Recht und Steuern

A 4a Nr. 134

 A 4 a Nr. 134 Art. II 2, V UNÜ – Schiedsabrede ein Scheingeschäft? Vermutungen, Darlegungs- und Beweislast im Vollstreckbarerklärungsverfahren

1. Mit der Einrede, die Schiedsklausel sei nur zum Schein abgeschlossen, ist der Antragsgegner präkludiert, wenn die Einrede im Schiedsspruch nicht erwähnt und ein derartiger Vortrag vor dem Schiedsgericht auch im Anerkennungsverfahren nicht behauptet worden ist. 
2. Behauptet der Antragsgegner im Vollstreckbarerklärungsverfahren, die von vertretungsberechtigten Personen beider Parteien in der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform  unterzeichnete  Schiedsabrede sei nur zum Schein abgeschlossen worden, so trägt er die Darlegungs- und Beweislast.
3. Gegen ein Scheingeschäft  spricht, wenn der von den Parteien angestrebte Zweck die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts voraussetzt. Wenn der Vertrag ausschließlich dazu dient, Behörden zu täuschen, ist die Schiedsabrede ein Scheingeschäft.
4. Gegen ein Scheingeschäft spricht, wenn der Antragsgegner im Schiedsverfahren die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zwar gerügt hat, aber nicht mit der Begründung, die Schiedsabrede sei nur zum Schein abgeschlossen worden.
OLG München Beschl.v. 11.7.2011 – 34 Sch 15/10; SchiedsVZ 2011, 337 = RKS A 4 a Nr. 134
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines am 19.10.2009 in Kiew erlassenen Schiedsspruchs.
Am 19.2.2008 schlossen die Parteien einen Vertrag, nach dem die Antragstellerin der Antragsgegnerin edelmetallhaltige Abfälle aus der Ukraine nach Deutschland liefern sollte. In Punkt 5.5 ist geregelt:
Alle in diesem Vertrag geregelten Punkte werden vor dem Internationalen Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer gemäß dessen Geschäftsordnung verhandelt und entschieden.
Am 10.6.2008 änderten die Parteien die Schiedsabrede folgendermaßen:
Alle vertraglichen Konflikte, Streitigkeiten oder Ansprüche, auch die, die seine Erfüllung, Verletzung, Aufhebung oder Ungültigkeit betreffen, werden vor dem Internationalen Kommerziellen Schiedsgericht der Ukrainischen Handels- und Industriekammer in Kiew gemäß dessen Geschäftsordnung entschieden.
Das Schiedsgericht in Kiew gab nach Durchführung des Verfahrens, an dem sich die Antragsgegnerin beteiligt hatte, der Klage auf restlichen Kaufpreis zum Teil statt. Die Antragsgegnerin widersetzt sich einer Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs u.a. mit der Begründung:
Es sei keine wirksame Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien geschlossen worden. Die ursprüngliche Vereinbarung vom 19.2.2008 sei auf Drängen der Antragstellerin abgeändert worden: Es sei erforderlich, ein ukrainisches Schiedsgericht zu benennen, um den inländischen Behörden glaubhaft zu machen, dass Schadensersatzansprüche durchgesetzt werden können. Die geänderte Vereinbarung sei ein Scheingeschäft.
Aus den Gründen:
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist begründet. Versagungs- und Aufhebungsgründe, die sich hier allein aus Art. V UNÜ (§ 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO) ergeben könnten, liegen nicht vor.
1. Zum einen dürfte die Antragsgegnerin mit der Einrede nach der vorrangigen Bestimmung von Art. V Abs. 1 S. 1,  2. Halbsatz  EuÜ (siehe Reichold in Thomas/Putzo § 1061 Rd-Nr. 7, 10) bereits präkludiert sein, da eine Berufung darauf, es handle sich bei der Schiedsklausel nur um ein Scheingeschäft, im Schiedsspruch nicht erwähnt und ein derartiger Vortrag vor dem Schiedsgericht auch im Anerkennungsverfahren nicht behauptet worden  ist. 
2. Darüber hinaus ist der Einwand auch unbegründet, da die schiedsrichterliche Entscheidung durch eine „schriftliche Vereinbarung“ i.S.v. Art. II Abs. 2 UNÜ legitimiert (a) und der Nachweis eines Scheingeschäfts nicht erbracht ist (b).
(a) Die wechselseitige Zusendung der unterschriebenen Vereinbarung steht fest. Unstreitig wurde sie von vertretungsberechtigten Personen der beiden Parteien unterschrieben. Die Übersendung von Schriftstücken per Fax genügt für die Schriftform  (MüKomm/Adolphsen ZPO 3. Aufl. Art. II UNÜ Rd-Nr. 13, 14).  Entscheidendes Kriterium ist die – hier gewahrte – Wechselseitigkeit.
(b) Soweit die Antragsgegnerin behauptet, dass es sich bei der Schiedsvereinbarung vom 10.6.2008 um ein Scheingeschäft gehandelt, trägt sie die Darlegungs- und Beweislast (OLG Koblenz BeckRS 2010, 21081; Palandt/Ellenberger BGB 70. Aufl. § 117 Rd-Nr. 9). Diesen Nachweis hat die Antragsgegnerin nicht erbracht.
