Recht und Steuern

A 4a Nr.71

Nr. 71
§§ 1061 Abs.1, 1062 Abs. 2 ZPO i.V.m. Art. III UNÜ, Art. 1, 4, 5 HZPrÜbk, Vertrag zwischender BRDeutschland und der UdSSR über die Förderung und den gegenseitigen Schutzvon Kapitalanlagen vom 13.6.1989 - Investitionsschutzabkommen mit Schiedsklausel.Entschädigungsansprüche gegen einen ausländischen Staat wegen Enteignung.Prozeßstandschaft, Zustellung von Anträgen im Verfahren derVollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs gegen einen Staat
1). Ein Staat, der sich in einem Investitionsschutzabkommen einerSchiedsvereinbarung unterwirft mit der Maßgabe, daß ein Schiedsspruchvollstreckbar ist gemäß dem UN-Übereinkommen von 1958 über die Anerkennung undVollstreckung von Schiedssprüchen, unterliegt der Gerichtsbarkeit des Staates,in dem der Schiedsspruch geltend gemacht wird. Er genießt keine allgemeineVollstreckungsimmunität.
2). Im Verfahren zur Vollstreckbarkeitserklärung des Schiedsspruchs kannoffen bleiben, inwieweit die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts einerEinzelvollstreckung in einen Gegenstand, der hoheitlichen Zwecken des Staatesdient, entgegenstehen. Dies ist im Rahmen des konkretenZwangsvollstreckungsverfahrens zu prüfen.
3). Zustellungen an den ausländischen Staat als Antraggegner im Verfahrenzur Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs können durch Übergabe desAntrags an das Außenministerium des Staates bewirkt werden. Das Ministerium istgem. Art. 1 Abs. 1 S. 3 und Art. 5 des Haager Zivilprozeßübereinkommensvom 1.3.1954 verpflichtet, dem ersuchenden Staat die Zustellung einschließlichForm- und Zeitangabe zu bestätigen. Unterläßt es dies, so verstößt es gegen dasUN-Übereinkommen und gegen den auch im Völkerrecht geltenden Grundsatz von Treuund Glauben. Die Zustellung ist mit dem Zeitpunkt der Übergabe als bewirktanzusehen.
4). Auch wenn das Abkommen zwischen Staaten geschlossen wurde, läßt sichdas Anliegen, Investitionen im jeweils eigenen Staat durch Bürger des anderenzu realisieren, nur verwirklichen, wenn dem Bürger unmittelbar dieMöglichkeit eröffnet wird, seine behaupteten Ansprüche in dem Schieds- und indem anschließenden staatlichen Vollstreckungsverfahren geltend zu machen und prozeßwidriges Verhalten seines staatlichen Prozeßgegners zu rügen.
5). Nach der Abtretung der im Schiedsspruch bezeichneten Forderung istder Zedent mit einer entsprechenden Einzugsermächtigung desAbtretungsempfängers im Wege der Prozeßstandschaft berechtigt, die Klage aufVollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs zu betreiben.
