Recht und Steuern

A 4a Nr. 132

 A 4 a Nr. 132  Art. VII UNÜ, Art.11 Abs. 2 EGBGB, §§ 1025 Abs. 2, 1031 Abs. 2 ZPO –  Aufrechnung im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs. Schiedsort in Drittland.  Form der Schiedsvereinbarung. Meistbegünstigung

Die Auffassung des Schiedsgerichts, die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung der Antragstellerin ergebe sich nicht aus dem von ihm zu beurteilenden Kaufvertrag, sondern aus einem anderen Vertrag mit einer gesonderten Schiedsvereinbarung, bindet nicht das staatliche Gericht im Verfahren der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Das staatliche Gericht prüft die Wirksamkeit der gesonderten Schiedsvereinbarung in eigener Zuständigkeit.

Gemäß Art. 11 Abs. 2  EGBGB richtet sich die Form der Schiedsvereinbarung entweder nach dem Recht des Sitzes der Antragstellerin oder dem Recht des Sitzes der Antragsgegnerin. Unerheblich ist, dass der Schiedsort in einem Drittland liegt. Bei ausländischen Schiedsverfahren ist § 1031 Abs. 2 ZPO über Art. 11 Abs. 2 EGBGB und ohne die Einschränkung des § 1025 Abs. 2 ZPO entsprechend anzuwenden.

Gemäß Art. VII UNÜ bleiben weniger strenge Formvorschriften des deutschen Rechts unberührt (Meistbegünstigung).
KG Berlin Beschl.v. 20.1.2011 – 20 Sch 09/09; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2011, 285 = RKS A 4 a Nr. 132
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt Vollstreckbarerklärung des britischen Schiedsspruchs der Refined Sugar Association (RSA) vom 24.2.2009 in Höhe von 121.559 € einschließlich Zinsen zuzüglich 12.975 £ Schiedsverfahrenskosten und 2.000 £ Registrierungsgebühr.

Die ASt. als Verkäuferin schloss mit der Antragsgegnerin als Käuferin am 20.6.2005 einen Kaufvertrag nach den Regeln der RSA über die gelieferten 1.800 t Zucker. Der Vertrag enthält eine Schiedsklausel, nach der alle aus diesem Kontrakt entstehenden Streitigkeiten an die RSA zur Schlichtung gemäß deren Arbitrage-Bestimmungen übergeben werden sollen. Nachdem die AGg. 97.921 € schuldig blieb, erhob die ASt. Schiedsklage bei der RSA. Das Schiedsgericht erließ den hier gegenständlichen Schiedsspruch und ließ zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen der AGg. unberücksichtigt, weil diese Forderungen sich nicht im Zusammenhang mit dem hier zu beurteilenden Kaufvertrag, sondern aus weiteren Verträgen mit gesonderten Schiedsvereinbarungen ergäben; deshalb habe es der AGg. offen gestanden, gesonderte Schiedsverfahren einzuleiten.

Die AGg. verfolgt ihre Gegenforderungen in diesem Vollstreckbarerklärungsverfahren weiter: ihr stünden aus den weiteren zwischen den Parteien geschlossenen Kontrakten Nrn. 84 und 13 Schadensersatzansprüche in Höhe von 149.025 € zu. Diese Kontrakte enthalten die Klausel, dass alle daraus entstehenden Streitigkeiten an die „RSA zur Schlichtung in Übereinstimmung mit deren Arbitragebestimmungen“  übergeben werden. Der Kontrakt 84 ist von beiden Parteien, die Vertragsurkunde 13 allein von der AGg. unterzeichnet.

Die Parteien streiten, ob die Gegenansprüche  in diesem Verfahren im Wege der Aufrechnung geltend gemacht werden können. Insoweit erhebt die ASt. die Einrede der Schiedsvereinbarung, während sich die AGg. auf die vermeintliche formelle Unwirksamkeit der Schiedsklausel stützt.

Aus den Gründen:

Der Antrag hat Erfolg. Der im Tenor genannte Schiedsspruch nebst Bescheinigung war gem. § 1061 Abs. 2 ZPO i.V.m. dem UNÜ für vollstreckbar zu erklären. Der geltend gemachte Schiedsspruch eines britischen Schiedsgerichts unterliegt diesem Übereinkommen, weil die Vollstreckung des Schiedsspruchs in der BRD nachgesucht wird (Art. 11 EGBGB).        

Die Gegenforderungen der AGg. sind nicht zu berücksichtigen, weil die ASt. die Einrede der Schiedsvereinbarung in Bezug auf die von der AGg. geltend gemachten Gegenforderungen aus den Verträgen mit Erfolg erheben kann, die jeweils eine gültige, insbesondere formwirksame Schiedsvereinbarung enthalten.

Der Vertrag 84 mit Schiedsklausel ist gemäß Art. II 2 UNÜ wirksam; denn er ist unstreitig von beiden Parteien unterzeichnet. Die Formwirksamkeit der im Vertrag 13 enthaltenen Schiedsklausel folgt aus § 1031 Abs. 2 ZPO i.V.m. Art. 11 EGBGB. § 1031 Abs. 2 ZPO ist im vorliegenden Fall anwendbar. Für die Einhaltung der notwendigen Form der Schiedsvereinbarung ist (auch) deutsches Recht maßgeblich. Gemäß Art. 11 Abs. 2 EGBGB richtet sich die Form der Schiedsvereinbarung entweder nach dem Recht der Tschechischen Republik als Sitz der ASt. oder nach dem der Bundesrepublik Deutschland, dem Geschäftssitz der AGg. Unerheblich ist, dass der Schiedsort in London liegt. Bei ausländischen Schiedsverfahren ist § 1031 Abs. 2 über Art. 11 Abs.2 EGBGB und ohne die Einschränkung des § 1025 Abs. 2 ZPO entsprechend anzuwenden (Zöller/Geimer ZPO 27. Aufl. 2009 § 1031 Rd-Nr. 1 m.w.N.). Gemäß Art. VII UNÜ bleiben weniger strenge Formvorschriften des deutschen Rechts unberührt (Meistbegünstigung; Zöller/Geimer aaO. Rd-Nr. 4 m.w.N.).

Der Vertrag 13 erfüllt die Voraussetzungen des § 1031 Abs. 2 ZPO. Danach genügt es zur Einhaltung der Form, wenn die Schiedsvereinbarung in einem von der einen Partei der anderen Partei übermittelten Dokument enthalten ist und der Inhalt des Dokuments im Fall eines nicht rechtzeitig erfolgten Widerspruchs nach der Verkehrssitte als Vertragsinhalt angesehen wird.     
 
Dem Vortrag der AGg. in deren Schriftsatz vom 14.8.2009 zufolge, den sich die ASt. insoweit mit Schriftsatz vom 4.1.2010 zu eigen gemacht hat, beruht der Vertragsschluss hinsichtlich des Vertrages 13 auf den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens. Die AGg. bestätigte der ASt. den Abschluss jenes Vertrages, ohne dass die ASt. dem in angemessener Zeit widersprach. Dies ergibt sich aus dem von der AGg. dargelegten zeitlichen Ablauf der Vertragsverhandlungen (wird ausgeführt).