Zwar ist diejenige Partei, die die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs im Inland betreibt, darlegungs- und beweispflichtig für das Zustandekommen einer wirksamen Schiedsabrede (Senat vom 23.11.2009, 34 Sch 13/09 = SchiedsVZ 2010, 50 m.w.N.). Steht aber die beiderseitige Unterzeichnung fest, ist also eine Vereinbarung i.S.v. Art. II UNÜ nachgewiesen, so verbleibt es für den Scheincharakter eines solchen Geschäfts bei den allgemeinen Beweislastregeln (siehe Palandt/E.  aaO.).
Weiter ist zu beachten, dass das Schicksal der Schiedsklausel von demjenigen des Hauptvertrages wegen des Trennungsprinzips unabhängig zu beurteilen ist (BGHZ 53, 315/318f.; Lachmann Hdb.f.d.Schiedsgerichtspraxis  3. Aufl. Rd-Nr. 532). Es wird sogar vertreten, dass der Einwand, Hauptvertrag und Schiedsklausel seien nur zum Schein abgeschlossen, im Hinblick darauf, dass das in der Schiedsvereinbarung bezeichnete Gericht auch zur Entscheidung – wie hier – über die Gültigkeit des Vertrages berufen ist, für die Zuständigkeit schlechthin unbeachtlich ist (Lachmann aaO.Rd-Nr. 536). Ob dem in jedem Fall zu folgen ist, kann aus den nachfolgenden Gründen dahin stehen.
Ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) ist zu bejahen, wenn die Vertragsparteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die damit verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten  lassen wollen (BVerfG NJW 2008, 3346; BGH NJW-RR 2006, 1555; KG  NJOZ 2009, 106). Gleiches gilt nach ukrainischem Zivilrecht (Art. 234 Abs. 1 uZGB; Micheler, Vertragsabschluss und Vertragsauslegung im österreichischen, ukrainischen  und UN-Kaufrecht, S. 30), das für den sogenannten „inneren Konsens“ auf den Vertrag, mag er auch für den „äußeren Konsens“ dem CISG unterliegen (MüKo/Huber 5. Aufl., Art. 45 CISG Rd-Nr. 19), anwendbar ist.
3. Ob ein Rechtsgeschäft wirklich gewollt ist oder nur zum Schein abgeschlossen wird, hängt davon ab, ob die Parteien einverständlich den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäftes hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen, oder ob sie ein ernstlich gemeintes Rechtsgeschäft für notwendig erachten (BGH NJW-RR 2006, 1555 m.w.N.). Wollen die Parteien übereinstimmend nur den äußeren Anschein eines Rechtsgeschäfts erzeugen, dessen Rechtswirkungen aber nicht eintreten sollen, sind die von ihnen abgegebenen Erklärungen wirkungslos. Setzt der von den Parteien angestrebte Zweck dagegen die Gültigkeit des  Rechtsgeschäfts voraus, spricht dies umgekehrt gegen eine bloße Simulation. Allein die angekündigte Absicht, den Vertrag nicht durchführen zu wollen, macht den Vertrag noch  nicht zum Scheingeschäft (Heuermann, DB 2007, 416/417). Nur dann, wenn der Vertrag ausschließlich dazu dient, Behörden zu täuschen, wofür der äußere Anschein eines Rechtsgeschäfts ausreichend ist,  liegt ein Scheingeschäft vor (BGH NJW-RR 2006, 1555).
Den Nachweis, dass die Schiedsklausel in der Zusatzvereinbarung vom 10.6.2008 nicht ernst gemeint war und nur zur beiderseits beabsichtigten Täuschung der ukrainischen Behörden verfasst wurde,  hat die Antragsgegnerin nicht erbracht. Es ist nicht widerlegt worden, dass der von den Parteien erstrebte Rechtserfolg – sei es eine schnellere Freigabe der im Juli 2008 noch blockierten Ware, sei es, bei einem späteren Abschluss, eventuell die Durchsetzung von Schadensersatzforderungen – die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts, jedenfalls der Schiedsabrede, vorausgesetzt hat.  Dass die Parteien – und dabei insbesondere die Antragsgegnerin – bei Abschluss der Zusatzvereinbarung davon ausgegangen sind, damit seien keine für sie nachteiligen Folgen verbunden,  steht dem  nicht entgegen.
4. Gegen ein Scheingeschäft spricht auch, dass die Antragsgegnerin die Zuständigkeit des ukrainischen Schiedsgerichts im Schiedsverfahren zwar gerügt hat, nicht aber mit der Behauptung, die Schiedsklausel in der Zusatzvereinbarung vom 10.6.2008 sei nur zum Schein abgeschlossen worden. Nach den im Anerkennungsverfahren nicht bestrittenen Feststellungen im Schiedsspruch bezog sich die Zuständigkeitsrüge nur auf den Vortrag der Antragstellerin, dass die Zusatzvereinbarung in ihrem materiellen Teil  in Bezug auf die gegenständlichen Streitfragen nicht angewendet werden könne, da die Bestimmungen dieser Vereinbarung insoweit keine Rückwirkung hätten. Hieraus folgerte die Antragsgegnerin auch die Nichtanwendbarkeit der Schiedsklausel (wird ausgeführt).