ihre Erklärung vom8.8.2001 erst mit Wirkung zum 10.8.2003aus dem schiedsbekl. Kartell ausgetreten ist. Die Schiedskl. verkennt jedoch,daß § 21 Abs. 3 Nr. 1 GWB nach seinem Wortlaut voraussetzt, daß ein Unternehmengerade durch ein anderes Unternehmen oder eine Vereinigung gezwungen werdensoll, einer in § 21 Abs. 3 Nr. 1 GWB genannten Vereinbarung oder einem Beschlußbeizutreten. Dies ist hier nicht der Fall. Die Wirksamkeit des Austrittsbestimmt sich nach § 39 Abs. 2 BGB. Damit liegt keine Zwangausübung durch einanderes Unternehmen oder eine Vereinigung vor.
Zwar hält die Schiedskl. die Verurteilung zum Abbau und zurVertragsstrafe für unverhältnismäßig, weil sie bereits eine andere gleichwertigeAnlage abgebaut habe. Ein Widerspruch zur öffentlichen Ordnung i.S.d. § 1059Abs. 2 Nr. 2b ZPO ist aber nur bei eklatanter Unverhältnismäßigkeit gegeben.Der Maßstab dafür wird hier von § 242 BGB und - soweit es um die Vertragsstrafegeht - § 343 BGB vorgegeben. Diese Regelungen des einfachen Rechts können ineinem Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nureingeschränkt geprüft werden.
Die Parteien eines schiedsgerichtlichen Verfahrens entziehen sichfreiwillig dem staatlichen Rechtsschutzsystem und unterwerfen sich stattdesseneinem Schiedsgericht. Das Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit stellt dabei einegleichwertige Rechtsprechungsalternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit dar.Dies wäre aber nicht der Fall, wenn die Staatsgerichte den Schiedsspruch aufdie Verletzung zwingenden einfachen Rechts schlechthin überprüfen dürften
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(Zöllera.a.O. Rd-Nr. 62 zu § 1059 ZPO). Es muß daher ein eklatanter Verstoßgegen einfaches Recht vorliegen, um die staatlichen Gerichte zum Eingreifenunter Berufung auf die öffentliche Ordnung zu bewegen. Das ist nur der Fall,wenn der Verstoß gegen das einfache Recht das Vertrauen weiter Kreise in dieallgemeine Rechtssicherheit und die Zuverlässigkeit
des Schiedsverfahrens im einzelnen Fall zu erschüttern geeignet ist (Zöller a.a.O.Rd-Nr. 62 zu § 1059 ZPO).
Die Schiedskl. hat sich unter Vertragstrafe zum Abbau einer bestimmtenAnlage autonom verpflichtet. Sie beruftsich zu Unrecht darauf, sie habe bereits eine andere Anlage (mit vergleichbarerKapazität) stillgelegt, deswegen sei der Abbau ein unverhältnismäßiges Opfer.Die Schiedskl. hat nicht vorgetragen, daß die ursprüngliche Vereinbarunginsoweit einvernehmlich abgeändert worden sei. Sie hat im Gegenteil gemeint,sie sei wegen ihres Austritts aus dem Kartell gar nicht mehr verpflichtet,irgendeine Produktionsstätte abzubauen. Die Stilllegung der anderen Anlage kannalso nach eigenem Vortrag der Schiedsklägerin gar nicht die Erfüllung der Verpflichtunggegenüber dem Schiedsbekl. gewesen sein. Dieser begehrt also die Erfüllung desursprünglichen Vertrags. Das ist genau so wenig unverhältnismäßig, wie wenn dieSchiedskl. aus eigenen wirtschaftlichen Überlegungen schon vor demKartellbeitritt eine Produktionsstätte geschlossen hätte. Das Kartell mitseinen Stilllegungsprämien soll ja gerade einen Anreiz schaffen, überbetriebsinterne Motive hinaus weitere Kapazitäten abzubauen.
Zur öffentlichen Ordnung i.S.d. § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO zählen auchdie Grundrechte, mithin also auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.Ein Schiedsspruch, der Grundrechte verletzt, kann nicht vollstreckbar erklärtwerden, sondern ist aufzuheben. Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie liegtaber selbst dann nicht vor, wenn die lt. Schiedsspruch abzubauende Anlage nichtim Eigentum der Schiedskl. steht. Die Schiedskl. ist insoweit nicht befugt,eine Verletzung von Art. 14 GG geltend zu machen. Der Schiedsspruch betrifft indiesem Fall nicht das Eigentum der Schiedskl., sondern eines drittenEigentümers.
