Recht und Steuern

A 4a Nr. 126

§§ 767 Abs. 2, 1059 Abs. 2 b ZPO, § 389 BGB – Aufrechnung im Vollstreckbarerklärungsverfahren: Zulässigkeit ohne Aufhebungsverfahren im Erlassstaat, bei begründeter Vollstreckungsgegenklage, Nachprüfung der schiedsgerichtlichen Interpretation
1. Muss eine Partei im Erlassstaat keine Nachteile aus dem Schiedsspruch befürchten, etwa weil sie dort kein Vermögen hat, so ist sie nicht gehalten, dort ein Kosten verursachendes Aufhebungsverfahren anzustrengen.
2. Die Auslegung einer Aufrechnungserklärung als Anerkenntnis hinsichtlich der Forderung, mit der aufgerechnet worden ist, ist nicht zu beanstanden. Eine weitergehende inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs findet im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht statt.
3. Einwendungen gegen den Anspruch selbst können im Vollstreckbarerklärungs-verfahren erhoben werden, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte. Dies gilt jedoch nicht für die Aufrechnung gegen Forderungen, die einer Schiedsabrede unterliegen, wenn der Aufrechnungsgegner sich auf die Schiedsabrede beruft.
OLG Schleswig Beschl.v. 15.5.2009 – 16 Sch 1/09; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2010, 276 = RKS A 4 a Nr. 126
Aus den Gründen:
1. Der Geltendmachung von Einwänden gegen die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin von der Möglichkeit, in der Slowakischen Republik mittels einer Klage die Aufhebung des Schiedsspruchs zu erreichen, keinen Gebrauch gemacht hat. Die unterlegene Schiedspartei kann legitime Gründe für ein solches Verhalten haben. Muss eine Partei keine Nachteile aus dem Schiedsspruch im Erlassstaat befürchten, etwa weil sie dort kein Vermögen hat, so ist nicht ersichtlich, warum sie gehalten sein sollte, dort ein Kosten verursachendes Aufhebungsverfahren anzustrengen (BGH 17.4.2008 III ZB 97/06 BGH-Report 2008, 810 = RKS A 4 a Nr. 105).
2. Anerkennungsversagungsgründe i.S.v. Art. 5 Abs. 1 UNÜ, für die die Antragsgegnerin den Beweis zu erbringen hätte, werden von ihr nicht geltend gemacht. … Nicht jeder Widerspruch der Entscheidung des Schiedsgerichts zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts stellt einen Verstoß gegen den ordre public dar; der Schiedsspruch muss vielmehr die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen (BGH 30.10.2008 III ZB 17/08 BGH NJW 2009, 1215 = RKS A 4 a Nr. 110).
Das Schiedsgericht hat das im Schiedsverfahren eingereichte Schreiben der Antragsgegnerin vom 5.10.2005, mit dem diese die Aufrechnung mit ihren anderen Forderungen erklärt hat, dahin ausgelegt, dass der Schaden in Höhe von 304 950 € unumstritten und nur im Übrigen bestritten ist. Es hat die auf eine Aufrechnung gerichtete Handlung der AGg. als Schuldanerkenntnis interpretiert und dabei insbesondere auf die Formulierung „Summe der akzeptierten Forderungen“ im Schreiben vom 5.10.2005 abgestellt. In einem weiteren Schreiben ist das Schiedsgericht davon ausgegangen, dass die Aufrechnung der AGg. ins Leere gegangen ist, weil bereits zuvor die Antragstellerin gegen die Kaufpreisforderungen der AGg. mit ihren Schadensersatzforderungen aufgerechnet hatte. Sodann hat es formuliert: „Das Schiedsgericht geht für den Bedarf dieses Verfahrens davon aus, dass die Forderungen formell geltend gemacht und kompensiert wurden, und es ist nicht nachgewiesen worden, dass diese ein Gegenstand eines Streitverfahrens wären. Hiermit möchte aber das Schiedsgericht beim eventuellen Streit über die Existenz und Höhe der kompensierten Forderungen nicht entscheiden, was ihm nicht obliegt und welche von beliebiger Partei zur Geltung gebracht werden können.“ Die letztgenannte Formulierung ist in dem Sinne zu verstehen, dass das Schiedsgericht sich einer Entscheidung über die Frage, ob die Aufrechnungserklärungen einerseits der ASt. und andererseits der AGg. zum Erlöschen der Forderungen geführt haben, ausdrücklich enthalten hat. Es hat nur den Umstand, dass die AGg. aufgerechnet und nicht etwa die Forderung bestritten hat, als Anerkenntnis ausgelegt, woraus sich dann zwangsläufig eine Restforderung der ASt. im Schiedsverfahren ergeben hat.