Kammergericht Beschluß vom 16.2.2001 - 28 Sch 23/99; Zeitschrift fürSchiedsverfahrensrecht 2004 S. 110 = RKS A 4 a Nr. 71
Aus demSachverhalt:
Gemeinsam miteiner St.Petersburger Behörde gründete der Antragsteller 1990/91 eineAktiengesellschaft nach russischem Recht, in die neben Geld seitens derSt.Petersburger Behörde Liegenschaften eingebracht wurden. Zu Grunde lag einVertrag mit mit einer Schiedsabrede, die u.a. umfaßte „Ansprüche ausMaßnahmen der Enteignung einschließlich Verstaatlichung” durch eineVertragspartei gemäß Art. 4 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 des Vertrages, und dieweiter vorsah: „Der Schiedsspruch wird anerkannt und vollstreckt nach Maßgabedes UN-Übereinkommens , das in seinem Art. III eigens anordnet, daß jederVertragsstaat ... Schiedssprüche als wirksam anerkennt und sie nach den
Verfahrensvorschriftendes Hoheitsgebiets, in dem der Schiedsspruch geltend gemacht wird, zurVollstreckung zuläßt”. Der Präsident der Antragsgegnerin, einesNachfolgestaates der UdSSR, ordnete am 4.12.1994 durch eine Direktive dieÜbertragung der in die AG eingebrachten Liegenschaften auf das ihm zugeordnete„Beschaffungsamt” an. Im Oktober 1995 wurden die Liegenschaften vom Ag.teilweise versiegelt und im Januar 1996 beschlagnahmt. Das vom Ast. angerufeneinternationale Schiedsgericht in Stockholm erließ nach Anhörung der Parteienund Vernehmung mehrerer Zeugen am 7.7.1998 einen den Parteien zugestelltenSchiedsspruch. In den Gründen bejaht es seine Zuständigkeit wegen einerEnteignung von Kapitalanlagen nach dem beiderseits ratifizierten „Vertrag derBRDeutschland und der UdSSR über die Förderung und den gegenseitigen Schutz vonKapitalanlagen” vom 13.6.1989 und spricht dem Ast. einen Teil der in jenemSchiedsverfahren geltend gemachten Forderungen als Entschädigung zu.
Der Ast.beantragt die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs.
DasKammergericht hat die Deutsche Botschaft in Moskau im Rechtshilfeverkehrgebeten, zwei beglaubigte Abschriften der Antragsschrift vom 9.8.1999 nebstAnlagen in russischer Übersetzung zuzustellen. Die Botschaft hat schriftlichmitgeteilt, daß das Ersuchen an das russische Außenministerium mit VerbalnoteNr. 1097 vom 5.6.2000 weitergeleitet wurde. Auf ein weiteresRechtshilfeersuchen sind die Schriftsätze des Ast. vom 10. und 14.8.2000 sowieein Schreiben des Senats vom 28.8.2000 jeweils in russischer Übersetzung nacheiner Mitteilung der Deutschen Botschaft in Moskau „mit Verbalnote Nr. 2143 vom3.11.2000 an das russische Außenministerium weitergeleitet” worden. Dasvorbezeichnete Schreiben des Senats hat folgenden Wortlaut:
„In dem hieranhängigen Schiedsverfahren des S. (Antragsteller) gegen die RussischeFöderation (Antragsgegnerin) beim Administrativen Büro des Präsidentender Russischen Föderation, N.P., D.2,P.5,103132 Moskau, ist am 5.6.2000 einRechtshilfeersuchen, welches die Zustellung insbesondere der Antragsschriftbetrifft, von der Botschaft der BRDeutschland in Moskau an das RussischeAußenministerium mit Verbalnote 1097 weitergeleitet worden. Hierauf wird Bezuggenommen.
Dieanliegenden Schriftsätze des Antragstellers vom 10. und 14.8.2000 betreffendZustellungsfragen werden der Antragsgegnerin, d.h. der RussischenFöderation(R.F.), zur Kenntnisnahme übersandt, insbesondere auch von demVorbringen des Antragstellers, die Zustellung sei bereits mit der Übergabe andas Außenministerium bewirkt worden. Der Senat weist die Antragsgegnerinim Anschluß an die Ausführungen des Antragstellers ferner darauf hin, daß fürden Fall eines nicht eingehenden Zustellungsnachweises seitens der ersuchtenBehörde die Zustellung auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben als bewirktanzusehen sein könnte. Zwar ist im Allgemeinen ein gegen eineGebietskörperschaft gerichteter Antrag erst dann wirksam zugestellt, wenn er demzuständigen Organ, hier dem Präsidenten der R.F., vorliegt. In diesemSchiedsverfahren besteht aber die Besonderheit, daß die Zustellung im Auslandim Rechtshilfeverkehr zu bewirken ist und die hierbei ersuchte Behörde, dasrussische Außenministerium, selbst ein hochrangiges Organ der Ag. ist.Übersendet die ersuchte Behörde in zumutbarer Zeit entgegen ihrerVerpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 Satz 3 HZPrÜbk nicht den Zustellungsnachweisund gibt nicht den Hinderungsgrund an, so könnte aus Sicht der Ast. unbilligsein, wenn ihm daraus ein Nachteil entstehen würde. Hier dürfte zuberücksichtigen sein, daß die mit dem Rechtshilfeersuchen übermitteltenAntrags-Schriftsätze nachweisbar am 5.6.2000 im Außenministerium der R.F.eingegangen und Hindernisse für eine rasche Rücksendung desZustellungsnachweises an die Deutsche Botschaft nicht ersichtlich sind. Der Ag.wird Gelegenheit gegeben, zu den vorstehenden
Fragen und zurAntragsschrift selbst binnen eines Monats ab Tag der Übergabe dieses weiterenRechtshilfeersuchens an das Außenministerium Stellung zu nehmen.”
