Recht und Steuern

A 4a Nr. 145

A 4 a Nr. 145 Art. 5 Abs. 1, 2 UNÜ i.V.m. § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO; Art. 5 Abs. 1 und 2 des Europäischen Übereinkommens über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961; Art. 1477 Code de Procédure Civil (französisches Zivilprozessgesetz) a.F.: Zustellungserfordernis für französischen Schiedsspruch? Schiedsvereinbarung mit Frist für den Erlass des Schiedsspruchs durch das Schiedsgericht, unterlassene Rüge der Fristüberschreitung)
1. Gemäß § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ). Bei der Prüfung der Voraussetzungen der Art. 3 ff.UNÜ  ist das staatliche Gericht weder an die rechtliche Beurteilung noch an die tatsächlichen Feststellungen des Schiedsgerichts gebunden.
2. Haben die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung geregelt, dass der Schiedsspruch innerhalb einer bestimmten Frist nach Unterzeichnung der Vereinbarung ergehen muss,  führt die Überschreitung der Frist nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung. Auf die Überschreitung kann sich eine Partei nicht berufen, wenn sie nach Ablauf der Frist verhandelt hat, ohne die Überschreitung zu rügen.
3. Nach Art. 1477 Code de Procédure Civil a.F. bedurfte es nicht der Zustellung des Schiedsspruchs; Voraussetzung für die Vollstreckung war allein die Exequatur-Entscheidung des Landgerichts, in  dessen Zuständigkeit das Urteil ergangen ist. Ist der Schiedsspruch durch ein französisches Gericht für vollstreckbar erklärt worden und sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtsstaatlichen Anforderungen an das Verfahren der Vollstreckbarkeitserklärung in Frankreich geringer sind als in  der Bundesrepublik Deutschland, liegt ein Verstoß gegen den deutschen ordre public nicht vor.
4. Der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung steht nicht entgegen, dass gegen den ausländischen Schiedspruchs im Ursprungsland ein Rechtsmittel (hier: recours en annulation gegen einen französischen Schiedsspruch) gegeben ist, wenn der Antragsgegner von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat. 
OLG Koblenz Beschl.v. 27.11.2012  - 2 Sch 2/12 WM 2013, 1327 = RKS A 4 a Nr. 145
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin erwarb von der Antragsgegnerin deren französische Tochtergesellschaft im Wege der Abtretung von 13.200 Aktien (Gesamtkapital der Gesellschaft). Im Rahmen der Vertragsbeziehungen  trafen die Parteien am 25.8.2008 eine "schiedsgerichtliche Verfahrensordnung"  u.a. des Inhalts, dass die im Antrag der Antragstellerin genannten Schiedsrichter über den nach Abschluss des Abtretungsvertrages entstandenen Streit durch einen Schiedsspruch entscheiden sollten. Gegenstand des Schiedsverfahrens waren  zum einen die vertragskonforme Bestimmung des Abtretungspreises und die Rückzahlung der von der ASt. reklamierten Differenz zur tatsächlich bezahlten Summe. Zum anderen stritten die Parteien über die Anwendbarkeit und die Erfüllung eines Garantieversprechens, das die Bezahlung der von der "C" SA noch geschuldeten gewerblichen Mieten absichern sollte. Als Ort des Schiedsgerichts wurde Straßburg vereinbart. Das Schiedsgericht in Straßburg hat am 28.3.2010 nachfolgenden Schiedsspruch erlassen:
"Die Antragsgegnerin ist verurteilt worden, an die Antragstellerin einen Betrag von 79.653 Euro für die Überzahlung des Verkaufspreises und einen Betrag von 72.780 Euro für die Mietzinsgarantie vom 1.1.2004 bis 31..2005 zu zahlen."
Der Schiedsspruch ist am 21.9.2010 durch den Cour d`Appel Colmar in Frankreich für vollstreckbar erklärt worden.   
Aus den Gründen:
Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Koblenz ergibt sich aus § 14 LVO über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 22.11.1985 i.V.m. dem Verweisungsbeschluss des 1. Zivilsenats des OLG Zweibrücken vom 11.6.2012. ….
1. Versagungsgründe nach Art. 5 Abs.  1, 2 UNÜ i.V.m. § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO stehen der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs nicht entgegen (wird ausgeführt).