Diese Wertungen des Schiedsgerichts widersprechen nicht grundlegenden Wertentscheidungen des deutschen Gesetzgebers. Insbesondere hat das Schiedsgericht nicht eine Aufrechnung mit Forderungen zugelassen, die es selbst als bestritten angesehen hat. Es hat sich vielmehr insoweit einer Entscheidung enthalten und die Parteien des Schiedsverfahrens mit der Formulierung „welche von beliebiger Partei zur Geltung gebracht werden können“ darauf verwiesen, die wechselseitigen Forderungen anderweit geltend zu machen. Die Auslegung der Aufrechnungserklärung der AGg. als Anerkenntnis hinsichtlich der Forderung, gegen die aufgerechnet worden ist, ist nicht zu beanstanden. Eine weitergehende inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs findet im Vollstreckbarkeitserklärungsverfahren nicht statt.
Daraus folgt zugleich, dass ein Verstoß gegen den ordre public sich nicht aus einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs ergibt. Das Schiedsgericht hat gerade nicht ohne vorherigen Hinweis eine Aufrechnung mit einer bestrittenen Forderung zugelassen. Die Frage der Anerkennung der Forderungen der ASt. durch Zahlung und Aufrechnungserklärung ist Gegenstand der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien gewesen, deren Inhalt ausführlich im Schiedsspruch wiedergegeben worden ist.
3. Die Forderung der ASt. ist nicht durch Aufrechnung erloschen, § 389 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH können Einwendungen gegen den Anspruch selbst im Vollstreckbarerklärungsverfahren erhoben werden, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte, § 767 Abs. 2 ZPO (BGH 8.11.2007 III ZB 95/06 NJW-RR 2008, 659 = RKS A 4 a Nr. 102; 12.7.1990 III ZR 174/89 NJW 1990, 3210 = RKS A 4 a Nr.30; NJW 1961, 1627; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 27 Rd-Nr. 12 ff.)
Im Vollstreckbarerklärungsverfahren können jedoch – jedenfalls dann, wenn der Aufrechnungsgegner sich auf die Schiedsgerichtsklausel beruft – nur solche Entscheidungen berücksichtigt werden, die nicht ihrerseits einer Schiedsabrede unterliegen (Schwab/Walter aaO. Kap. 3 Rd-Nr. 13; Musielak ZPO 5. Aufl. § 1060 Rd-Nr. 12; BGH MDR 1963, 125; OLG München 27.6.2005 -34 Sch 015/05 MDR 2005, 1244 = RKS A 4 a Nr. 77). Die AGg. rechnet mit Kaufpreisforderungen aus den vorgelegten Kaufverträgen auf, die jeweils eine Schiedsabrede enthalten. Danach sind eventuelle aufgrund und im Zusammenhang mit diesem Vertrag entstehende Streitigkeiten einem Dreier-Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer zur endgültigen Entscheidung gemäß den Vorschriften ihres Schiedsverfahrens zu unterbreiten, wobei die Parteien je einen Schiedsrichter selbst bestimmen. Die ASt. hat sich auf die Schiedsabrede berufen. Da für die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche der AGg. ein anderes Schiedsgericht zuständig ist, folgt eine Zuständigkeit des Senats auch nicht daraus, dass das Schiedsgericht sich einer Entscheidung über die Aufrechnung ausdrücklich enthalten hat.