Die Ag. hatkeine Stellungnahme zu den Akten gegeben. Das KG hat nach Antrag erkannt.
Aus denGründen:
DasKammergericht ist nach § 1062 Abs. 2 ZPO für die Entscheidung über denVollstreckbarkeitsantrag zuständig. Ob die Zuständigkeit wegen Vermögens derAg. im hiesigen Gerichtsbezirk oder wegen der Auffangregelung besteht, kanndahingestellt bleiben.
1). Die Ag.ist nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit, §§18f. GVG. Ebenso bestehtfür sie keine generelle Vollstreckungsimmunität. Verfahrensgegenstand ist keinEingriff in hoheitliche Rechte der Ag., sondern ein Schiedsspruch auf Zahlung einer Geldforderung der Ast. Es gibt ferner kein allgemeines Verbot derZwangsvollstreckung in das Vermögen fremder Staaten (BVerfG NJW 1978, 485 ff.).Dabei kommt hinzu, daß die Partner des Vertrages - also auch die Ag. kraft derihr zukommenden staatlichen Souveränität - in Art. 10 Abs. 4, 2. Unterabs.ausdrücklich bestimmt haben „Der Schiedsspruch wird anerkannt und vollstrecktnach Maßgabe des UN-Übereinkommens, das in Art. III eigens anordnet, daß „jederVertragsstaat ... Schiedssprüche als wirksam anerkennt, ... und sie nach denVerfahrensvorschriften des Hoheitsgebietes, in dem der Schiedsspruch geltend gemachtwird, zur Vollstreckung zuläßt....” Hiermit haben die Parteien des Vertragesauf zuvor etwa angenommene Immunitätsrechte betr. dieVollstreckbarkeitserklärung eines im Geltungsbereich des Vertrages ergangenenSchiedsspruchs verzichtet. Es würde den Grundsätzen des Völkerrechts nichtentsprechen, sondern diese im Gegenteil mißachten, wenn die Ag. an dieser vonihr bewußt eingegangenen Bindung durch die innerstaatlichen Gerichte des anderen Vertragsstaates nicht festgehalten werden könnte. Denn dies würde denWert der von der Ag. eingegangenen zwischenstaatlichen Vereinbarungen vonvornherein gefährden. Der Vertrag erfaßt u.a. Ansprüche aus „Maßnahmen derEnteignung einschl. Verstaatlichung” durch eine Vertragspartei gemäß Art. 4Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 des Vertrages.
2). Offenbleiben kann, inwieweit die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts einerEinzelvollstreckung in einen Gegenstand, der hoheitlichen Zwecken der Ag.dient, entgegenstehen. Das ist im Rahmen des konkretenZwangsvollstreckungsverfahrens, nicht aber im Rahmen der hier zuentscheidenenden Frage der generellen Vollstreckbarkeit des Titels zuentscheiden.