2. Die Parteien haben in Ziffer 7.1 ihrer „schiedsgerichtlichen Verfahrensordnung“  vom 25.8.2008 geregelt, dass der Schiedsspruch innerhalb von 10 Monaten nach Unterzeichnung der Vereinbarung zu ergehen hat. Das Schiedsgericht in Straßburg hat am 28.3.2010 den Schiedsspruch erlassen, d.h. nach Ablauf von ca. 19 Monaten nach Unterzeichnung der  Vereinbarung vom 25.8.2008. Darin könnte eine Überschreitung der Grenzen der Schiedsabrede oder der Schiedsklausel im Sinne von Art. 5 Abs. 1 c UNÜ gesehen werden. Allerdings gründet vorliegend das Schiedsverfahren auf einer Schiedsklausel, Gründe, die der Fortführung  des Schiedsverfahrens entgegenstanden, waren nicht ersichtlich. Der Ablauf der Zehnmonatsfrist nach Ziffer 7.1 der „schiedsgerichtlichen Verfahrensordnung“ führt nicht zur Aberkennung der Wirkung der Schiedsklausel (vgl. auch Cour de Cassation, Chambre Civil 2, 18.2.1999 Nr. 97-12770).
Nach Seite 4 des Schiedsspruchs hat die Antragsgegnerin  am 10.9.2009, d.h. nach Ablauf der Zehnmonatsfrist am 25.6.2009, zusammenfassende Anträge eingereicht und damit rügelos verhandelt, so dass der Antragsgegnerin gemäß Art. 5 Abs. 1 und 2 des Europäischen Übereinkommens über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl. 1964 II S. 426, BGBl. 1965 II S. 107; vgl. Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. 2000 S. 596 ff.; BGH Beschl. v. 16.12.2010 = WM 2011, 523 = ZIP 2011, 302 = NJW 2011, 1290 = RKS A 4 a Nr. 129) verwehrt ist, sich auf die Fristüberschreitung zu berufen.
3. Die Antragsgegnerin rügt zu Unrecht die fehlende Zustellung des Schiedsspruchs.  Gemäß Ziffer 7.4 der „schiedsgerichtlichen Verfahrensordnung“ ist der Schiedsspruch per Einschreiben gegen Rückschein den Parteien zu übersenden und wird vom Vorsitzenden des Schiedsgerichts bei der Gerichtsgeschäftsstelle des Landgerichts zwecks Vollstreckbarkeitserklärung des Schiedsspruchs hinterlegt. Den Bevollmächtigten der Antragsgegnerin ist der Schiedsspruch durch den Vorsitzenden des Schiedsgerichts am 31.3.2010 gegen Empfangsbekenntnis übersandt worden; diese haben den Empfang am 1.4.2010 unterschriftlich bestätigt.
Die AGg. rügt ohne Erfolg, dass die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs gegen den ordre public der Bundesrepublik Deutschland verstoßen würde. Sie meint, die fehlende Zustellung des Schiedsspruchs durch einen Gerichtsvollzieher verstoße gegen den Grundsatz „Titel, Klausel, Zustellung“.
Die ASt. verweist darauf, dass nach französischem Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung des Schiedsspruchs dieser nicht förmlich durch einen französischen Gerichtsvollzieher  zuzustellen  war. Nach Art. 1477 des Code de Procédure Civil a.F. war Voraussetzung für die Vollstreckung allein die Exequatur-Entscheidung des Landgerichts, in dessen Zuständigkeit das Urteil ergangen ist. Da die Zustellung des Schiedsspruchs an die Parteien erfolgt ist, da dieser durch das Berufungsgericht Colmar mit Beschluss vom 21.9.2010 für vollstreckbar erklärt worden ist, und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind,  dass die Verfahrensweise in Frankreich  hinsichtlich der Vollstreckbarkeitserklärung rechtsstaatlich geringere Anforderungen beinhaltet, ist ein Verstoß gegen den ordre public in Deutschland nicht erkennbar.
4. Soweit die AGg vorträgt, dass nach der französischen Zivilprozessordnung nach Art. 1491 ff. Code de Procédure  Civile (CPC) die Möglichkeit eröffnet sei, einen Anfechtungsrechtsbehelf  (recours en annulation) zum Berufungsgericht zu erheben, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat.
25.7.2013