Recht und Steuern

A 4a Nr. 135

 A 4 a Nr. 135 § 138 BGB, § 767 Abs. 2, § 1061 ZPO i.V.m Art. V Abs. 1 a, 2 b UNÜ – Einwendungen gegen ausländischen Schiedsspruch im Vollstreckbarerklärungsverfahren: Enger Begriff des ordre  public und Verbot der révison au fond setzen strenge Grenzen. Deutsche Rechtsprechung betr. Nichtigkeit von Kaufvertrag und Schiedsvereinbarung bei besonders grobem Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung: Bestandteil des deutschen ordre public?
1.Nach neuerer BGH-Rechtsprechung muss das Fehlen einer wirksamen Schiedsver-einbarung zwecks Vermeidung einer Präklusion nicht unbedingt schon im ausländi-schen Schiedsverfahren gerügt werden. Nach Inkrafttreten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes steht dem Einwand, das ausländische Schiedsgericht sei mangels wirksamer Schiedsvereinbarung nicht zuständig gewesen, nicht entgegen, dass der Schiedsbeklagte/Antragsgegner versäumt hat, dies im Schiedsverfahren  zu rügen oder gegen den Schiedsspruch im Ausland ein befristetes Rechtsmittel einzulegen. Auch ein substantiiert dargelegter Verstoß gegen den deutschen ordre public ist ein beachtlicher Einwand.Die Tatsachengrundlage dieser Einwände muß aber analog § 767 Abs. 2 ZPO erst nach dem Erlass des ausländischen Schiedsspruchs entstanden und darf  dem Antragsgegner nicht bereits im Schiedsverfahren bekannt gewesen sein. Die ordre-public-Prüfung dient nicht dazu, eine nachlässige oder unzweckmäßige Rechtswahrnehmung im Ausland zu korrigieren.
2.Ob ein für vollstreckbar zu erklärender ausländischer Schiedsspruch gegen den inländischen ordre public verstößt, bestimmt sich maßgeblich nach dem für ausländi-sche Schiedssprüche – ebenso wie für Entscheidungen ausländischer staatlicher Gerichte – geltenden Verbot der révision au fond.  
OLG Saarbrücken Urt.v.30.5.2011 - 4 Sch 03/10 SchiedsVZ 2012, 47 = RKS A 4 a Nr. 135
Aus dem Sachverhalt:
Der Antragsteller verkaufte dem Antragsgegner am 2.3.2008 einen am 3.5.1998 geborenen  Hengst für 1,3 Mio €. Im Kaufvertrag war unter „Beschaffenheitsvereinbarung“ vereinbart: „Einsatzzweck: Zucht- und/oder Dressurpferd  … Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass der Hengst nach mündlicher Absprache im Dressursport auf  ‚internationalem Niveau‘ zum Einsatz kommen soll“.
Mit der Behauptung, lt. zwischenzeitlich durchgeführter weiterer Untersuchungen hätten bei dem Hengst schon z.Zt. der Übergabe eine Lahmheit am rechten Vorderbein und Veränderungen im Rückenbereich  vorgelegen, die den beabsichtigten Einsatz im internationalen Dressursport unmöglich machten, außerdem sei der Hengst für die Zucht ungeeignet gewesen, weil sein Samen in tiefgefrorenem Zustand nicht die Mindestanforderungen des WBFSH erfülle, beantragte der Antragsgegner am 19.8.2009 die Durchführung eines ICC-Schiedsverfahrens. Er begehrt gem. Art. 49, 74 ff., 81 CISG  Ver-tragsaufhebung, Rückerstattung  der gezahlten 884 000 € Kaufpreis und Schadensersatz wegen Vertragsverletzung.
Der Antragsteller ist dem entgegengetreten und hat Feststellung beantragt, dass der Antragsgegner ihm den Restkaufpreis schuldet  nebst Zinsen und Kosten.
 
Das Schiedsgericht hat über die behaupteten Mängel Beweis erhoben. Dabei kamen lt. Schiedsspruch auch die Rückenprobleme zur Sprache. Nach Auffassung des Antragsgegners reichten diese aber für einen Vertragsrücktritt nicht aus.

Mit Schiedsspruch vom 7.10.2010 hat das Schiedsgericht die Anträge des Antragsgegners abgelehnt und diesen angewiesen, an den Antragsteller restliche 416 000 € nebst Zinsen und Kosten zu zahlen.

