Recht und Steuern

A 4a Nr. 131

Vollstreckbarerklärungsverfahren. Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Schiedsgericht. Substantiierungsanforderungen, Voraussetzungen einer Zeugenvernehmung.
1. Hält das Schiedsgericht eine Vertragsklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung für unwirksam und will der Antragsgegner demgegenüber geltend machen, er habe diese Klausel individuell ausgehandelt, so ist sein Vortrag, es hätten „mannigfaltige Gespräche mit den Mitarbeitern stattgefunden“, nicht hinreichend substantiiert. Ein „Aushandeln“ setzt voraus, dass der Antragsgegner die fragliche Klausel auch inhaltlich zur Disposition gestellt hat und bereit war, dem Antragsteller insoweit Gestaltungsfreiheit einzuräumen. Der Antragsgegner hätte vortragen müssen, dass, wann, zwischen wem und mit welchem konkreten Inhalt die Klausel Gegenstand von Gesprächen war.
2. Mangels Substantiierung waren die für den Inhalt der Gespräche benannten Zeugen nicht zu vernehmen. Die Zeugenvernehmung ist als Mittel der Beweisaufnahme erst dann zulässig und erforderlich, wenn beweiserhebliche Behauptungen bestritten werden. Dagegen ist eine Ermittlung von weiteren, nicht vorgetragenen Tatsachen nicht Aufgabe der Zeugen, sondern der Parteien (sog. Ausforschungsbeweis).
3. Das Schiedsgericht ist nicht verpflichtet, den Parteien seine Rechtsauffassung mitzuteilen. Das rechtliche Gehör ist nur verletzt, wenn das Schiedsgericht ohne vorherigen Hinweis von einer bereits geäußerten oder sonst erkenntlich gemachten Rechtsauffassung abweicht und die Parteien im Vertrauen auf diese Auffassung davon abgesehen haben, weiter vorzutragen.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.7.2010 – 1 Sch 3/10; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2011, 49 = RKS A 4 a Nr. 131
Aus den Gründen:
Der Aufhebungsantrag der Antragsgegnerin (AGg.) hat keinen Erfolg. Aufhebungsgründe i.S.d. §§ 1060 Abs. 2, 1059 Abs. 2 ZPO, die zur Ablehnung der Vollstreckbarerklärung und zur Aufhebung des Schiedsspruchs führten, liegen nicht vor. Insbesondere hat der Schiedsrichter den Anspruch der AGg. auf rechtliches Gehör nicht verletzt(§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 b, Nr. 2 b ZPO). Er hat weder erheblichen Sachvortrag noch zu berücksichtigende Beweisantrage übergangen und alle gebotenen Hinweise erteilt.
Im Rahmen des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs können gem. § 1060 Abs. 2 ZPO zur Begründung eines Aufhebungsantrags nur die in § 1059 Abs. 2 ZPO bezeichneten Gründe geltend gemacht werden. Eine darüber hinausgehende inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs ist den staatlichen Gerichten dagegen versagt (sog. Verbot der „Révision au fond“, vgl. Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl. Rd-Nr. 74 zu § 1059, allgemeine Meinung). Dem entsprechend kann der Schiedsspruch nur auf Verstöße gegen das rechtliche Gehör und den ordre public im Übrigen überprüft werden (§ 1060 Abs. 1 i.V.m. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b, Nr. 2 b ZPO).
1. Derartige Verstöße liegen nicht vor. Die AGg. macht geltend, der Schiedsrichter habe entgegen § 26 DIS-SchiedsO und Art.103 GG ihren schriftsätzlichen Vortrag zur behaupteten individuellen Aushandlung der Zahlungsklausel nicht berücksichtigt und verfahrenswidrig den angebotenen Zeugenbeweis nicht erhoben. Er habe die Anforderungen an die Substantiierung in einer Weise überspannt, mit der sie nicht habe rechnen müssen. Die benannten Zeugen hätten bestätigt, dass die Klausel nicht als allgemeine Geschäftsbedingung von der AGg. gestellt wurde, sondern von beiden Parteien ausgehandelt worden sei (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB). Damit wäre aber die Klage abzuweisen gewesen.
Zumindest hätte der Schiedsrichter einen deutlichen Hinweis erteilen müssen, damit der Vortrag hätte substantiiert werden können. Der in der Verfügung vom 3.12.2009 enthaltene allgemeine Hinweis, dass eine Beweisaufnahme nur erfolge, wenn die jeweils die Darlegungslast tragende Partei substantiiert vortrage, habe nicht erkennen lassen, in welcher Weise der Schiedsrichter den Vortrag für ergänzungsbedürftig gehalten habe.