3). Zwischenden Parteien besteht ein Verfahrensrechtsverhältnis, in dem der Ag.ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden ist. Der Antrag richtet sichgegen die R.F. als Fiskus, d.h. als Träger von eigenen Vermögensrechten.Ihr ist die Antragsschrift des Ast. nebst allen relevanten weiterenSchriftsätzen sowie das Schreiben des Senats vom 28.8.2000 in russischerSprache wirksam mit deren Übergabe an das Russische Außenministerium am 5.6.und 3.11.2000 nach §§ 199, 202 Abs. 2, 187 ZPO im Rechtshilfeverkehr nach demHaager ZPrÜbk, bei dem die Ag. Vertragsstaat ist, zugestellt worden. DieÜbergabe und die Zeit (vgl. Geimer Internationales Zivilprozeßrecht, 3. Aufl.Rd-Nr. 648c) als Voraussetzung der Zustellung sind durch die beidenZustellungszeugnisse der Botschaft der BRDeutschland in Moskau vom 7.6. und7.11.2000 bewiesen. Dem Rücklauf eines im Rechtshilfeverkehr mit Rußlandgrundsätzlich vorgesehenen Zustellungsnachweises i.S.d. Art. 5 HZPrÜbk bedurftees aus den Gründen des gerichtlichen Schreibens vom 28.8.2000, an denen derSenat nach erneuter Prüfung festhält, nicht mehr. Die etwaige Nichteinhaltungeinzelner formeller Zustellungsregeln des UN-Übereinkommens (UNÜ) bedeutetnicht per se die Unwirksamkeit des Zustellungsakts Wenzel in MünchKommZPO 2. Aufl.§ 202 Rd-Nr. 2; BGHZ 65, 291, 295; Kondring Die Heilung vonZustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr S. 231 f., 237, GeimeraaO. Rd-Nr. 2102).
Der Ag. sinddie Schriftstücke über ihr Außenministerium zugegangen; eine Notfrist wurdedurch die Zustellung nicht in Gang gesetzt (vgl. §187 Satz 2 ZPO). Der Ag. istaus dem Inhalt des Ersuchens bekannt, an welche ihrer Behörden in Moskau dieSchriftstücke gerichtet waren. Staatsvertraglich geregelt ist die Zustellung aneinen ausländischen Staat im Zeitpunkt der Übergabe des Schriftstücks an seinAußenministerium bereits in Art. 16 des Europäischen Abkommens über Staatenimmunität,bei dem die Ag. aber nicht Vertragsstaat ist. Dieses Übereinkommen zeigtjedoch, daß im internationalen Rechtsverkehr die Übergabe an dasAußenministerium wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Bewirkung der Zustellungan einen Staat sein kann. Nach der deutschen ZPO wird eine Zustellung an eineGebietskörperschaft grundsätzlich nach §§ 171, 173 ZPO als bewirkt angesehen,wenn das Schriftstück die intern zuständige Behörde erreicht, wobei die Angabeeines falschen gesetzlichen Vertreters der juristischen Person die Zustellungnicht unwirksam macht (vgl. OLG Zweibrücken OLGZ 78, 108ff., KG RPfleger1976, 222). Wie der deutsche Fiskus wird der ausländische entsprechend Art. 7,10 EGBGB nach Maßgabe des ausländischen Rechts vertreten, weshalb sich dieBewirkung der Zustellung grundsätzlich nach dem Recht des beklagten Staatesrichtet (BGHZ 40, 197, 199; Hess RIW 1989, 254, 258). Allerdings ist der imdeutschen Recht und ebenso im Völkerrecht geltende Grundsatz von Treu undGlauben auf derartige Fälle der Vertretungsbefugnis nach innerstaatlichenRegeln anwendbar (BGH aaO. S. 203), weshalb von solchen internenZuständigkeitsverteilungen im einzelnen abgewichen werden kann. Bei dervorliegenden Fallkonstellation ist der Umstand prägend, daß der Ast. über dasdeutsche Gericht den Rechtshilfeverkehr für die Zustellung an die Ag. inAnspruch nehmen muß. Nimmt sie die Schriftstücke durch ihr Außenministeriumentgegen und macht damit nicht von der Möglichkeit Gebrauch, die Zustellunggem. Art. 4 HZPrÜbk wegen Gefährdung ihrer Hoheitsrechte oder Sicherheitzurückzuweisen (vgl. Pfennig Die internationale Zustellung in Zivil- undHandelssachen