3) In der Berufung auf dasfehlende Eigentum liegt auch der Einwand der Unmöglichkeit gem. § 275 BGB.Dieser ist unzulässig und unbegründet. Ob imVollstreckbarerklärungsverfahren auchEinwendungen zu berücksichtigen sind, die den im Schiedsspruch zuerkanntenAnspruch selbst betreffen, ist umstritten.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hält die Berücksichtigung einerAufrechnung im Verfahren gem. § 1060 ZPO für nicht möglich. Einwendungen gegenden zuerkannten Anspruch selbst seien im Wege der Vollstreckungsgegenklagegeltend zu machen (BayObLG 12.4.2000 NJW-RR 2001, 1363 = RKS A 4 a Nr. 54). DerSenat folgt dieser Auffassung nicht. Das OLG Dresden wäre auch zuständig fürdie Entscheidung über eine Vollstreckungsgegenklage; denn diese ist gem. §§802, 767 Abs. 1 ZPO beim Prozeßgericht des ersten Rechtszuges zu erheben. Dasist das Gericht des Verfahrens, in dem der Vollstreckungstitel geschaffen wurde(BGH NJW 1980. 188). Bei Schiedssprüchen wird der Vollstreckungstitel in demVerfahren gem. § 1060, 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO durch das OLG geschaffen. DerBeschluß, der den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt, bildet denVollstreckungstitel. Deshalb ist die Vollstreckungsabwehrklage in diesen Fällenebenfalls an das OLG - hier: Dresden - zu richten. Es ist prozeßökonomischer, wenn das schon mit der Sachebefaßte Gericht bereits im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung desSchiedsspruchs auch solche Einwendungen berücksichtigt, die den imSchiedsspruch zuerkannten Anspruch selbst betreffen. Das gilt aber nur fürsolche Einwendungen, die auch im Verfahren gem. § 767 ZPO zu berücksichtigenwären, da sonst die Vorschrift des § 767 ZPO
OLG Dresden 20.4.2005 RKS A 4 a Nr. 74 S. 6
umgangen werden könnte. Die Einwendungen dürfen daher insbesonderenicht analog § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sein.
Der Einwand der Unmöglichkeit ist unzulässig, weil präkludiert. Gem. §767 Abs. 2 ZPO sind Einwendungen gegen den im vollstreckbaren Titelfestgestellten Anspruch nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sieberuhen, erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungengem. ZPO spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind unddurch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Für Einwendungen, diebereits im schiedsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht wurden, gilt aber,daß sie nur dann vom Anwendungsbereich des § 767 Abs. 2 ZPO erfaßt werden, wennsich das Schiedsgericht mit der Einwendung auch in der Sache befaßt hat.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Wiederholung einesAufrechnungseinwandes im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung einesSchiedsspruchs möglich, wenn das Schiedsgericht eine Befassung mit derGegenforderung mangels Zuständigkeit abgelehnt hat oder sonst feststeht, daß essich mit ihr nicht befaßt hätte. In solchen Fällen steht nichts im Wege, denAufrechnungseinwand zu wiederholen, gleichviel ob das Schiedsgericht mit Rechtoder Unrecht die Aufrechnung nicht berücksichtigt hat (BGH NJW 1965, 1138 = HSGA 4 a Nr. 1; BGH 22.11.1962 VII ZR 55/61 BGHZ 38, 259; BGH X ZR 20/93 WM 1995,635).
So ist es hier nicht. Das Schiedsgericht hat das Eigentum an der Anlagezwar nicht geprüft, sich aber mit dem Einwand der Schiedskl., sie sei nichtEigentümerin, befaßt. Das Schiedsgericht hat die Erheblichkeit dieserVerteidigung geprüft und ist zum Ergebnis gekommen, dieses Verteidigungsmittelbringe den Anspruch der Schiedsbekl. nicht zu Fall, sei also unerheblich. Damitwar dieser Einwand bereits Gegenstand der schiedsgerichtlichen Erkenntnis undist für die Vollstreckungsabwehrklage verbraucht. Im übrigen ist es derSchiedskl. nicht unmöglich, die Abbauverpflichtung zu erfüllen. Zwar kann nach§ 275 Abs. 1 BGB eine subjektive Unmöglichkeit gegeben sein, wenn der Schuldnersich zu einer Leistung verpflichtet, zu deren Erbringung er rechtlich nichtimstande ist, weil der Gegenstand der Leistung nicht sein Eigentum ist und erauch sonst keine Möglichkeit der Einwirkung hat. Inwieweit dies der Fall ist,kann aber erst geprüft werden, wenn der Schuldner auch dazu Stellung nimmt, obund ggf. mit welchem Aufwand das Leistungshindernis zu überwinden ist (Palandt Rd-Nr.24 zu § 274 BGB). Diesen Anforderungenwird die Schiedskl. nicht gerecht. Sie trägt nichts dazu vor, ob und mitwelchem Aufwand es ihr möglich wäre, das Eigentum an der streitgegenständlichenAnlage oder eine Einwirkungsmöglichkeit zu erlangen.

[i] Die Entscheidung BGH NJW 2002, 960 betrifftkeinen Schiedsspruch, sondern die Zahlungsanordnung (ordonnance injonction depayer) eines französischen Gerichts.