Der Schiedsrichter hat den Anspruch der AGg. auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Er war weder zu weitergehenden Hinweisen verpflichtet, noch waren die benannten Zeugen zu vernehmen.
Die Erwägungen des Schiedsrichters zum Anscheinsbeweis, der dafür spreche, dass § 4.1 des Werkvertrags von der AGg. für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und von ihr in den Vertrag eingeführt worden sei, und die Annahme, dass die AGg. diesen Anschein nicht entkräftet habe, sind der inhaltlichen Nachprüfung entzogen (Verbot der Révision au fond). Die Rechtsauffassung ist in der Sache vertretbar und jedenfalls nicht willkürlich. Der Schiedsrichter hat einleuchtend als maßgeblich darauf abgestellt, dass die Bezeichnung der Parteien als „Unternehmer“ und „…“ auf der anderen Seite für eine vorformulierte Klausel spricht.
Auch die weitere Annahme, die AGg. habe nicht substantiiert dargelegt und nicht bewiesen, dass § 4.1 i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB individuell ausgehandelt wurde, ist ebenfalls sachlich vertretbar. Sie verletzt die AGg. auch nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör.
Die Beweislast für den Ausnahmetatbestand des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB lag – wie der Schiedsrichter zutreffen angenommen hat – auf Seiten der AGg. als Verwenderin der Formularklausel. Sie war daher gehalten, die Tatsachen schlüssig vorzutragen, aus denen sich ein „Aushandeln“ ergeben konnte, während eine Beweisaufnahme nur nach entsprechendem –bestrittenen – Vortrag in Betracht zu ziehen war.
Wie der Schiedsrichter zutreffend ausgeführt hat, setzte ein „Aushandeln“ grundsätzlich voraus, dass die AGg. die fragliche Klausel inhaltlich zur Disposition gestellt hatte und ggf. bereit war, der ASt. insoweit Gestaltungsfreiheit einzuräumen. Der Schiedsrichter hat auch zutreffend erkannt, dass im kaufmännischen Verkehr u.U. geringere Voraussetzungen bestehen konnten, dass aber in jedem Fall inhaltliche Gespräche über die Klausel erforderlich waren.
Die AGg. hat nach diesen Maßstäben die tatsächlichen Voraussetzungen eines „Aushandelns“ nicht schlüssig dargelegt. Insoweit hat der Schiedsrichter die Anforderungen an die Darlegung keineswegs überspannt.
Die AGg. hatte in ihrem Schriftsatz vom 20.11.2009 nur die allgemeine Behauptung aufgestellt, die Zahlungsbedingungen seien allesamt sowohl mit der ASt. als auch mit weiteren Lieferanten individuell ausgehandelt worden. Sie hat zur Konkretisierung ihres Vortrags auf den Inhalt anderer Subunternehmerverträge verwiesen und die Auffassung vertreten, der Umstand, dass diese anders formuliert seien als die fragliche Klausel, zeige, dass die Parteien über den Inhalt der Bestimmung gesprochen und eine zahlenmäßige Bezifferung vereinbart hätten.
Aus diesem Vorbringen ergab sich gerade nicht, dass die maßgeblichen Modalitäten der Erfüllung ausgehandelt wurden. Das Vorbringen sprach eher für das Gegenteil.
Erkennbare Unterschiede zu den vorgelegten Klauseln in den anderen Verträgen bestehen zwar im Hinblick auf die jeweilige Höhe der Schlussrate. Darauf kommt es aber für die Beurteilung nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr, ob auch derjenige Teil der Regelung, wonach die Übergabe von „Promissory Notes“ an Erfüllungs Statt erfolgen und der Anspruch ggf. bereits dann erlöschen sollte, wenn entsprechende „Promissory Notes“ trotz Fristsetzung nicht übergeben würden, zwischen den Parteien ausgehandelt worden war. In diesem Punkt stimmen die Verträge aber wortgleich überein, was eher gegen ein „Aushandeln“ der Klausel spricht. Jedenfalls konnte daraus nichts im Sinne der AGg. hergeleitet werden.
Weitere konkrete Tatsachen hat die AGg. nicht vorgebracht. Insbesondere hat sie nicht dargelegt, dass, wann, zwischen wem und mit welchem Inhalt die Klausel Gegenstand von Gesprächen war.
Auch der nachfolgende Schriftsatz vom 23.12.2009 enthält keinen weitergehenden schlüssigen Sachvortrag. Die AGg. hat im Wesentlichen auf den vorangegangenen Schriftsatz Bezug genommen und ergänzend lediglich behauptet, es hätten „mannigfaltige weitere Gespräche“ mit den Mitarbeitern stattgefunden und es überspanne die Substantiierungsanforderungen, konkreten Vortrag zu Tag und Stunde zu verlangen.