S. 121), so wäre es vertragswidrig, wenn sie über die (Un-)Wirksamkeit einer Zustellung allein entscheiden würde, indem sie gegenüber demersuchenden Staat einfach nicht mehr tätig wird. Das russische Außenministeriumist gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 3 HZPrÜbk immer verpflichtet, denZustellungsnachweis zu übersenden oder den Grund anzugeben, aus dem dieZustellung nicht hat bewirkt werden können. Im erstgenannten Fall hat dasrussische Außenministerium nach Art. 5 HZPrÜbk als zuständige Behörde desersuchten Staates dem ersuchenden Staat ein Zeugnis zuzuleiten, aus demsich die Tatsache, die Form und die Zeit der Zustellung ergeben. Geschieht wievorliegend weder dies noch werden Hinweise erteilt, was einer Weiterleitungentgegenstehen könnte, obwohl das „Beschaffungsamt” eindeutig im Ersuchenbezeichnet ist, so stellt sich die Antragsgegnerin in Widerspruch zumUN-Übereinkommen und insbesondere zum Geist des Vertrages, der ausdrücklich dieDurchsetzung eines Anspruchs gegen die enteignende Vertragspartei, hier dieAg., vorsieht.Wird dann noch im Vertrag das Schiedsverfahren an Stelle einesErkenntnisverfahrens vor staatlichen Gerichten ausdrücklich vereinbart, so kannnicht eine Vertragsseite die darin selbst eingegangenen Verpflichtungen durchein - nach der genannten Vorschriftenlage - pflichtwidriges Unterlassen derMitwirkung an dem weiteren Zustellungsverfahren im Vollstreckbarkeitsverfahrenunterlaufen. Das trifft umso mehr im vorliegenden Fall zu, bei dem die nach denFeststellungen des Schiedsspruchs intern zuständige Behörde, das„Beschaffungsamt” mit Sitz in Moskau, dem Präsidenten der Ag. zugeordnet ist,und das russische Außenministerium die Schriftstücke selbst als hochrangigesOrgan der Ag. ebenfalls mit Sitz in Moskau im Rahmen des Rechtshilfeverkehrsentgegengenommen hat. Daß das „Beschaffungsamt” der Ag. in der Lage ist,innerhalb weniger Wochen auf (gerichtliche) Anträge der Gegenseite zureagieren, belegen die Feststellungen des Schiedsspruchs. Danach forderte derAst. das ”Beschaffungsamt” im Oktober 1995 auf, einen Schiedsrichter zubestellen; am 15.1.1996 reichte er den Antrag auf Durchführung des Schiedsverfahrensin Stockholm ein. Das „Beschaffungsamt” lehnte in einem Brief vom20.3.1996 gegenüber dem Vorsitzenden des Schiedsgerichtsinstituts in Stockholmsämtliche Ansprüche ab.
4). DerBerücksichtigung des treuwidrigen Verhaltens der Ag. in einem Zivilverfahrenwie dem vorliegenden steht auch nicht entgegen, daß der Vertrag unmittelbarzwischen Staaten, also nicht zwischen den Parteien dieses Verfahrensgeschlossen worden ist. Bei einer an dem gemeinsamen Vertragsziel dervertragschließenden Staaten orientierten Auslegung, wie sie auch nach denRegeln des Völkerrechts geboten ist, wäre es verfehlt, anzunehmen, daß Verstößegegen den Inhalt oder den Geist des Vertrages nur von der jeweils anderen(staatlichen) Vertragspartei nach den Regeln des Völkerrechts sanktioniertwerden könnten; dabei kann offen bleiben, ob das Völkerrecht ein entsprechendeseffektives Sanktionssystem überhaupt kennt. Verwirklichen läßt sich dasVertragsanliegen, Investitionen im jeweils eigenen Staat durch Bürger desanderen zu realisieren, nur, wenn dem Bürger unmittelbar die Möglichkeiteröffnet wird, seine tatsächlichen oder vermeintlichen Ansprüche auch in demihm allgemein eröffneten Verfahren durchzusetzen. Dies wiederum hat zur Folge,daß er auch prozeßwidriges Verhalten - wie hier die unterlassene weitereMitwirkung im Zustellungsverfahren - seines staatlichen Prozeßgegnersunmittelbar rügen kann.