Aus den Gründen:

Zu 1.Der Antragsgegner rügt einen Verstoß gegen den inländischen ordre public: Es habe ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen Kaufpreis (1,1 Mio €) und Verkehrswert des Hengstes (allenfalls 100.000 €) bestanden, deswegen seien der Vertrag und die Schiedsvereinbarung gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig.

Die Einwendungen sind im Prinzip beachtlich: Die Überprüfung eines ausländischen Schiedsspruchs erstreckt sich gem. § Art. V Abs. 2 b UNÜ auf Verstöße gegen den inländischen ordre public. Auch das Fehlen oder die Unwirksamkeit einer Schiedsgerichtsvereinbarung ist ein im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nach § 1061 BGB i.V.m. Art. V Abs. 1 a UNÜ zu berücksichtigendes Hindernis für die Vollstreckbarerklärung.

Der Einwand, eine wirksame Schiedsvereinbarung liege nicht vor, ist dem AGg. nicht schon deshalb verwehrt, weil er die behauptete Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung im ausländischen Schiedsgerichtsverfahren nicht beanstandet hat. Das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung muss nach neuerer BGH-Rechtsprechung (Beschl.v. 16.12.2010 – III ZB 100/09 NJW 2011, 1290 = RKS A 4 a Nr. 129) zur Vermeidung einer Präklusion nicht schon im ausländischen Schiedsverfahren gerügt werden. Nach Inkrafttreten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes  vom 22.12.1997 (BGBl. I 3224), durch das u.a. § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a.F. aufgehoben worden ist, steht dem  Einwand, das ausländische Schiedsgericht sei mangels wirksamer Schiedsvereinbarung unzuständig gewesen, nicht entgegen, dass der Schiedsbeklagte es versäumt hat, dies im Schiedsverfahren zu rügen oder gegen den Schiedsspruch im Ausland ein befristetes Rechtsmittel einzulegen (BGH aaO. RKS A 4 a Nr. 129). Auch ein  substantiiert dargelegter Verstoß gegen den deutschen ordre public wäre ein beachtlicher Einwand (Zöller/Geimer ZPO 27. Aufl. Rn. 30, 31 zu § 1061).

Der Streitfall weist jedoch die Besonderheit auf, dass der AGg. den Verstoß gegen den ordre public und die geltend gemachte Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung auf eine materiell-rechtliche Einwendung stützt, deren Tatsachengrundlage ihm im Schiedsverfahren bereits bekannt war und die nicht erst nach dem Erlass des ausländischen Schiedsspruchs entstanden ist. Der AGg. wußte um die behaupteten Mängel des Hengstes, mit denen er nun die enorme Wertdiskrepanz begründet, die zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB führen und die zugleich das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung zur Folge haben soll.

Nach ständiger BGH-Rechtsprechung (3.7.1997 NJW-RR 1997, 1289 = RKS A 4 a Nr. 40; 12.7.1990 NJW 1990, 3210, 3211= RKS A 4 a Nr. 30; BGHZ 34, 274, 277 ff.) sind im Vollstreckbarerklärungsverfahren neben gesetzlichen Aufhebungsgründen zwar auch sach-lich-rechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch festgestellten Anspruch zulässig. Allerdings müssen in entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO die Gründe , auf denen die Einwendung beruht, grundsätzlich nach dem Schiedsverfahren entstanden sein (BGH Beschl.v. 30.9.2010 III ZB 57/10 = RKS A 4 a Nr. 128 und  zitiert bei juris).

Hiervon ausgehend ist der AGg. mit dem vor Erlass des Schiedsspruchs entstandenen materiell-rechtlichen Einwand eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts, dessen tatsächliche Grundlagen ihm im Schiedsgerichtsverfahren bekannt waren, in entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen und deshalb daran gehindert, im Verfahren nach § 1061 ZPO i.V.m. dem UNÜ den (angeblichen) Verstoß gegen den ordre public und das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung auf die bereits vor Erlass des Schiedsspruchs entstandene materiell-rechtliche Einwendung zu stützen, die er  wegen vorhandener Tatsachenkenntnis schon in dem Schiedsgerichtsverfahren hätte erheben können. Die „Ordre-public-Prüfung“ dient nicht dazu, eine nachlässige oder unzweckmäßige Rechtswahrnehmung im Ausland zu korrigieren (Geimer, Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. Rz. 3926 a i.V.m. Rz. 2991). Selbst wenn man materiell-rechtliche Einwendungen, die einen Verstoß gegen den inländischen ordre public und die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung zur Folge haben könnten, entgegen der hier vertretenen Rechtsauffassung nicht in entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO als präkludiert ansehen wollte, würde auch das der Rechtsverteidigung des Antragsgegners nicht zum Erfolg verhelfen:

