RECHT UND STEUERN

A 4a Nr. 146

A 4 a Nr. 146 §§ 328, 1061 Abs. 1 S. 1 + 2 ZPO, Art. V Abs. 1 a – e, Art. VII Abs. 1 UNÜ, Art. IX Abs. 1 und 2 EuÜ – Vollstreckbarerklärung eines im Ursprungsstaat Ukraine aufgehobenen Schiedsspruchs
1. Nach § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem UNÜ. Die diesbezüglichen  Vorschriften in anderen Staatsverträgen bleiben unberührt. Art. V Abs. 1 a – d, Abs. 2 a + b UNÜ regeln die Gründe für eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckung. Art. V Abs. 1 e UNÜ enthält u.a. als zusätzlichen Versagungsgrund, dass der Schiedsspruch von einer zuständigen Behörde des Ursprungsstaates aufgehoben worden ist. Nach Art. VII Abs. 1 UNÜ lassen die Bestimmungen des UNÜ die Gültigkeit mehr- oder zweiseitiger Verträge, die Vertragsstaaten über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen geschlossen haben, unberührt.  Eine im Sinne von § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO sowie Art. VII Abs. 1 UNÜ vorrangige Regelung stellt insoweit das EuÜ über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 dar. Deutschland und Ukraine sind Vertragsstaaten beider Übereinkommen.
2. Art.  IX EuÜ schränkt Art. V Abs. 1 e UNÜ dahin ein, dass eine Aufhebung durch die Gerichte des Ursprungsstaats nur dann für eine Versagung ausreicht, wenn die Aufhebung durch das staatliche Gericht auf einen der in Art. IX Abs. 1 a – d angeführten Gründe gestützt ist (Art. IX Abs. 2 EuÜ). Hierzu gehört u.a. die fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts (Art. IX Abs. 1 d EuÜ), nicht aber ein Verstoß gegen den nationalen ordre public.        
3. Hat die Vorinstanz die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs abgelehnt, weil das Gericht des Ursprungsstaats ihn nicht nur wegen eines Verstoßes gegen den nationalen ordre public, sondern auch wegen fehlender Zuständigkeit des Schiedsgerichts aufgehoben hat, so ist die Rechtsbeschwerde mit der Rüge, die Vorinstanz hätte inzidenter prüfen müssen, ob das aufhebende Urteil mangels Verbürgung der Gegenseitigkeit nach § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht anerkannt werden kann, nicht ausreichend begründet.
4. Zwar ist umstritten, ob die Regelung über die Prüfung und Anerkennung ausländischer Urteile in § 328 Abs. 1 ZPO auf schiedsspruchaufhebende Entscheidungen ausländischer Gerichte anwendbar ist, insbesondere das deutsche Gericht die Anerkennung mangels Verbürgung  der Gegenseitigkeit versagen kann  (Abs. 1 Nr. 5).
5. Art. V Abs. 1e UNÜ gibt aber dem deutschen Gericht die Beachtung der ausländischen Entscheidung auf, auch wenn es bei einer eigenen Prüfung im Rahmen des Art. V Abs. 1 a – d UNÜ keinen Verstoß feststellen könnte.
6. Wenn man die Anwendung von Art. V UNÜ von der Verbürgung der Gegenseitigkeit abhängig machen würde, wäre dies in Widerspruch zu der Entscheidung des Gesetzgebers in § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO (Rücknahme des Vertragsstaatenvorbehalts BGBl. 1999 II 7).
BGH Beschl.v. 23.4.2013 – III ZB 59/12 SchiedsVZ 2013, 229 = RKS A 4 a Nr. 146
Aus den Gründen:
1. Nach § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem UNÜ. Die Vorschriften in anderen diesbezüglichen Staatsverträgen bleiben unberührt (§ 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO). Art. V Abs. 1 a – d, Abs. 2 a + b UNÜ regeln – in gleicher Weise wie § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a – d, Nr. 2 a + b ZPO für inländische Schiedssprüche – die Gründe für eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs. Art. V Abs. 1 e UNÜ enthält u.a. als zusätzlichen Versagungsgrund, dass der Schiedsspruch von einer zuständigen Behörde des Landes, in dem oder nach dessen Recht er ergangen ist, aufgehoben worden ist. Nach Art. VII Abs. 1 UNÜ lassen die Bestimmungen des Übereinkommens die Gültigkeit mehr- und zweiseitiger Verträge, welche die Vertragsstaaten über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen geschlossen haben, unberührt. Eine im Sinne von § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO sowie Art. VII  Abs. 1 UNÜ vorrangige Regelung stellt insoweit das Europäische Übereinkommen über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1061 (EuÜ) dar. Deutschland und die Ukraine sind jeweils Vertragsstaaten sowohl des UNÜ wie des EuÜ. 