Nach alledemfolgt aus dem Umstand, daß auch über sieben Monate nach der ersten Übergabe undüber drei Monate nach der zweiten weder eine Reaktion des russischenAußenministeriums noch des „Beschaffungsamtes” vorliegt, daß die für die Ag.handelnden Organe nicht gewillt sind, entgegen ihrer selbst eingegangenenVerpflichtung am zwischenstaatlich vereinbarten Zustellungsverfahrenweiter mitzuwirken. Einer öffentlichen Zustellung der Schriftstücke inDeutschland nach § 203 Abs. 2 ZPO als Ersatzzustellung bedarf es nicht mehr,weil die Zustellung nach den §§ 199, 202 ZPO wie aufgezeigt nichtunausführbar i.S.dieser Vorschriften gewesen ist. Die Zustellung ist mit demZeitpunkt der Übergabe an die Ag. als bewirkt anzusehen.
Der Antrag aufVollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist auch begründet.
5). Der Ast.ist trotz der Abtretung der im Schiedsspruch bezeichneten Forderung weiterhinals Verfahrensstandschafter aktivlegitimiert zur Durchführung diesesVerfahrens. Auf Grund der vertraglichen Regelungen mit dem Abtretungsempfänger,der ihm u.a. eine Einzugsermächtigung erteilt hat, besitzt er unverändert einerhebliches eigenes wirtschaftliches Interesse, daß die Vollstreckung aus demSchiedsspruch betrieben wird, wofür das hiesige Verfahren Voraussetzung ist. Obder Auffassung des BGH (NJW 1993, 1396; 1992, 61 und 1985, 809f.) zu folgenist, daß das Gesetz eine Vollstreckungsstandschaft, also die Vollstreckungeines ursprünglich eigenen, titulierten, dann aber abgetretenen Anspruchs,nicht zuläßt, kann dahingestellt bleiben, obgleich der entscheidende rechtlicheUnterschied zu dem auch nach der Rechtsprechung des BGH zulässigen Fall, daßein Nichtinhaber einer Forderung in Prozeßstandschaft einen Titel auf Zahlungan sich erwirken und sodann die Zwangsvollstreckung der weiterhin fremdenForderung im eigenen Namen betreiben darf, nicht erkennbar ist (ebenso OLGDresden NJW-RR 1996, 444f. m.w.N.). Der Schiedsspruch ist anders als einUrteil kein Vollstreckungstitel. Hierfür dient vielmehr das vorliegendeVerfahren, mit dem zugleich die volle Rechtswirksamkeit des Schiedsspruches fürden Geltungsbereich der ZPO festgestellt werden soll. Demgemäß sind für dieZulassung einer Verfahrensstandschaft auf Gläubigerseite vorrangig dieRegelungen des Erkenntnis- und nicht des Vollstreckungsverfahrensheranzuziehen. Im UN-Übereinkommen oder im Vertrag sind keine entgegenstehendenVereinbarungen getroffen worden.
Die formellenund materiellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung nach dem UNÜsind erfüllt.
Ob die Ag. beiihrem Beitritt zu dem UNÜ einen Vorbehalt nach Art. 1 Abs. 3 erklärt hat,kann dahingestellt bleiben, weil der Ort des Schiedsverfahrens in Schweden lag,das dem UNÜ ebenfalls beigetreten ist, und die Ag. die Zuständigkeit jenesSchiedsgerichts ohnehin mit dem Vertrag anerkannt hat
Der Ast. hateine beglaubigte Abschrift und eine beglaubigte Übersetzung desSchiedsspruchs vorgelegt, Art. IV Abs. 1 a,Abs. 2 UNÜ. DerVorlage einer (beglaubigten) Schiedsabrede gemäß Art. IV Abs. 1 b des Vertragesbedarf es nicht, weil die Schiedsvereinbarung als Vertrag zu Gunsten Dritter inArt. 10 Abs. 2 des zwischenstaatlichen Vertrages getroffen wurde, derentsprechend der innerstaatlichen Regeln veröffentlicht wurde.
Gründe, dieder Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs entgegenstehen, sind nichterkennbar (wird ausgeführt).