Dies war als Sachvortrag ebenfalls bei weitem nicht ausreichend, um die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB schlüssig darzutun. Die Behauptung, es hätten „mannigfaltige Gespräche“ stattgefunden, enthält einen Tatsachenkern nur insoweit, als es um die Durchführung der Gespräche selbst geht. Inhaltlich führte die Behauptung aber nicht weiter, weil für die Anwendung des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB nicht genügte, dass Gespräche stattgefunden hatten. Ob – was maßgeblich war – bei den Gesprächen die fragliche Klausel auch inhaltlich erörtert wurde und mit welchem Inhalt, hat die AGg. weiterhin nicht vorgetragen. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der AGg. entsprechender Vortrag unmöglich oder unzumutbar gewesen sein könnte, vorausgesetzt, dass tatsächlich über den Klauselinhalt verhandelt wurde.
2. Bei der gegebenen Sachlage waren auch die benannten Zeugen nicht zu vernehmen. Die Zeugenvernehmung ist – als Mittel der Beweisaufnahme – erst dann zulässig und erforderlich, wenn erhebliche Behauptungen bestritten wurden. Dagegen ist eine Ermittlung von weiteren, nicht vorgetragenen Tatsachen nicht Aufgabe der Zeugen, sondern der Parteien (sog. Ausforschungsbeweis).
Schließlich hat der Schiedsrichter auch das rechtliche Gehör nicht dadurch verletzt, dass er der AGg. keine weiteren Hinweise erteilt hat.
3. Die Verletzung von Hinweispflichten (§ 24.2 DIS-Schiedsordnung, § 139 Abs. 1 und 2 ZPO) kann zwar – je nach Einzelfall – eine Gehörsverletzung bedeuten und ggf. gegen den ordre public i.S.d. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO verstoßen, wenn der betroffenen Partei dadurch Sachvortrag abgeschnitten wird. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gibt dagegen keinen Anspruch darauf, vorab die Rechtsauffassung des Gerichts kennen zu lernen (BGH 8.10.1959 – VII ZR 87/58 = BGHZ 31, 43; BGH 12.7.1990 – III ZR 174/89 = NJW 1990, 3210 = RKS A 4 a Nr. 30; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 115 Rd-Nr. 3).
Eine Gehörsverletzung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Richter ohne vorherigen Hinweis von einer bereits geäußerten oder sonst erkenntlich gemachten Rechtsauffassung abweicht und die Parteien im Vertrauen auf diese Auffassung davon abgesehen haben, weiter vorzutragen.
So liegt der Fall aber nicht. Der Schiedsrichter hat offenbar bereits in der mündlichen Verhandlung vom 26.5.2009 den Hinweis erteilt, dass es sich bei § 4.1 möglicherweise um AGB handle. Anders ist nicht zu erklären, dass die AGg. im Schriftsatz vom 20.11.2009 zur Frage des Aushandelns ergänzend vorgetragen hat. Damit aber war klar, dass insoweit schlüssiger Vortrag erforderlich war. In der Verfügung vom 3.12.2009 hat der Schiedsrichter den ergänzenden Hinweis erteilt, dass eine Aufklärung nur erfolge, wenn die die Darlegungslast tragende Partei substantiiert vortrage.
Damit war klargestellt, dass der Schiedsrichter den bisherigen Vortrag als nicht ausreichend ansah und weiteres Vorbringen für erforderlich hielt. Es lag für die anwaltlich vertretene AGg. auf der Hand, dass mit weiterem Vortrag solcher zum Ablauf und Inhalt der Gespräche gemeint war, sodass es einer weiteren Konkretisierung des Hinweises nicht bedurfte.
In der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2009 wurde ausweislich des Protokolls ausführlich über die Frage diskutiert, ob die Parteien relevante Bestimmungen des Vertrags ausgehandelt hatten. Der Schriftsatz der AGg. vom 23.12.2009 zeigt, dass der Schiedsrichter deutlich gemacht hat, dass er das Vorbringen weiterhin nicht für ausreichend erachtete. Dennoch hat die AGg. weiterhin zum Inhalt der Gespräche nichts vorgetragen, sondern nur auf ein Gespräch vom 22.1.2004 verwiesen, ohne dessen Inhalt zu erläutern. In Anbetracht dieser Hinweise ist der Vorwurf nicht berechtigt, durch die Verfahrensweise gegen das rechtliche Gehör verstoßen zu haben, zumal die AGg. auch im vorliegenden Verfahren nicht aufgezeigt hat, welchen Vortrag sie bei einemweitergehenden Hinweis gehalten hätte. Sie hat weiterhin nicht dargelegt, wie die Klausel inhaltlich erörtert worden sein soll, sodass die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB immer noch nicht schlüssig dargetan sind.