2. Art. IX EuÜ schränkt Art. V Abs. 1 e UNÜ dahingehend ein, dass die Aufhebung durch die Gerichte des Staates , in dem oder nach dessen Recht der Schiedsspruch ergangen ist, nicht generell, sondern nur dann für eine Versagung ausreicht, wenn die Aufhebung durch das staatliche Gericht auf einen der in Art. IX Abs. 1 a – d EuÜ angeführten Gründe gestützt worden ist (Art. IX Abs. 2 EuÜ). Hierzu gehört u.a. die fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts (Art. IX Abs. 1 d EuÜ), nicht aber ein Verstoß gegen den nationalen ordre public.
3. Das OLG ist davon ausgegangen, der streitgegenständliche Schiedsspruch sei in der Ukraine nicht nur wegen eines Verstoßes gegen den nationalen ordre public, sondern auch wegen fehlender Zuständigkeit des Schiedsgerichts aufgehoben worden. Die hiergegen gerichteten Rügen der Antragstellerin sind ungeeignet, die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zu begründen (§ 574 Abs. 2 ZPO). Der für den Fall der Anwendbarkeit des Art. IX Abs. 1 d EuÜ von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Frage, ob das OLG inzidenter hätte prüfen müssen, inwieweit das den Schiedsspruch aufhebende Urteil mangels Verbürgung der Gegenseitigkeit nach § 328 Abs. 1   Nr. 5 ZPO nicht anerkannt werden kann, kommt keine grundsätzliche Bedeutung (zu dieser BGH Beschl.v.8.2.2010 – II ZR 156/09 NJW- RR 2010, 978 Rn3 mwN.). zu. Im Übrigen stellt sich diese Frage im Verhältnis der Vertragsstaaten des UNÜ/EuÜ in dieser Form auch nicht.
4. Zwar ist umstritten, ob die Regelung über die Anerkennung ausländischer Urteile in § 328 Abs. 1 ZPO auf Entscheidungen ausländischer Gerichte, durch die ein Schiedsspruch aufgehoben worden ist, Anwendung findet, d.h. ob das über die Anerkennung des Schiedsspruchs befindende Gericht inzidenter zu prüfen hat, ob dem aufhebenden Urteil in einem Verfahren nach § 328 ZPO die Anerkennung zu versagen wäre.
Überwiegend wird das verneint (vgl. nur OLG Rostock BB 2000, Beilage 8, S. 20, 23 = RKS A 4 a Nr. 45; Musielak/Voit ZPO 9. Aufl., § 1061 Rd-Nr. 18, MünchKomm/Münch 3. Aufl. § 1061 Rd-Nr. 12; Schwab/Walter  Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 30 Rd-Nr. 14). Auch in den sogenannten Denkschriften zum UNÜ (BT-Drucks. III/2160 S.26, 27 zu Art. V) und zum EuÜ (BT-Drucks. IV/1597. S. 36f. zu Art. IX) wird das Verfahren nach § 328 ZPO nicht erwähnt, vielmehr davon ausgegangen, es sei „an sich selbstverständlich, dass die Aufhebung des Schiedsspruchs der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung entgegenstehen muss“ (aaO. S. 27) bzw. „das Gericht des Vollstreckungsstaates hat sich bei der Prüfung, ob das Aufhebungsurteil anzuerkennen sei, darauf zu beschränken, ob das Aufhebungsurteil auf einem der genannten vier Gründe beruht“, wobei es „keinesfalls nachprüfen darf, ob das Gericht des Urteilsstaates das Gesetz und das Übereinkommen richtig angewendet hat“ (aaO. S. 36 f.).