Zu 2.Bei der Beantwortung der Frage, ob ein für vollstreckbar zu erklärender ausländischer Schiedsspruch gegen den inländischen ordre public verstößt, ist Ausgangspunkt der Überlegungen das für ausländische Schiedssprüche – ebenso wie für Entscheidungen ausländischer staatlicher Gerichte – geltende Verbot der révision au fond.  Hiernach findet weder eine umfassende Kontrolle der Tatsachenfeststellungen in dem ausländischen Schiedsspruch statt, noch ist eine unrichtige Rechtsanwendung für sich allein ein Grund, dem ausländischen Schiedsspruch die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung zu verweigern. Fehlentscheidungen in der Sache sind bei Schiedssprüchen ebenso hinzunehmen wie entsprechende Urteile staatlicher Gerichte (Zöller/Geimer aaO. Rn. 40 zu § 1061).
 
Diese Grundsätze und die dem Verfahren nach § 1061 ZPO i.V.m. dem UNÜ immanente eingeschränkte Richtigkeitskontrolle des ausländischen Schiedsspruchs  läßt der AGg. außer Betracht, wenn er meint, die Unwirksamkeit des Kaufvertrages mit einem groben Mißverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung begründen zu können, das auf ihm im Schiedsgerichtsverfahren bekannten streitigen Mängeln des Kaufvertrages bei Übergabe beruhen soll, über die das Schiedsgericht mit einem dem AGg. nachteiligen Ergebnis Beweis erhoben hat.

Der ordre public greift nur in krassen Fällen zur Wahrung grundlegender und unverzichtbarer Werte der deutschen Rechtsordnung ein, bei Fallgestaltungen also, wo die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstoßen und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Anerkennungs- und Volstreckungsstaates stehen würde (EuGH NJW 2000, 1853, 1854).

Was zum ordre public des Anerkennungsstaates zählt, legt das nationale Recht fest (MüKo/Gottwald ZPO 3. Aufl. Art. 36 IZPR Rd-Nr. 5). Ein Verstoß gegen den ordre public kommt wie dargelegt nur ausnahmsweise in Betracht, wobei die Voraussetzungen im nationalen Recht international auszulegen sind (BGH NJW 1990, 2201, 2203). Der Schuldner trägt die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen den ordre public (BGH NJW 1993, 3269, 3270).

Ein Verstoß gegen den ordre public (§ 1061 ZPO i.V.m. Art. 5 Abs. 2 b UNÜ) kann sich sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ergeben.

Ebenso wie bei der Anerkennung ausländischer Urteile staatlicher Gerichte erzwingt der ordre public eine Kontrolle des ausländischen Schiedsverfahrens. Gegenstand der Kontrolle ist allerdings nicht die Beachtung der nach dem ausländischen Schiedsverfahrensstatut zwingenden Verfahrensregeln, sondern des in Deutschland schlechthin unabdingbaren Mindeststandards an Verfahrensgerechtigkeit (Zöller/Geimer aaO. Rd-Nr. 31 m.w.N.). Nicht jeder, sondern nur besonders schwere Verfahrensmängel verletzen in verfahrensrechtlicher Hinsicht den deutschen ordre public. Dass das dem ausländischen Schiedsspruch zu Grunde liegende Verfahren Verfahren – vor dem Schiedsgericht hat eine Beweisaufnahme über die streitige Mangelhaftigkeit des Pferdes im Zeitpunkt der Übergabe stattgefunden, es wurden die beiderseits angebotenen Beweise erhoben – insgesamt nicht mehr als geordnetes, rechtsstaatliches Verfahren angesehen werden kann (hierzu BGH 1990, 2201, 2203), ist weder dargetan noch ersichtlich. Gravierende Verfahrensmängel der oben beschriebenen Art behauptet der AGg., der sich allein auf einen Verstoß gegen den materiell-rechtlichen ordre public beruft, nicht.

Ein Verstoß gegen den materiell-rechtlichen ordre public liegt vor, wenn der Inhalt der ausländischen Entscheidung den Grundwertungen der deutschen Rechtsordnung völlig zuwider läuft.

Auch wenn man die Inlandsrechtsprechung zu wucherähnlichen Rechtsgeschäften entgegen der hier vertretenen Auffassung als Bestandteil des ordre public ansehen wollte, bliebe die Rechtsverteidigung des AGg. erfolglos, da die tatsächlichen Voraussetzungen eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts nicht belegt sind (wird ausgeführt).