Von den Autoren, die eine Anwendung des § 328 ZPO im Grundsatz bejahen, wird hiervon zumeist § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ausgenommen, um Spannungen und Divergenzen mit dem Schiedsverfahrensstatut zu vermeiden (vgl. etwa Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 328 Rd-Nr. 267, § 1061 Rd-Nr. 25, derselbe in Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. Rd-Nr. 3944; Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22.Aufl. Anh.zu § 1061 Rd-Nr. 131 a, der nur § 328 Abs. 1 Nr. Nr. 2, 4 ZPO anwenden will).     
5. Lediglich vereinzelt (vgl. etwa Schütze, Das internationale Zivilprozesssrecht in der ZPO, 2.Aufl. § 1061 Rd-Nr.120) wird die Meinung vertreten, auch § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO gelte. Zur Begründung wird angeführt, der Schuldner des Schiedsspruchs erfahre keinen Nachteil, wenn die Aufhebungsentscheidung mangels Verbürgung der Gegenseitigkeit nicht anerkannt werden könne, da er die Gründe, die er im Ausland gegen den Schiedsspruch geltend gemacht habe, genauso im inländischen Vollstreckungsverfahren wieder vorbringen könne. Hierbei wird jedoch übersehen, dass es nicht um den Schutz des Schuldners, sondern um die in den internationalen Übereinkommen/Verträgen geregelte Frage der Anerkennung von Schiedssprüchen und deren Aufhebung im Ausland geht. Zwar sind die in Art. IX Abs. 1 a – d EuÜ angeführten Gründe im Kern mit denen des Art. V Abs. 1 a – d UNÜ identisch, also vom deutschen Gericht unabhängig von einer Aufhebung des Schiedsspruchs im Ausland (Art. V Abs. 1 e UNÜ) zu prüfen. Durch Art. V Abs. 1 e UNÜ, Art. IX EuÜ wird aber dem deutschen Gericht die Beachtung der ausländischen Entscheidung aufgegeben, auch wenn es bei einer eigenen Prüfung im Rahmen des Art. V Abs. 1 a – d UNÜ keinen Verstoß feststellen könnte. Art. V Abs. 1 e UNÜ, Art. IX EuÜ enthalten insoweit einen eigenständigen, über Art. V Abs. 1 a – d UNÜ hinausgehenden Versagungsgrund.
6. Würde man die Anwendbarkeit von Art. V Abs. 1 e UNÜ von der Verbürgung der Gegenseitigkeit abhängig machen, stünde dies auch im Widerspruch zu der Entscheidung des Gesetzgebers in § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO, wonach sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche künftig generell – und nicht nur gegenüber Vertragsstaaten  des UNÜ – nach dem UNÜ richtet (vgl. BT-Drucks. 13/5274 S. 61 f.); die Bundesregierung hat dementsprechend den zunächst (BGBl. 1962 II 102) erklärten Vertragsstaatenvorbehalt zum UNÜ zurückgenommen (BGBl. 1999 II 7).
Die Frage der Anwendbarkeit des § 328 Abs. 1 Nr. 5 ist deshalb nicht im obigen Sinn klärungsbedürftig. Selbst wenn man die Verbürgung der Gegenseitigkeit für notwendig hielte, käme es nicht darauf an, ob generell im Verhältnis zur Ukraine die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen verbürgt ist (zu letzterem Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. E 1 Rd-Nr. 247; Solotych in Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr, Loseblattsammlung, O 115 210f; s.auch den Hinweis bei Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl., Anh. V S. 3307 auf die Reformgesetze in der Ukraine im Jahr 2010). Vielmehr würde es für die Frage der Anerkennung und Vollstreckung des hier streitgegenständlichen ukrainischen Schiedsspruchs ausreichen, wenn die Gegenseitigkeit im Hinblick auf einen Schiedsspruch aufhebende gerichtliche Entscheidungen gewährleistet ist. Sowohl Deutschland als auch die Ukraine sind aber Vertragsstaaten des UNÜ und des EuÜ und haben sich insoweit den Regelungen in Art. V UNÜ, Art. IX EuÜ unterworfen. Damit ist die Gegenseitigkeit rechtlich abgesichert. Dass sich in der Gerichtspraxis die Ukraine an das UNÜ/EuÜ nicht halten werde, ist weder mit der Rechtsbeschwerde vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
Vorinstanz: OLG München 30.7.2012 – 34 Sch 18/10 = RKS A 4 a Nr. 142
16.8.2013